Tod eines Fischstäbchens Von Barbara HardinghausWeil der Deutsche weißen billigen Fisch essen will, wurde der Pangasius,
ein Zuchtfisch aus Vietnam, populär. Er ist der neue Volksfisch und so erfolgreich, dass sein Erfolg ihn schon wieder umzubringen droht.
Manuela Wendland, die Verkäuferin, sieht durch ihre runde Brille auf die vielen Fische in der Frischetheke, sie sieht ganze Fische, halbe Fische, Fischfilets, auf Eis, zwischen Salatblättern.
Sie trägt eine breite blaue Schürze, auf dem Kopf eine Haube, darunter kleine aschblonde Locken. Pangasius, sagt sie, werde jetzt immer mehr.
Der komme tiefgefroren, sagt sie, sei praktisch grätenfrei, mild, für Kinder sehr geeignet.
Sie greift ein Stück, legt es auf Waage 22 im Toom Markt in der Dorotheenstraße in Hamburg, 198 Gramm, 1,96 Euro.
Vor drei Jahren tauchte der Pangasius in der Frischetheke auf, ein neuer Fisch, ein Krisenfisch, der ausersehen war, das Loch zu füllen, das der Mensch ins Meer gefischt hat; 50 Prozent mehr Fisch als 1970 isst der Deutsche, 16 Kilo im Jahr; Kabeljau, Rotbarsch oder Dornhai, der als Schillerlocke bekannt ist, werden knapp.
Keinen Kabeljau mehr kaufen, das weiß der Mensch heute, wenn er vor Wendlands Theke steht, keinen Wildlachs, keinen Rotbarsch, keinen Thunfisch, keine Nordseeschollen.
77 Prozent der Speisefischbestände sind bis an die Grenze befischt oder überfischt, das hat die Ernährungsorganisation der Uno gerade ermittelt. Sogar der Seelachs, der Fischstäbchenfisch, wird knapper, ein billiger weißer Fisch.
Aber die Kunden wollen weißen Fisch, billigen weißen Fisch, mit wenig Fett, und der Pangasius hat all die guten Eigenschaften, die ein Fisch haben muss, damit die reiche Welt ihn kauft.
Er ist der neue Volksfisch, geboren in Vietnam, gezüchtet für den Geschmack des Weltbürgers; der Fisch der Zukunft könnte er sein, wenn der Mensch nicht dabei wäre, den Pangasius zu Tode zu produzieren.
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Er ist, durch den Appetit des Weltbürgers und den Fischmangel in den Weltmeeren, ein Zuchtfisch geworden, dabei war er jahrhundertelang ein wilder Fisch, er reiste, er wanderte den Strom hinauf, suchte am Grund seine Nahrung. Krebse, Pflanzen, Aas, alles, was er fand.
Wurde größer, kräftiger, eineinhalb Meter lang, bis zu 45 Kilo schwer, und wenn er alt genug wurde, wenn er drei oder vier Jahre alt war, verließ er den Hauptarm des Flusses, das Weibchen hinterlegte seinen Laich, das Männchen seine Spermien, auf abgelegenen überschwemmten Feldern, an Baumwurzeln. Der Fisch kehrte zurück in den Mekong, ließ sich zurücktreiben von Kambodscha bis nach Vietnam, ins Delta. 20, 30 Millionen Tiere, und am Ufer standen Fischer, die versuchten, den Fisch zu fangen, mit Angeln, mit Netzen, in Körben.
Französische Biologen entdeckten ihn für den Weltmarkt, sie wollten herausfinden, ob sich der Fisch züchten ließe, aufziehen, füttern, brüten, sie wollten eingreifen in die Behäbigkeit der Natur.
Sie bauten Käfige aus Holz, legten tiefe Teiche an, entwickelten zwei Arten des Fischs nur für die Landwirtschaft, der erste war der Basa.
Aber der, das sahen die Forscher bald, wuchs nur langsam, er brauchte ein ganzes Jahr, bis er zwei Kilo schwer war und damit groß genug für den Markt, er hatte zu viel Fett.
Der zweite Fisch war der Tra, der immer tief am Boden schwamm.
Der wuchs schnell, in einem halben Jahr auf zwei Kilo, der hatte wenig Fett, keine Krankheiten, weißes Fleisch, der war robust, sie fütterten ihn mit einem Mix aus Reiskleie und Getier, nun kam er an die Oberfläche. Das war der Anfang der modernen Aquakultur in Vietnam und der Beginn einer neuen Zeit, in der das Land nicht nur Kaffee exportierte und Kakao, Pfeffer, Rohöl, sondern auch einen Speisefisch, den Pangasius.
Die meisten Fische gingen in die USA, bis es den Maisbauern dort, die begonnen hatten, auf überschwemmten Feldern selbst Pangasius zu züchten
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