Heute habe ich mal einen kleinen Leckerbissen rausgesucht. Der Artikel ist zwar schon etwas älter, aber passt sehr gut hier ins Thema:
Sozialdemokrat Adolf HitlerRalf Georg Reuth belegt linke Herkunft und Motivation des Diktators„Jeder war einmal Sozialdemokrat“, so die Bemerkung des NSDAP-Führers Adolf Hitler, als er sich 1921 schützend vor Hermann Esser stellte, nachdem dieser innerparteilich dafür attackiert wurde, dass er als Journalist für ein sozialdemokratisches Blatt gearbeitet hatte (1923 sollte er zum ersten Propagandaleiter der NSDAP avancieren). Hitler wurde dabei sekundiert von Sepp Dietrich, den späteren Kommandeur der „Leibstandarte-SS Adolf Hitler“, der einst als gewählter Vorsitzender eines Soldatenrates fungiert hatte, indem er zum Ausdruck brachte, dass die Nationalsozialisten alle einmal Sozialdemokraten gewesen seien. Die Tatsache, dass Hitler selbst zur Revolutionszeit in München um 1919 eindeutig Sympathisant der (Mehrheits-)Sozialdemokratie und dabei auch als gewählter Soldatenrat aktiv gewesen war, wird im jüngst erschienenen Buch des Historikers Reuth eindeutig belegt. Diese Tatsache war noch 1923 vom damaligen SPD-Vizepräsidenten des Bayerischen Landtages Auer in der „Münchner Post“ bestätigt worden: Danach „galt seiner politischen Überzeugung nach“ Hitler „in den Kreisen der Propagandaabteilung als Mehrheitssozialdemokrat und gab sich auch als solcher aus, wie so viele war er aber nie politisch oder gewerkschaftlich organisiert.“
Grund für Abwendung Hitlers von SPD
Hitler wäre erkennbar Sympathisant der SPD geblieben (vielleicht sogar Mitglied geworden?), wenn diese Partei die vom Reichsministerpräsidenten Philipp Scheidemann vertretene Linie beibehalten hätte, das Versailler Friedensdiktat nicht zu unterzeichnen. Und wenn sie bereit gewesen wäre, gegebenenfalls, bei dem von den Alliierten für diesen Fall angekündigten Einmarsch ins Reichsgebiet, „den Kampf gegen den kapitalistischen Westen“ aufzunehmen, um gegen diesen „das neue soziale Deutschland“ mit Waffengewalt zu verteidigen. Damit wird auch deutlich, dass Hitler mit den meisten anderen einfachen Kriegsteilnehmern auf Seite der Republik stand, was die überwältigende Zustimmung zu den republikanischen Parteien bei der Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung erklärt. Dies markierte parteipolitisch entscheidend den Erfolg des spätestens seit 1914 von der SPD verfolgten Konzepts, Sozialismus wieder mit dem deutschen Nationalismus zu versöhnen. Dieser war seit 1871 von den Konservativen vereinnahmt worden. Dabei war dem Nationalismus die sozial-revolutionäre Konsequenz abhanden gekommen, die er noch beim SPD-Gründer Lassalle aufgewiesen hatte.
Die überwältigende republikanische Mehrheit, die die beeindruckenden Erfolgsaussichten für die demokratische Staatsform in Deutschland belegt, entschwand dann nach dem Versailler Diktat rapide. Sicherlich wird man die Entscheidung, den sogenannten Friedensvertrag zu unterzeichnen, für vertretbar, wenn nicht gar für geboten halten können. Besonders die SPD ist aber dadurch Opfer der eigenen internationalistischen Erwartungen geworden, wonach den westlichen Freunden bei Abschaffung der deutschen Monarchien gar nichts anders übrig bleiben könne als einen Frieden von der Art abzuschließen, wie ihn der amerikanische Heilspräsident Wilson nahe gelegt hatte. Dabei hatte man übersehen, dass sich insbesondere die französische Kriegspropaganda mit einer rassistischen Schärfe – la race humaine contre la race Allemande – gegen das deutsche Volk als solches gerichtet hatte und nicht nur gegen den „Kaiserismus“. Die von sozialistischer Seite, wie etwa von dem von Hitler unterstützten bayerischen Revolutionsministerpräsidenten (und Juden) Kurt Eisner in internationalistischem Vertrauen und politischer Naivität abgegebenen Kriegsschulderklärungen, die die deutsche monarchischen Regierungen für den Krieg verantwortlich machten, sollten sich bitten rächen, weil sie als amtliches Zugeständnis „deutscher Schuld“ mit entsprechenden Zahlungsverpflichtungen genommen wurden. Für Hitler war damit klar, dass man sich von den verbliebenen internationalistischen Illusionen der Sozialdemokratie vollständig abwenden müsse, um den Sozialismus im Kampf gegen den Versailler Vertrag, der für ihn die politische Herrschaft des internationalen Finanzkapitals darstellte, auf nationaler Ebene als deutschen Sozialismus zu verwirklichen. Dementsprechend schloss sich Hitler auch keiner der Rechtsparteien an, die weiterhin wie DNVP und DVP (Konservative und Nationalliberale) dem monarchischen System anhingen und dabei auch entschieden den Sozialismus ablehnten, sondern sah sich genötigt, seine eigene sozialistische Partei aufzubauen. Die Abkehr von der SPD stellte demnach für Hitler keinen Bruch mit dem Sozialismus dar, sondern sollte zu dessen konkreter Verwirklichung führen. Dementsprechend wurde das NSDAP-Parteiprogramm so ausgestaltet, dass „auch all jene angesprochen werden, die es einmal mit der Linken gehalten hatten, unter ihnen Hitler selbst“ (Reuth).
Hier gehts noch interessant weiter:
https://ef-magazin.de/2009/05/01/1164-vergangenheitsbewaeltigung-sozialdemokrat-adolf-hitler