Da fand ich noch bei spiegel online eine Kolumne von Herrn Augstein zu dem Thema, die ich mal hier reinkopiere:
Mischung aus seelischer Verhärtung und moralischer Verbitterung
Seitdem geht es drunter und drüber im Land. Die Migration wurde zum wichtigsten Thema. Und je nachdem, wie einer dazu steht, findet er sich plötzlich in ungewohnter Gesellschaft. Ob jemand von der allgemeinen Furcht vor dem Fremden erfasst wird und von der besonderen Verachtung für den Islam, entscheidet sich nach allem Möglichen - nur nicht nach alten parteipolitischen Präferenzen. Es war zu erwarten, dass wir dabei erst einmal mehr über uns selbst lernen als über die Neuankömmlinge.
Besonders unangenehm war es zu erleben, wie bei vielen der materielle Überfluss und die empathische Armut zu einer dekadenten Mischung aus seelischer Verhärtung und moralischer Verbitterung geronnen. Man erinnere sich an die 34 CDU-Funktionäre, die im vergangenen Herbst in einem offenen Brief schrieben, die "Politik der offenen Grenzen" stehe nicht "im Einklang mit dem Programm der CDU".
Oder man denke an Alice Schwarzer, die jüngst mit Blick auf die vielen klatschenden Helfer am Münchner Bahnhof gesagt hat: "Es ging mehr um sie selbst als um die Flüchtlinge. Ein Hauch von Kitsch wehte mich an." So sehen hilflose Versuche aus, sich die Gegenwart vom Leib zu halten.
Es ist diese Gegenwart, mit der Merkels Gegner hadern. Die Kanzlerin, so schreibt es Berthold Kohler in der "FAZ", glaube schlicht nicht daran, "dass sich das reiche und friedliche Europa im Zeitalter globaler Krisen und Wanderungsbewegungen hinter Mauern und Zäunen verschanzen kann". Merkels Gegner glauben immer noch an die Macht von Mauern und Zäunen. Erstaunlich viele Menschen aber sind im vergangenen Jahr mit der Kanzlerin gegangen, die vielleicht aus der deutschen Geschichte die Lehre gezogen hat, dass keine Mauer am Ende halten wird.
"Wir schaffen das" hat Angela Merkal am 31. August 2015 gesagt. Die Kollegen der ARD haben gerade gemeldet, dass Sigmar Gabriel dasselbe schon am 22. August gesagt hatte. Ihm hat man den Satz nicht zugerechnet. Es wurde stattdessen ihr berühmtester. Ob die Deutschen "das" auch schaffen wollen, hat Merkel nicht gefragt. Sie ist damit die radikale Realistin geblieben, die sie immer war.
Wir schaffen das? Vielleicht. Aber wir sind auch geschafft.
In dieser Woche...