Hier der Artikel, den sich @vicko übersetzt wünschte:
Warum Thailands Rote einen Rückzieher machenVon Shawn W. Crispin
BANGKOK – Nach beinahe zwei Monaten kräftezehrender und oft gewalttätiger Straßendemonstrationen hat Thailands Protestbewegung UDD im wesentlichen den Versöhnungsplan von Premierminister Abhisit Vejjajiva angenommen, der unter anderem auch allgemeine Neuwahlen voraussichtlich am 14. November und unabhängige Ermittlungen zu den jüngsten Gewalttaten und Todesfällen im Zusammenhang mit den Demonstrationen vorsieht
Dieser einstweilige Waffenstillstand bedeutet für die UDD ein bedeutendes Zugeständnis, die zuvor immer eine sofortige Auflösung des Parlaments und Neuwahlen gefordert hatte, was darauf abzielte, die Kontrolle über die anstehende, höchst bedeutsame Stellenneubesetzung beim Militär zu erlangen. Viele fürchteten, daß das immer wieder angekündigte gewaltsame Vorgehen der Regierung gegen die Demo-Meile der UDD im Herzen Bangkoks einen noch ausgedehnteren Konflikt entzünden würde, bei dem sich möglicherweise Polizisten und Soldaten, die mit der UDD sympathisieren und regierungstreue Truppen gegenüberstehen könnten.
Die UDD-Führung hatte wiederholt mit einem „Bürgerkrieg“ gedroht, sollte die Regierung mit Gewalt gegen die Demonstranten vorgehen und die Staatsorgane haben behauptet, die Protestbewegung halte Militärwaffen vorrätig und habe „Terroristen“ in ihren Reihen. Nun, da beide Seiten einen Schritt vom Abgrund zurückgetreten sind, haben internationaler Druck, Austausch von Informationen und Vermittlung in diesem immer noch vorläufigen Frieden allergrößte Bedeutung gewonnen.
Internationale Vermittler haben fieberhaft hinter den Kulissen gewirkt, als die Krise drohte, sich zu noch umfangreicheren inneren Unruhen aufzuschaukeln, einschließlich des Szenarios von Aufständen in den Städten. Es ist unklar, welche Rolle bei diesem Abkommen eventuell ein schwedischer Parlamentsabgeordneter spielte, der erste Gespräche in die Wege leitete und über enge Kontakte zu dem im selbst gewählten Exil lebenden Ex-Premier und UDD-Oberpaten Thaksin Shinawatra verfügt.
Leute mit Zugang zu einem inoffiziellen Kanal meinen, daß kürzlich Gespräche in einem südostasiatischen Land stattgefunden hätten, an denen Thaksin und ein altgedientes Mitglied der Regierung teilgenommen hätten. Das erklärt auch scheinbar Abhisits plötzliche Bereitschaft, eine Amnestie für mehr als 200 mit Berufsverbot belegte Politiker, die zum größten Teil aus dem Lager von Thaksin stammen, und die Änderung eines Verfassungsartikels über Wahlbetrug, aufgrund dessen bereits zwei von Thaksins politischen Parteien aufgelöst wurden und der nun auch seine eigene Demokratische Partei bedroht, in Erwägung zu ziehen.
Auch wenn noch über vieles eine Einigung erzielt werden müsse, darunter, ob der UDD-Führung eine Amnestie bezüglich des Terrorismus-Vorwurfes gewährt wird, so zeige doch der Umstand, daß Thaksin bereits öffentlich dem Rahmenwerk zugestimmt hat, daß der Deal an sich gelaufen sei, meinen Leute, die sich mit der Materie auskennen. UDD-Sprecher Sean Boonracong erklärte gegenüber Asia Times Online, daß die Anführer der Bewegung „befürchtet hätten, von den Diplomaten und den internationalen Medien als zu starrköpfig angesehen zu werden, wenn sie nicht verhandelt hätten“.
Die image-bewußte UDD hatte zunächst ihren rotgewandeten Protest den internationalen Medien wirkungsvoll als gewaltfreie, pro-demokratische Bewegung verkauft, die sich gegen eine Regierung stellt, die von den Eliten gestützt wird. Die Presseleute der Protestgruppe hinter den Kulissen haben zudem erfolgreich den Slogan verbreitet, daß die Demonstranten einen Klassenkampf gegen zweierlei Standards, die die Reichen gegenüber den Armen bevorzugen, führten. Auf englischen Spruchbändern für’s Fernsehen an der Hauptbühne steht schlicht: „Friedlicher Protest, keine Terroristen.“
Diese Schlagworte lassen aber völlig außer acht, daß die Proteste der UDD gerade mal 14 Tage nach der Beschlagnahme durch das Oberste Gericht von 1,4 Milliarden US-Dollar aus Thaksins persönlichem Vermögen aufgrund von Korruptions- und Machtmißbrauchsvorwürfen während seiner sechsjährigen Amtszeit begannen. Nachdem sich nun ein Abkommen zwischen den Eliten abzeichnet, das auch eine Massen-Amnestie einschließt für die jüngsten Toten und Verwüstungen, stellt sich der mittlerweile abebbende Kampf auf Thailands Straßen immer mehr als Machtkampf zwischen den Eliten heraus und nicht als eine organisch gewachsene pro-demokratische Bewegung von unten.
Verhärtete Fronten
Mehrere strategische Fehler und ein Umschwenken der internationalen Meinung haben die Verhandlungsposition von Thaksin und der UDD gegenüber der Regierung geschwächt. Einige sehen den Überfall der UDD auf ein dem Königshaus nahestehendes Krankenhaus in Bangkok, der dazu führte, daß die Ärzte dort die Patienten evakuierten, als den Wendepunkt an. Aber bereits, als die Rhetorik und Taktik der UDD an Schärfe zunahm, kam bei vielen westlichen Diplomaten bereits das Gefühl auf, die UDD und ihre Stellvertreter hätten sich von ihrem Anspruch der Gewaltlosigkeit verabschiedet und seien nun zu Gewalttätigkeiten übergegangen, um ihr Anliegen voranzutreiben.
Diese Auffassung begründete sich vor allem auf den Gewaltakten vom 10. April, als schwer bewaffnete, schwarz gekleidete Attentäter auf die Regierungstruppen Granaten warfen und das Feuer eröffneten, welche wiederum auf die rotgewandete Menge zurückfeuerten. Mindestens 26 Menschen, darunter sechs Soldaten, kamen bei diesem bewaffneten Handgemenge ums Leben und über 800 wurden verletzt.
Aufgrund der düsteren Umstände dieser Gewalttätigkeiten blieb die internationale Reaktion auf die Tötungen verhalten. Die Regierung Abhisit vermied Vorwürfe, indem sie darauf beharrte, daß die Soldaten nur zur Selbstverteidigung mit scharfer Munition geschossen hätten, obwohl ein in Bangkok stationierter Diplomat berichtete, daß offizielle Stellen sich geweigert hätten, in ihrem Besitz befindliches Filmmaterial aus Überwachungskameras über die bewaffneten Auseinandersetzungen freizugeben.
Die UDD hielt dagegen, indem sie behauptete, sie habe nichts zu tun mit den schattenhaften und eindeutig bestens ausgebildeten Attentätern, die angeblich erst auf der Szene erschienen seien, nachdem die Truppen das Feuer auf unbewaffnete Demonstranten eröffnet hatten. Boonracong erklärte gegenüber ATol, daß die Schwarz gekleideten Männer eindeutig “Militär” gewesen wären und daß “wir sie zwar nicht kennen, aber ihnen trotzdem dankbar sind”.
Am 26. April führte UDD-Führer Arisman Pongrueangrong Reportern und Demonstranten ein unscharfes Videoband vor, das angeblich einen der Schwarz gekleideten Attentäter zeige, wie er sich ungehindert hinter den Reihen der Soldaten bewegte, was unterstellte, daß es Pläne seitens der Regierung gebe, die UDD in Verruf zu bringen. Die auf dem Video gezeigte Person war aber gelb, nicht schwarz, gekleidet.
Diese Dementis und Fehlinterpretationen haben bei den Diplomaten einen gewissen Verdacht aufkommen lassen, die UDD unterhalte einen paramilitärischen Flügel, der wahrscheinlich von ehemaligen und aktiven Angehörigen der Sicherheitskräfte, die loyal zu Thaksin stehen, aufgebaut wurde und geleitet wird. Die Diplomaten sind der Meinung, daß diese Paramilitärs sehr wahrscheinlich hinter einem Großteil der geheimnisvollen Gewalttaten stecken, die parallel zu den Protesten verübt wurden, darunter eine Serie von Bombenanschlägen überall in der Hauptstadt.
UDD-Führer Jaran Dittapichai erklärte gegenüber ATol zwei Stunden nach den Granatenangriffen vom 22. April im Finanzviertel an der Silom, bei denen eine Person starb und über 90 verletzt wurden, daß das Militär diese Anschläge verübt habe, um einen Putsch und eine gewaltsame Auflösung der Demonstration zu rechtfertigen. Reporter vor Ort haben jedoch beobachtet, daß UDD-Anhänger jubelten, als Krankenwagen mit regierungstreuen Demonstranten, die bei den Angriffen verletzt worden waren, bei einem nahegelegenen Krankenhaus vorfuhren.
Erhobene Beschuldigungen
In einer Erklärung forderte die US-Botschaft von der UDD eine Verurteilung der Granatenangriffe – was diese von ihrer Bühne nicht getan hatte – und forderte zugleich die Regierung auf, sich zurückzuhalten. US-Beamte haben sich während der Proteste mit UDD-Führern getroffen, darunter Veera Musikapong und Jaran, um ihnen Washingtons Standpunkt klar zu machen, wonach die UDD einen Großteil der Gewalttätigkeiten, einschließlich der Ereignisse vom 10. April, provoziert habe.
UDD-Sprecher Boonracong sagte, ein US-Beamter habe mit “unglaublichen Details” der jüngsten Gewalttätigkeiten aufgewartet, die seiner Meinung nach “nur die CIA und andere Informanten vor Ort” hätten zusammentragen können. Er sagte, US-Beamte hätten zudem behauptet, die UDD habe Gasflaschen gebündelt, um sie als Bomben zu benutzen und in nahegelegenen Gebäuden automatische Waffen gelagert – Behauptungen, die laut Boonracong „jeglicher Grundlage“ entbehrten.
„Der (US)-Botschafter ist offensichtlich zu der Überzeugung gelangt, daß wir inzwischen eine Armee und keine friedliche Bewegung mehr sind,” sagte Boonracong und ergänzte: “Die US-Botschaft ist bei weitem nicht so neutral, wie sie vorgibt.” ATol hat einen Angehörigen der US-Botschaft dabei beobachtet, wie er sorgfältig den Marsch der UDD zu Abhisits Privathaus am 17. März und die Blutschmiererei dort auf Video aufnahm und auch mit ihm gesprochen.
Die Anschuldigungen der USA spiegeln deutlich viele Behauptungen der Regierung wieder und lassen Fragen aufkommen, wieviel Unterstützung die Geheimdienste der USA und anderer westlicher Staaten Abhisit und dem Militär haben zukommen lassen bei der Aufdeckung des komplexen Untergrund-Netzwerkes der UDD, von deren Finanzströmen und Kommandostrukturen – einschließlich der möglichen Rolle, die Thaksin bei den jüngsten Gewalttätigkeiten gespielt haben mag.
Der Stellvertretende Premierminister Suthep Thaugsuban hat schon vor Beginn der UDD-Proteste Mitte März erklärt, er habe Warnungen vom US-Geheimdienst erhalten über mögliche Sabotageakte im Zuge der Proteste. Diese Information stamme, so sagte er, aus abgehörten Telefonaten zwischen Thaksin in Dubai und seinen Verbündeten in Thailand. Die US-Botschaft hat diese Behauptungen Sutheps bislang weder bestätigt noch dementiert.
Ein internationaler Vermittler mit guten Beziehungen zur Regierung behauptet, westliche Geheimdienste hätten „Erkenntnisse über Signale, Nachrichten und Geldbewegungen“ der UDD an die Regierung weitergegeben. Das würde auch die unverblümte Behauptung von Regierungssprecher Panitan Wattanayagorn erklären, daß ihm Erkenntnisse vorlägen über ungewöhnliche Bargeldströme, die seit Beginn der UDD-Demonstrationen aus dem Mittleren Osten nach Thailand geflossen seien.
Abhisit stellte bei einem Interview mit ausländischen Journalisten ähnliche Behauptungen auf und sagte, die Regierung habe „beträchtliche Geldströme“ beobachtet. Er sagte, die Regierung habe nun ein klareres Bild über die „zweite und dritte Ebene“ des UDD-Netzwerkes und die Verbindungen zwischen den Leuten, die die jüngsten Gewalttaten angeordnet und verübt hätten.
Einige Diplomaten haben auf eine telefonisch übertragene Rede verwiesen, die Thaksin vor den Ereignissen vom 10. April gehalten hat und in welcher er die UDD-Demonstranten dazu aufforderte, sich auf „Opfer“ einzustellen. Nach den tödlichen Auseinandersetzungen in jener Nacht hielt sich Thaksin im Hintergrund und in den wenigen Bemerkungen gegenüber der Presse erklärte er, die Proteste der UDD seien „seiner Kontrolle entglitten“. Abhisit meinte dazu, er wolle nicht über Thaksins Motive spekulieren, warum dieser nach den Gewalttätigkeiten offensichtlich in Deckung gegangen sei.
Nach Berichten der lokalen Presse habe Thaksin diese Woche in einem Telefonat mit der mit ihm verbündeten Oppositionspartei Puea Thai erklärt, er unterstütze Abhisits Versöhnungsplan, sofern alle Parteien das Gewesene vergessen, einander vergeben und nach vorne blicken würden. Gleichzeitig deutete er an, er habe die Dienste einer internationalen Anwaltskanzlei, Amsterdam & Peroff, in Anspruch genommen, um „Thailand die Demokratie zurückzubringen.“
Diplomaten in Bangkok sind der Meinung, daß es wahrscheinlicher sei, daß Thaksin bereits Verteidigungsstrategien auf dem Rechtswege vorbereitet für den Fall, daß der Versöhnungsplan nicht zustande kommt und die Regierung versucht, die gegen neun UDD-Führer erhobenen Terrorismus-Vorwürfe auch auf Thaksin als dem erklärten Chef-Finanzierer und strategischen Vordenker der Gruppierung auszudehnen.
Zunächst hatte die UDD sorgfältig daran gearbeitet, sich die Sympathien der USA für ihre sogenannte demokratische Sache zu erwerben. Nachdem aber US-Beamte die UDD dafür kritisiert hatten, daß sie das letztjährige ASEAN-Gipfeltreffen in Pattaya mit Gewalt unterbrochen hatte, machten die Vertreter der UDD in der Form weiter, daß sie bei US-Botschafter Eric John Präsentationen vorführten, die zeigen sollten, daß auch Politiker der Regierung eine Rolle bei diesem Chaos gespielt hätten.
Es ist bekannt, daß UDD-Vertreter enge Beziehungen zu gewissen US-Diplomaten in Bangkok pflegen und auch zu bestimmten sozialen Veranstaltungen der Botschaft und privaten Essen eingeladen werden. Viele Angehörige regierungstreuer Kreise waren letztes Jahr verärgert, als die Frau von Botschafter John öffentlich im Four-Seasons-Hotel mit Thaksins Ex-Frau und Geschäftspartnerin Pojaman Pombejra zu Abend aß.
Diese Tauwetterperiode endete im März, als die UDD kurz vor der US-Botschaft demonstrierte und eine Erklärung verlangte wegen Sutheps Behauptung über Geheimdienstberichte zu geplanten Sabotageakten. In einem offensichtlichen Versuch, die Kritik der USA zu kontern und die internationale Meinung zu spalten, befahl Thaksin der UDD einen symbolischen Zug zum UN-Gebäude in Bangkok und die Bitte um UN-Friedenstruppen zum Schutz ihrer Demo-Meile.
Die UDD machte einen ähnlichen Anlauf zur Sympathiegewinnung letzte Woche beim Büro der Europäischen Union in Bangkok. Dies alles deutet auf konzertierte und umfangreiche Bemühungen der UDD hin, die internationale Meinung auf ihre Seite zu ziehen – eine Strategie, die die UDD mit ihrer gewalttätigen Taktik selbst untergrub. Es ist zwar für die meisten Beobachter klar, daß beide Seiten für die jüngsten Toten und Verluste Verantwortung tragen, aber es sieht auch ganz danach aus, daß nur eine auf zweierlei Standards beruhende Amnestie den Frieden bewahren kann.
Shawn W. Crispin ist Herausgeber von Asia Times Online Southeast Asia.
Quelle:
http://www.atimes.com/atimes/Southeast_Asia/LE08Ae02.html