UBS: Das Rätsel um die verschwundene Billion Seit Beginn der Finanzkrise 2007 haben sich die Summen, über die gesprochen wird, gewaltig erhöht. Wenn es jedoch um Bankbilanzen geht, ist der Wert Milliarden schon im ein- bis zweistelligen Bereich eine Hausnummer. Nach den Lobeshymnen zum höchsten Gewinn seit 4 Jahren schaute ich mal wieder etwas genauer auf die UBS und entdeckte Erstaunliches. Gegen den allgemeinen Trend halbierte die UBS fast die Bilanzsumme, von 2,29 Billionen CHF im Jahr 2006 auf nun 1,13 Billionen CHF. Auch jetzt noch liegt die Bilanzsumme fast beim Doppelten des BIP (577 Mrd. CHF 2012). An dieser Stelle ist festzuhalten, die UBS ist sehr kreativ in der Buchführung. Es ist Zeit für eine Spurensuche.
Eine Frage drängte sich mir zunächst auf: Wo sind die 1,16 Billionen hin? Selbst in einer Bank kann sich eine solche Summe ja nicht einfach in Luft auflösen. Bereits den zweiten Tag ackeren wir uns nun schon durch Bilanzen und versuchen, von der UBS und weiteren Experten eine plausible Erklärung dafür zu bekommen. Bisher ist das leider nicht gelungen. Während die Wirtschaftsblätter frenetisch einen Gewinn von 690 Mio. CHF feiern, scheint sich niemand zu fragen, was es denn eigentlich mit der völlig eingedampften Bilanz auf sich hat. Hier ein Vergleich:
Zum Vergleich im selben Zeitraum:
Bank of Amerika (in USD nicht CHF):
Besonders spannend Deutsche Bank (in Euro nicht CHF):
Und zu guter Letzt das zweite Problemkind der Schweiz, Credit Suisse:
Die UBS lässt fast wie ein Houdini 1,16 Billionen CHF aus den Büchern purzeln und beispielsweise die Deutsche Bank häuft im gleichen Zeitraum eine fast identische Summe an. Nach Unmengen an Bilanzen und Dokumenten lässt sich das noch nicht wirklich erklären. Alleine in 2008 und 2009 – als die Krise auf Hochtouren war – fielen mal eben satte 710 Milliarden CHF aus der Bilanz.
Ein relativ hoher Posten waren bei der Aktiva “positiv replacement Values” (Positive Wiederbeschaffungswerte) und in der Passiva “Negativ replacement Values” (Negative Wiederbeschaffungswerte). Immerhin ~ 433.000 Millionen CHF, über die wir hier sprechen. Die ausgewiesenen Verluste in dem Zeitraum waren eher marginal.
Wer ein etwas besseres Verständnis dafür bekommen möchte, warum das alles sehr verwirrend ist, dem sei die Dokumentation “Der Fall: Wie die UBS in den Strudel der Finanzkrise geriet” vom Schweizer Fernsehen ans Herz gelegt. Dort wird der waghalsige und halsbrecherische Aufstieg der UBS beleuchtet. Seinerzeit eigentlich ein Fall für die Palliativmedizin.
Auf der Suche nach Erklärungen finden sich “kleinere Summen” wie etwa die Ausgliederung von 60 Milliarden toxischer Werte in die Schweizer Nationalbank (SNB). Dazu aus einer Pressemitteilung der UBS:
UBS entfernt Risikopositionen aus ihrer Bilanz durch Transaktion mit der Schweizerischen Nationalbank
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) und UBS haben eine Vereinbarung abgeschlossen, die den Transfer von höchstens USD 60 Milliarden illiquider Wertpapiere und anderer Problembestände aus der Bilanz von UBS an eine separate Zweckgesellschaft(A.d.R Bad Bank) vorsieht. [1]
Nun, da hätten wir 60 Milliarden CHF gefunden. Gilt es nur noch, die verbliebenen 1,07 Billionen aufzuspüren. Wie sich in den letzten zwei Tagen herausstellte, eine echte Herausforderung. Zwar war 2010 zu lesen,dass die Ethos-Stiftung klagen will, um die Verluste zu erstreiten, jedoch wurde nicht erwähnt, um wieviel es im Detail geht. So heißt es in einem Artikel des Tagesanzeigers:
Ethos klagt gegen die UBS
Schweizer Aktionäre der Grossbank wollen für die Schäden der Finanzkrise entschädigt werden: Sie schliessen sich einer Sammelklage in den USA an – und sind damit in guter Gesellschaft.
[...]
Sie [A.d.R] Pensionskasse aus den USA] wirft der Schweizer Grossbank vor, ihren Aktionären in den Jahren 2007 und 2008 das wahre Ausmass der faulen Anlagen im US-Hypothekenmarkt verschwiegen zu haben. Das habe zu Milliardenverlusten und einem Kurszerfall der UBS-Aktie geführt.[2]
Das klingt ja noch etwas verniedlicht, blickt man auf das große Ganze. 2007 forderte die Anlagestiftung Ethos Einsicht in die Bücher und detaillierte Auskunft sowie eine Sonderprüfung zu den enormen Wertberichtigungen der Großbank. In diesem Zeitraum verringerte sich die Bilanzsumme der UBS jedoch “nur” um 74 Milliarden CHF. Vielleicht hätte man die Bücher etwas später besser genau in Augenschein genommen?
Die Vermutung liegt nahe, dass die Änderung der Bilanzierungsregeln hin zu den International Financial Reporting Standards (IFRS) eine große Rolle spielen könnten, wichtig sind hier International Accounting Standards.
IAS 39 ist zugleich – mit dem durch die Kommission genehmigten Stand – verbindliche EU-Bilanz- und EU-Berichtsregel. Unter den verschiedenen Accounting Standards ist IAS 39 die umstrittenste und am meisten diskutierte Regel.
[...]
IAS 39 wurde im Dezember 1998 erlassen und war lediglich als “Interimsstandard” vorgesehen. Unmittelbar nach seiner Veröffentlichung richtete das IASC/IASB ein neues themenspezifisches Projekt ein. Gleichzeitig wurden die seit 1997 in Zusammenarbeit mit anderen Standard Settern begonnenen Bemühungen um eine starke Ausweitung der Anwendung des Fair Value bei der Bilanzierung von Finanzinstrumenten fortgeführt. Sie gipfelten schließlich 2000 in der Veröffentlichung eines Draft Standards, dem jedoch bislang kein umfassender Erfolg beschieden war. Laut Jan. 2010 Protokoll des IASB soll der Fair Value Oberbegriff in dem IAS/IFRS-Bewertungsschema werden und dabei weg vom mark-to-market hin zu mark-to-model rücken, d. h. zu mathematisch-stochastischen Bewertungsformeln.[3]
Fazit: An dieser Stelle wird es sehr aufwendig und vor allem auch zu technisch. Entsprechende Anfragen an die UBS sind raus und ich warte auf eine Antwort der Pressestelle. Der bisherige Mailverkehr brachte leider keine Erleuchtung, auch wenn die Pressesprecherin der UBS wirklich sehr hilfsbereit und nett ist. Die Harfacts bleibt man bisher schuldig. Bei solchen Summen sollte man jedoch etwas genauer hinsehen und nicht einfach nur ein Quartalsergebnis feiern.