Wer heute auf der Autostrada de Sole unterwegs ist,braucht Geduld- viel
Geduld sogar.
Die ersten Italiener fahren nach den Urlaubstagen rund um Ferragosto wieder
nach Hause.
Ferragosto ist der wichtigste Fest - und Ferientag in Italien und auch der wahr-
scheinlich aelteste,denn man kennt.
Seit 2043 Jahren ist der 15.August ein Feiertag.An jenem Tag also,als Kaiser Augustus
Marcus Antonius und Kleopatra besiegt hatte und ein grosses Fest organisierte.
Immer zu dieser Zeit machen Tausende Urlaub in den kleinen und grossen Hotels
und Pensionen irgendwo am Strand oder auch in den Bergen.
Da geht dann die italienische Lebensart voll ab.
Die Pension,wo man sich einquartiert hat, kennt man ja schon seit Kindesbeinen an,denn
auch schon die Eltern stiegen dort ab.Auch die anderen Gaeste sind einem seit Jahr-
zenten vertraut.Man begruesst sich in einer Lautstaerke und Gestik,die einem starken
Zerwuerfnis angemessen waere,ist aber doch nur Ausdruck der Freude ueber das Wiedersehen.
Der taegliche Tagesablauf ist streng geregelt.Nach dem Fruehstueck geht es zum
Strand,wo man einen Stammplatz hat.Die Maenner holen Zeitungen und vertiefen sich
in der Gazzetta dello Sport,waehrend die Frauen mit den Nachbarinnen schwatzen.
An der Wasserkante errichten Kinder die ersten Sandburgen,die Strandverkauefer aus
dem fernen Nigeria versuchen "echte "Lacoste- Leibchen an den Mann zu bringen und
entwickeln beachtliche Hasenfuesse,wenn am Horizont ein Carabinieri auftaucht.
Noch um 11 h versichert man sich gegenseitig,dass man heute das Mittagsessen aus-
fallen lassen werde,da man noch immer satt vom Fruehstueck ist.Aber eine knappe
Stunde spaeter stroemt alles mit knurrenden Magen dem Mittagstisch zu und wartet
ungeduldigt,bis der Vorhang vor dem Speisesaal zur Seite geschoben wird.
Minestrone,Pasta in allen Variationen und eine herrlich leichte Speise auf dem Piati secondo
werden zum Chianti oder Barollo verspeist um sich anschliessend wieder zurm Strand
zu begeben.
Dort ist ein kurzes Nickerchen angesagt,bevor man sich zur Bocciabahn begibt.Auch wenn
man das Spiel nicht gewinnt,die Haut wird tiefbraun dabei und man kann so herrlich die
Ballistik der letzten Kugel diskutieren.
Gegen 4 h wird der traditionelle Latte Macchiato oder ein Gelatto eingenommen,bevor
man, wieder im Hotel, sich fuer den Abend" Schoenmacht".
(Einen Cappucino trinkt um diese Zeit nur ein Tourist aus dem fernen Germanien,der zwar
mit seinem MB 250 SL angereist ist,aber von italienischer Kultur wenig Ahnung hat.)
Dann wieder das Warten,bis der Speisesaal freigegeben wird und anschliessend an das Abend-
essen begibt man sich auf Shoppingtour.Zwaer kennt man nach zwei Wochen jedes einzelne
zum Kauf angebotene Kleidungsstueck,aber der unergruendliche Trieb,der in jeder halbwegs
erwachsener Frau sein Unwesen treibt,zwingt rechtschaffende Maenner dazu,sie zu begleiten.
Kurz vor 11 nachts meldet sich wieder der Magen,aber man kennt ja mittlerweile dieses
kleine Ristorante,wo man um diese Zeit noch Cozze alla marinata bekommt.
Unbeschwerte Tage unter blauem,wolkenlosen Himmel und man wuenscht sich,dass es
ein Leben lang so bliebe.
Was gerne uebersehen wird ist,dass der Sommer bereits seinen Tod in sich traegt.Noch
baeumt er sich dagegen auf,aber die ersten von den Baeumen gefallenen,schnell und diskret
weggekehrten Blaetter,kuendigen das Ende der Saison an.
Vielleicht 4 Wochen noch,wenn das Wetter mitspielt,aber dann sind auch die letzten Pen-
sionisten wieder daheim.
Die Hotels und Pensionen werden,kaum dass der letzte Gast Arrividerci gesagt hat,mit
Holzbretter verschalt,der Sand am Strand mit Bulldozzer zu Bergen aufgetuermt,damit der
Winderosion Einhalt geboten werden kann und ein Geisterort entsteht.
Da und dort sieht man,wenn man Ende Oktober kommt,spaerliches Licht in den Privat-
haeuser und Katzen,die mit aufgestelltem Schweif herumstreunen.
Sonst Stille,der Ort wartet bis er wieder zum Leben erwacht.Aber bis Ende Mai dauert
es noch.Aber dann,wenn der Strand wieder voll Menschen ist,hoert man wieder das
"Cocco bello",das man nicht so leicht aus den Ohren bekommt.
Viele Oesterreicher lieben diese Art Urlaub zu machen,kommen jedes Jahr wieder,und
graben sich gegenseitig im Sand ein.So mancher Mann,erzaehlt man sich,beschliesst
kurz nach Weihnachten auch kommenden Juli wieder nach Italien zu fahren.
Allein schon deswegen,um seine Frau wieder auszugraben,da er beim letzten Mal darauf
vergessen hat.
Jock