20:45 Uhr Freunde, legt die Fischernetze beiseite, kämmt euch die Bärte und poliert die Hörnerhelme, denn: Viertelfinale, Frankreich gegen Island. Ein Highlight, das wir gewohnt unparteiisch begleiten wollen. In diesem Sinne: HUH!
20:50 Uhr Woran man übrigens sieht, dass die Welt noch in Ordnung ist: Wenn man eine Queen-Referenz im Titel benutzt und man deswegen gleich von zwei Kollegen euphorische Whatsapp-Nachrichten bekommt. Jungs, wir sehen uns nachher in Monis Karaokebar. Aber wartet mit Bohemian Rhapsody auf mich, bitte. Mamaaaaaaaaaaa. uuuuuhuhuhuuuuuuuuu.
20:52 Uhr Hoher Besuch im ZDF-Studio, Claude Makélélé neben Oli Welke. Und zieht ne Fresse, als ob der Praktikant in der Dolmetscher-Kabine ihm gerade seine Bachelorarbeit vorliest, anstatt die Fragen zu übersetzen. Irgendwas mit Kant und Utilitarismus, sagt sein Blick.
20:55 Uhr Immer wieder schön: Die Isländische Hymne. Wenn wir schon dabei sind: Gibt's die auch in der Queen-Coverversion?
20:58 Uhr Erster Ausfall vor Anpfiff: Aron Gunnarsson ist beim Singen der Hymne eingeschlafen.
20:59 Uhr Patrice Evra muss derweil vom Telepromter absingen. Gute Vorbereitung sieht anders aus.
1. Anpfiff, fehlerfrei ausgeführt. Simone Zaza hätte ihn auf die Tribüne gedroschen.
3. Krass, erinnert euch das Spiel auch so sehr an das Viertelfinal-Rückspiel des AFC Cup 2013 zwischen Al-Qadsia und Al-Shorta? Starteten damals auch Elf gegen Elf. Memories, Digga. Memories.
6. Bei den Isländern sind übrigens neun Spieler bereits mit Gelb vorbelastet. Wahrscheinlich gibts die Gelbe direkt zum Bart dazu.
8. Und Payet haut einen raus. Erste Chance für Frankreich. Der Dimitri. Trifft er heute, heißen in neun Monaten vermutlich alle Neugeborenen in Frankreich so. Und nicht mehr Wladimir.
11. Das ZDF überträgt das Spiel übrigens auch mit dem legendären Isländischem Kommentator. Um Gleichgerechtigkeit walten zu lassen, kann man auf dem dritten Tonkanal Gerard Departieu dabei zuhören, wie er mrumelnd den Text von Weinflaschenetiketten vorliest, die russische Nationalhymne furzt und anschließend einschläft. Ihr könnt aber auch unseren Tonkanal einschalten, auf dem Kollege Neumann und ich uns alte Tagebucheinträge vorlesen. »Liebes Tagebuch, die Pickel werden immer schlimmer. Heute ist einer im Matheunterricht einfach aufgeplatzt, nur weil ich die Stirn gerunzelt habe. Aber es gibt auch gute Nachrichten: In der Umkleide vor Sport habe ich gesehen, dass ich längenmäßig doch gar nicht so schle...«
13. Und die Isländer wieder mit ihrem »Huh, Huh«. Wie würde Heribert Faßbender sagen: »Und jetzt skandieren die Fans wieder Huh, Huh, was in etwa so viel heißt wie Hu, Hu.«
15. Und da ist das 1:0 für die Franzosen. Pass von Matuidi, schneller Abschluss Giroud, durch die Beine Halldorsson. Ein astreines Stürmertor, das mich, ehemaligen Kreisligastürmer, derart in Wallung versetzt, dass ich spontan ein Gedicht darüber schreiben möchte:
Über allen Gipfeln: Giroud
Über allen Wipfeln spürest du
kaum ein »Huh!«.
Die Isländer schweigen
Warte nur: Balde
wars das mit dem Fußballmärchen.
17. Payet lässt sich zurückfallen aus der Spitze, analysiert Rethy. Quasi ein Sarkozy in Stollenschuhen.
19. Kommt nur mir das so vor, oder zittert Aaron Gunnarsons Bart vor Wut?
21. Oha, da haben sich die Skriptschreiber der UEFA was ausgedacht. Ecke Frankreich, Pogba klettert in den dritten Stock und köpft ein. Läuft jubelnd zur Seitenlinie, aber dann kippt die Stimmung. Didier Deschamps hat den Rasierer vergessen, um ihm das 2:0 auf die Platte zu ritzen. War anders abgesprochen. Das wird ne unruhige Woche...
25. Taktikwechsel bei den Isländern, um Pogba, die Krake, besser unter Kontrolle zu bringen.
27. Tja, Mitte der ersten Halbzeit ist das Ding hier durch. Dann kann Karim Benzema ja guten Gewissens auf den Pornokanal umschalten.
32. Tja, so schnell kann das gehen mit den Träumen. Da fällt mir ein:
34. Fragen am Abend: Kann der isländische Kommentator auch hochfrequent weinen?
36. Wer sich gerade natürlich wirklich freut, ist Jogi Löw. Schließlich riechen die Franzosen immer so gut.
37. Leichter Abspielfehler eines Isländers im Mittelfeld. In Fachkreisen Scientology-Pass genannt: Könnte am Ende teuer werden.
41. Nichts zu sehen von den Isländern, Frankreich verwaltet das Ding hier trockener als ein Finanzbeamter im Bürgerbüro Saint-Denis Ost. Island würde ja gerne, aber ihnen fehlt das Formular 8b. Da kann der Beamte dann ja auch nichts machen. Dafür müssten sie erstmal in die Steuerabteilung im dritten Stock, aber da steht noch immer Paul Pogba nach seinem Kopfball. Außerdem haben sie nur einen Lichtbildausweis dabei, keine Geburtsurkunde. Das hätten sie auf der Seite des Bürgerbüros vorher ruhig googeln können. An der Seitenlinie steht Didier Deschamps und schüttelt ungerührt den Kopf: »Tut mir leid, da müssen Sie nochmal wiederkommen. Der nächste bitte!«
44. Wow, jetzt wird's bitter: Payet mit dem 3:0. Und die isländischen Fans auf der Tribüne ändern ihr »Huh!« spontan in ein »Häh?«
45. 4:0, Griezmann mit dem Treffer. Hier würde jetzt eigentlich ein Gag stehen, aber wir haben keine Zeit. Wir müssen unsere Hörnerhelm-Sammlung bei Ebay einstellen.
45.+1 Eijeijei, das wird ne lange Nacht. Und wir wissen ja, nach starkem Stress sind die Partys umso exzessiver. Hier schon mal eine kleine Vorschau auf die französischen Stimmbänder morgen früh:
21:48 Uhr Halbzeit. Oder wie es die Isländer nennen: »Kommt Leute, s.c.h.e.i.ß drauf. Ab unter die Dusche und dann nichts wie in den Bus.«
21:52 Uhr Derweil in den Tagesthemen noch einmal das Spiel der Deutschen von gestern. Simone Zaza läuft immer noch an.
22:00 Uhr Oli Kahn und Oli Welke bei der Halbzeitanalyse. Ist eigentlich mal jemandem aufgefallen, dass wenn man beide Frisuren der beiden zusammenfügen würde, man einen perfekten, blonden Haarball bekäme?
22:02 Uhr Islands Trainer Lagerbäck hat in der Kabine seinen Camus ausgepackt. »Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können«, schluchzt er. Trotzdem kommt seine Elf raus zur zweiten Halbzeit.
46. Und weiter geht's. Islands Trainer bringt Simone Zaza, sollte es doch noch Elfmeterschießen geben.
48. Für Aron Gunnarsson beginnen die wohl letzten 45 Minuten bei der EM. Der Höhepunkt seiner Karriere. Anfang nächster Woche wird er dann eine Pressekonferenz einberufen, seinen Rücktritt bekannt geben und seine Pläne für die Zukunft ausbreiten: eine vegane Metzgerei in Berlin-Mitte. Er will sich beruflich verändern, nicht optisch.
51. Frage an die Linguistik-Studenten: Wie lautet eigentlich die korrekte Aussprache von »Islxit«?
54. Auch beim 0:4 bleiben die Isländer bei ihrer gewohnten Taktik. Hinten alles rauskloppen, vorne dann mal gucken. Das ist nicht schön, klar. Aber immerhin überfordert es nicht Mehmet Scholl.
56. »Griezmann bietet sich immer wieder an auf dem Feld«, so Rethy. Und wir fragen uns: Für was? Eine Runde UNO? Für den Fahrdienst nach der Party heute Abend? Oder meint er etwa... bah. Gut, 22 Uhr ist durch, aber die 40 Minuten wird er sich ja wohl noch gedulden können.
57. Tooooooooor für Island, Siegthorsson mit dem 1:4. Und das ist nicht nur ein Anschlusstor, das ist viel mehr als das. Das ist ein Dankeschön der Mannschaft an ihre großartigen, sympathischen Fans. Ein Treffer für all die geilen Tage, die dieses Team ihrem Land und so vielen anderen geschenkt hat. Ein Ehrentreffer, der ehrwürdiger nicht sein könnte. Danke für alles, liebe Isländer. Wir werden euch vermissen.
60. Und dann knallt's plötzlich auf der Gegenseite, Giroud mit dem Tor. So langsam verlieren Neumann und ich den Überblick. Wie steht's jetzt? Wieviele Tore sind gefallen? Würden die Treffer ja an den Händen abzählen, aber gemeinsam haben wir ja nur zwei.
62. Und Giroud darf raus. »Sonderbewachung,« ruft Jogi Löw, gerade wieder eingetroffen vom Waldlauf, Thomas Schneider zu. »Gegen uns darf der keine Duftmarken setzen.« Duftmarke, denkt sich Löw, schönes Wort. Und seine rechte Hand gleitet Richtung... och nö, komm, das hatten wir doch schon.
67. Offtopic: Die beiden in rot gekleideten Gruppen auf der Gegentribüne sind übrigens Delegationen aus Nordkorea. Man überlegt, sich als EM-Gastgeber 2024 zu bewerben. »Wir wollen neue Märkte erschließen«, heißt es aus der UEFA-Zentrale. Im Gespräch ist ein 128er-Feld: Europa und Asien sind direkt qualifiziert, aus Afrika alle bis auf Swasiland. Dennis Rodman steht unbestätigten Berichten zufolge als nächster UEFA-Präsident bereit.
70. Aber immerhin haben wir während der letzten drei Wochen sehr, sehr viel über Island gelernt. Zum Beispiel dass es genauso viele Einwohner hat wie Bielefeld. Was uns vor die Frage stellt: Warum hat sich Bielefeld eigentlich nicht qualifiziert? Hat Rüdiger Kauf in der Quali nicht zu seiner Form gefunden? War Sibusiso Zuma verletzt? Hat sich Ernst Middendorp vercoacht? Vielleicht klappt es ja mit der WM in Russland, die ja immerhin so etwas wie das Arminia der EM waren.
72. Aber, mein liebster Fun-Fact über Island: Dort gibt es eine App, mit der man testen kann, ob man mit einem potentiellen Partner verwandt ist, um den kleinen Genpool der Insel vor Inzucht zu schützen. Vielleicht ja auch eine Idee für den nächste AfD-Parteitag?
74. Koscielny zeigt bei seiner Auswechslung noch mal, wie abgezockt er ist: Fischt sich nen dicken Oschi aus der Nase, reibt ihn in die Rechte und schlägt dann noch mal lange und intensiv mit den Mitspielern ab. Bei Übertreten der Außenlinie ist er locker drei Gramm leichter. Clever.
77. Übrigens, gute Nachrichten: Der Elfmeter von Simone Zaza ist gerade sicher am Pariser Flughafen gelandet.
79. Konterchance Island, aber Finnbogasson kann den Ball nicht verarbeiten. Schade, das Material ist top, hätte sicher eine schöne Handtasche werden können.
84. Und noch was fürs Herz: Gudjonsson kommt ins Spiel, ein Abschied auf der großen Bühne für die Legende, wie wunderschön. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann hätte ich jetzt gerne eine Scheibe Mortadella. Und wenn ich dann noch einen Wunsch frei hätte, dann würde ich dem Gudjonsson ein Tor wünschen.
85. So Freunde, späte Tore, ihr wisst Bescheid. 2:5. Bjarnasson. Und jubelt, als wenn sein Steak nicht Rare, sondern Medium auf den Teller kommt. Also eher verhalten.
87. Muss man sagen: Nach einer schlechten ersten Halbzeit verabschieden sich die Isländer hier absolut ordentlich. Da ziehe ich meinen HUH!t. Per Klatschbewegung.
90. Ecke Island, Gudjonsson steht vor dem Kasten, kommt aber nicht an den Ball. Lloris: »Herr Gudjonsson, wenn Sie schonmal hier sind, könnten Sie mir dieses Poster von Ihnen von der Bravo-Otto-Wahl 1996 signieren?« Gudjonsson: »Klar, Kleiner. Hier, halt mal eben meinen Gehstock.«
22:54 Uhr Und das war's: Island streich die Segel, bzw. setzt die Segel und schippert heimwärts, auf einem Wikingerboot, wenn wir unserer kindlichen Fantasie glauben dürfen, und mit säckeweise Sympathien im Gepäck. Sie haben sich durchs Turnier gebrandschatzt, bis hinein in unsere Herzen, diese wundervollen Underdogs, die jetzt »Huh!«-schreiend vor der Kurve stehen. Danke für die schöne Zeit, hat Spaß gemacht mit euch.
Quelle:
http://www.11freunde.de/liveticker/frankreich-island-im-liveticker