Ifrangi – Farangi – Farang ฝรั่ง fà¿ ràng oder auch: Wie die alten Franken nach Siam kamen
Das Wort, mit dem man in Thailand hellhäutige Europäer bezeichnet, hat eine lange Geschichte. Sie geht bis zu den Kreuzzügen der ‹fränkischen› Herrscher aus dem heutigen Nordfrankreich zurück.
Oft liest man, daß ‹Farang› vom thailändischen Wort für ‹Français› abgeleitet sei.
Das klingt zwar auf den ersten Blick einleuchtend, es hat auch etwas mit Frankreich zu tun, es stimmt aber nicht. Es wäre auch unlogisch, denn im alten Ayutthaya hatte man schon sehr lange vor den Franzosen zum Beispiel mit Holländern und Portugiesen regen Kontakt, die kleine eigene ‹Viertel› in der alten Hauptstadt bevölkerten.
Sprachgeschichtlich verhält es sich so: Araber und Osmanen schimpften die alten ‹Franken›, die das Morgenland als Kreuzzügler heimsuchten, Ifrangi. Das mutierte bei den Persern, die lange vor den Franzosen mit Ayutthaya handelten und schon vor Jahrhunderten in die hiesige Elite einheirateten, zu Farangi.
Die Perser brachten dieses Wort nach Siam, wo zum Beispiel die Garnison der Steuereintreiber im alten Bangkok bis zum 17.Jahrhundert aus Persern bestand, bevor sie unter König Narai – ausgerechnet – von Franzosen abgelöst wurde.
© Hans Michael Hensel, Bangkok von Innen, 7. Auflage Juli 2008 und © TIP Führer Bangkok 2008
Weil die Unterarten der Spezies ‹Farang› auch hier im Forum nicht immer im richtigen Zusammenhang auftauchen, hier das entsprechende Kapitel aus dem TIP-Führer Bangkok. Dieser Beitrag soll unterhalten, also legen Sie bitte nicht jedes der folgenden Worte auf die Goldwaage. Es werden vor allem die eher negativen Bezeichnungen behandelt, weil sie oft falsch benutzt werden.
Selbstverständlich gibt es aber auch viele positive Wortverbindungen mit ‹Farang›.
Zum Beispiel ดี di: (= gut), ใจดี dschai di: (dschai = Herz).
หล่อ lÒ: (mit langem offenen ‹Ò› bei tiefem Ton) bedeutet ‹gutaussehend, wenn es sich um einen Mann handelt und westliche Frauen gelten allgemein als สวย suai? (=schön, wiederkehrender bzw. ‹fragender›, ‹steigender› Ton), solange sie sich nicht dummerweise in die Sonne legen und sich ihre wunderbar weiße Haut für immer ruinieren...
(Diese völlig verrückte Handlungsweise von uns Farangs wird kein vernünftiger Thai jemals verstehen.)
Außerdem wissen Thais ganz allgemein einige der Europäern zugeschriebenen Eigenschaften durchaus zu schätzen. Hören Sie sich selbst um: So gilt es unter Thais als ausgemacht, daß nicht wenige ‹Farangs› ganz allgemein in gewissen Situationen, anders als manche Thais, grundsätzlich ehrlich und völlig unbestechlich sein sollen und tatsächlich fast immer die Wahrheit sagen, etwa als Zeugen vor der Polizei bei einem Verkehrsunfall.
Es ist keineswegs nur der allgemeinen Neigung der Thais zum hemmungslosen Schmeicheln und Übertreiben zuzuschreiben, daß sie überwiegend helle Haut, klare Augen und helle Haare oft außerordentlich attraktiv finden. Und eine Frau, gerade wenn sie aus ärmeren Provinzen stammt, wird immer von vielen Landsleuten beneidet, wenn sie es geschafft hat, einen Farang an Land zu ziehen, besonders wenn der sich auch noch zu benehmen weiß und die Frau und ihre Familie öffentlich erkennbar mit Respekt, Verständnis und Zuneigung behandelt. Das ist bei den hier üblichen Dorf-Machos, die es aber auch in den Großstädten sehr reichlich gibt, ganz und gar nicht die Regel.
Vergessen Sie also bitte beim Lesen der folgenden Absätze nicht, daß jede Medaille zwei Seiten hat.
Eigentlich ist es aber sowieso ganz einfach, sich so zu benehmen, daß man keiner der folgenden ‹Farang›-Spezies zugeordnet wird. Wer sich über Thailand informiert (hilfreiche Bücher dazu gibt es beim TIP), wird meist ganz automatisch ‹Suphap› (สุภาพ sù¿ pâ:b) auftreten, also als einer, der die ‹höfliche Form› beherrscht. Und das alleine ist eine der höchsten Ehrenbezeichnungen ist, die man als Ausländer in diesem Lande verliehen bekommen kann.
Farang ฝรั่ง fà¿ ràng
In alter Schreibweise steht ฝาหรั่ง fa:? ràng schon im ältesten wissenschaftlichen thailändischen Wörterbuch von 1854 für ‹Europäer›; – im Unterschied zu (damals) ฝาหรั่งเศศ fa:? ràng sè:d für Français, also Franzose. Heute schreibt man Farang so: ฝรั่ง fà¿ ràng und Franzose so: ฝรั่งเศส fà¿ ràng sè:d. Die Aussprache fà¿- ist nach Thai-Regeln zwingend, weil die Konsonantenfolge ‹fr-› im Thailändischen nicht existiert; der Vokal ‹-a¿› folgt immer nach dem ‹führenden Konsonanten› F- in zweisilbigen (Fremd-)wörtern. (Das eigentliche Thai ist eine lupenreine Silbensprache. Mehr zu diesem Thema hier: http://forum.thailand-tip.com/index.php?topic=384.0 )
Farang hat in etwa die gleiche Bedeutung wie 鬼佬 [kwɐ̌ɪ lə̌ʊ] Gweilo für ‹geistergesichtige, kuhäugige, langnasige, untote ausländische Teufel› (ich übertreibe nur wenig) in Hongkong und Kanton. Beides sind keine Ehrennamen und natürlich rassistisch, aber bevor Sie sich beleidigt fühlen, bedenken Sie die vielen wenig ehrenhaften Bezeichnungen für Ausländer in Europa. Politisch-korrekt könnte man als Thai natürlich ชาวออสเตรีย cha:o ?Ò:d s(à¿) dtria (Österreicher), ชาวเยอรมัน cha:o jœ: rà¿ man (Deutscher), ชาวสวิส cha:o sà¿ wíd (Vertreter eines eigentümlichen Bergvolkes in den Zentralalpen), ชาวยุโรป cha:o jú¿ rò:b (Europäer) oder gar, ganz perfekt, คนต่างชาติ kon dtà:ng tschá:d (Ausländer allgemein) sagen, doch mit der politischen Korrektheit hat es die große Mehrheit der Asiaten nun mal überhaupt nicht.
Indes nehmen viele Bleichgesichter die Sache lässig: Sie haben Farang längst selbst für sich adoptiert, wodurch sie allen aus dieser Richtung noch abgeschossenen Giftpfeilen jede Wirkung genommen haben. [Die o. a. Aussprache (ชาวสวิส cha:o sà¿ wíd usw.) sind auf Thai so korrekt; Thais mit häufigem Ausländerkontakt benutzen aber selbstverständlich oft auch unsere Aussprache.]
Unterarten der seltsamen Spezies ‹Farang›:
1.
Farang Khi Nok ฝรั่งขี้นก fà¿ ràng kî: nòg (kî: nòg = Vogelmist)
Straßenkinder amüsiserten sich hier schon immer köstlich dabei, vorübergehenden Europäern, mit einem freundlichen Lächeln, versteht sich, Farang Khi Nok nachzurufen. khi nokist das, was Vögel aus der Luft oder vom Baum gelegentlich fallen lassen. Es handelt sich um ein hier typisches Wortspiel nach der Doppelbedeutung des Wortes Farang, das auch für eine Guavenart (Psidium guajava) steht. Deren Samen wandern durch den Bauch von Vögeln und verbreiten sich mit deren Mist überall, und das völlig ohne Einladung und, wie wohl mancher Farang auch in Thailand, sogar dort, wo man diese Pflanze nun überhaupt nicht brauchen kann...
Thais sehen den Ausdruck als harmlos an, obwohl man darüber natürlich anderer Meinung sein kann, wenn man ihn nachgeplärrt bekommt. Natürlich ist etwas Gift darin, aber man kann sich damit trösten, daß Psidium guajava eine wichtige Pflanze ist, die in fast jeder zweiten Thai-Medizin vorkommt, ganz ähnlich, wie es seit tausend Jahren mit dem indoeuropäischen Einfluß auf die hiesige Kultur der Fall ist. Und bedenken Sie, daß man hier sogar die Speisen der Könige mit etwas ähnlichem, nämlich Mäusescheiße [-Pfefferschoten], príg kî: nu:?, Phrik khi nu würzt.
Problembegriff, wenn auch nur unter Deutschsprechenden, wurde Farang Khi Nok erst vor wenigen Jahren, als einige Mitglieder der deutschsprechenden Kolonie, die was halb ausgegorenes aufgeschnappt hatten, es plötzlich zur eigenen Abgrenzung gegenüber den eigenen Landsleuten verwendeten.
Das geht aber gar nicht, denn ฝรั่งขี้นก fà¿ ràng kî: nòg Farang Khi Nok kann jeder von uns sein. Leider schreibt aber fast die gesamte deutschsprechende Gemeinde in Thailand ständig falsch voneinander ab: fast immer, wenn man dieses Wort liest, ist in Wirklichkeit von Schmutzfinken die Rede.
2.
Farang Sokkaprok ฝรั่งสกปรก (sòg gà¿ bpròg = schmutzig), Farang Khaosan, Farang Banglamphu, Farang Hippie, Farang Lo So (=Unterschichten-Farang)
Denn weniger harmlos ist es, sollte man Sie – vor allem in Bangkok – als Farang Banglamphu, Farang Hippie, Farang Sokgaprok, Farang Lo So (lo: so: ist das Gegenteil der hai so: – also der High Society) oder neuerdings (seit dem einfältigen Filmchen The Beach mit Milchgesicht Di Caprio) als Farang Khaosan bezeichnen – falls Sie das überhaupt je erfahren. Damit ist nämlich tatsächlich jene immer irgendwie schmutzig wirkende, oft tatsächlich ungepflegte und gelegentlich pennerähnliche Variante von Europäern gemeint, die sich gerne in den Billigst-Absteigen der Altstadt einnisten.
Die Welt ist eben unfair. Ich kenne Menschen mit tiefer Liebe und viel Verständnis zu Thailand, die gelegentlich auch mal gerne in der Trok Khaosan in Banglamphu sind. Doch irgendwie scheint dieser Ort in den Augen vieler Thais derart eindeutig belegt, daß es fast schon abfärbt, wenn man ihn nur in den Mund nimmt. Eine Familie aus unserer Soi hat einmal eigens einen Sonntagsausflug mit Kind und Kegel in die Khaosan gemacht, nur weil man mal mit eigenen Augen sehen wollte, ob es wirklich diese unglaublichen Mengen an filzhaarigen, glatzköpfigen, halbnackten, verschwitzten, unrasierten (gilt auch für Damen – nämlich unter den Achseln und an den Beinen...) und mit schmutzig wirkenden bunten Unterwäsche-Lumpen bekleidete Exoten mitten in der Weltstadt Bangkok gibt. Den Erzählungen zufolge erlebte man eine denkwürdige Schau. Auch die Kinder fanden die dortigen Banana-Milkshakes,wie man weiter hörte, ganz großartig und alle hatten riesig Sanuk beim Farang-Gucken.
Im Zusammenhang sei noch ขี้ไก่ kî: gài erwähnt. Das bedeutet wörtlich Hühnersch*** und wird vor allem in Bangkok gerne ganz allgemein und eigentlich im Grunde recht hochnäsig mit Personen verbunden, von deren vermuteten geistigen Fähigkeiten man nicht gerade beeindruckt ist. Insbesondere betrifft dies allerdings Landsleute aus der Provinz. In Bangkok kann man zum Beispiel öfter beim abendlichen Klatsch in den Sois der Wohnsiedlungen gesprächsweise hören, daß eine gewisse Person ja wohl nicht kî: gài sei. Das bedeutet, vorsichtig ausgedrückt, in etwa, daß sie kein Spatzenhirn hat bzw. nicht irgendwo nur vier Jahre in eine Dorfschule im abgeholzten Upcountry-Urwald gegangen ist – und inzwischen wohl auch das dort Gelernte längst wieder vergessen hat... Es ist sicher nicht die Regel, aber auch nicht ganz auszuschließen, daß gelegentlich auch mal von einem Farang Ki Gai die Rede sein kann, zumindest könnte ich mir das bei einigen ganz wenigen meiner Landsleute in diesem wunderbaren Land unter Umständen durchaus vorstellen.
3.
Farang Ru Mak ฝรั่งรู้มาก fà¿ ràng rú: mâ:g (‹Klugscheißer-Farang›)
Nun aber zum schlimmsten Schimpfwort für unsereinen, das nicht wenige Ahnungslose auch noch als Lob einstecken: Wenn Sie ein fà¿ ràng rú: mâ:g sind, ein Klugscheißer-Farang, und Ihnen das in Bangkok einer sagt, dann sehen Sie zu, daß Sie sich auf der Stelle aus dem Staub machen, wo immer Sie gerade sind. Sie stehen kurz vor einer Tracht Prügel, wenn Sie weitere Kostproben Ihres vermeintlichen Wissens abgeben. Denn wenn dieses Wort zum Beispiel bei Ihrem Einkaufsbummel zwischen den Sois 3 und 11 in der Sukhumvit fällt (lesen Sie unter Einkaufen im TIP Führer Bangkok, wo man sein Geld nicht ausgeben sollte), dann bedeutet es für Thais etwa folgendes: ‹Nimm Dich vor diesem Mistkerl in acht, der kennt die Preise und das verdammte Plappermaul verdirbt Dir außerdem auch noch das Geschäft mit den anderen ahnungslosen Ausländern hier.›.
Mit einem fà¿ ràng rú: mâ:g (das sind Sie schon,wenn Sie nur mal einen Thai von etwas überzeugen wollen, von dem er bereits eine feste andere Meinung hat – man lese dazu bei Günther Ruffert weiter) will in diesem Lande keiner was zu tun haben. Fà¿ ràng rú: mâ:g ist die niedrigste Stufe des Ausländerseins. Ein solches Tier ist in etwa so angesehen wie der Abfallhaufen unter dem Stelzenhaus, in dem die Schweine wühlen. Wenn es ein Thai schafft, einen fà¿ ràng rú: mâ:g gründlich auszunehmen, ganz egal, wie betrügerisch er dabei vorging, darf er sich aller Lebenserfahrung nach im Notfall sehr oft der Hilfe sämtlicher Zeugen, der Polizei und der Behörden sicher sein.
(Anmerkung: รู้มาก rú: mâ:g [‹wissen viel›] alleinestehend kann selbstverständlich ein Kompliment sein.)
4.
Farang E-Ti-Em ฝรั่งเอทีเอ็ม fà¿ ràng ?e: ti: ?em (‹Geldscheißer-Farang›)
Die einzige Sorte fà¿ ràng rú: mâ:g, die in Thailand eine gewisse Zeit überlebt, sind bestimmte Liebeskasper in den Dörfern ihrer eingeborenen Gattinnen im ehemaligen nordöstlichen Urwald. Sie tragen den Spielnamen ?e: ti: ?em (Thai-Abkürzung für Automatic Teller Machine) und werden als notwendiges Übel geduldet, bis ihr Geld weg ist oder sie unter Zurücklassung einer größeren Erbschaft gestorben sind. Happy End aus patriotischer Sicht ging dann so: Ausländer weg (spätestens nach ernsthafter ATM-Betriebsstörung), Vermögen da.
Ich bitte das aber nicht falsch zu verstehen, denn ganz grundsätzlich ist es in einem Land, deren Menschen weitgehend ohne gesetzliche, sichere Altersversorgung leben müssen, ganz selbstverständlich, daß die Jungen für die Alten sorgen. Eine Pflicht, sich dafür über kurz oder lang zu ruinieren, wie man es hier gar nicht so selten bei Ausländern erlebt, besteht aber nicht.
5.
Exkurs: Das Ausländer
Schon immer kommt im täglichen Sprachgebrauch der Thais eine relative Geringschätzung aller ‹Außenstehenden› zum Ausdruck. Wenn eine Gruppe Thais über einen nicht anwesenden Ausländer spricht, werden diese in aller Regel nicht etwa mit Namen oder auch nur als männliche oder weibliche Person erwähnt, keineswegs also als เขา kao? (‹er›), oder เธอ tœ: (‹sie›), sondern als มัน man (‹es›). Das gilt allerdings für alle Personen, also auch für alle Thais, die nicht zur eigenen Sippe oder (Interessens-)Gruppe gehören.
© Hans Michael Hensel, Bangkok von Innen, 7. Auflage Juli 2008 und © TIP Führer Bangkok 2008