Samstag, 28. Oktober 2006
Der Blick von meinem Balkon verrät es. Dieses intellektuell verkleidete Farbenspiel der arrogant akademischen Natur kann es selbst für die Unterschicht nicht verbergen.
Da ist sie wieder. Die schöne Jahreszeit nach dem Sommer. Dem Sommer, welcher zum Insichkehren und Hausputz animierte, uns an die Vergänglichkeit erinnerte, die Gedanken unter der unheimlichen und dem Tode geweihten Sonne, zwischen all dem Grün und den vielen bunten Blumen trüb werden liess.
Nun ist da die Zeit, wo endlich die krächzenden Singvögel das Land verlassen und der liebliche Gesang der Krähen uns frohlocken lässt, wo der Sommerspeck der Winterdürre weicht, die heimischen Teich- und Flussenten rein aus Spass an der Freud vögeln, ohne an Nachwuchseier zu denken.
Hemdenbügeln gehört der Vergangenheit an. Wie’s unter dem Pullover aussieht, interessiert sowieso keinen.
Der Morgennebel verdeckt die Unzulänglichkeiten der versauten Natur und der vom Sommer griessgrämig geprägten Gesichter unserer Nächsten. Das Kackbraun der Urlaubsgesichter weicht einem gesunden natürlichen Teint.
Der Regen zaubert Freudentränen auf die Wangen der Mädels, wenn sie uns draussen begegnen und erweckt den Wunsch, sie in die Arme zu nehmen und zu Hause mit einem flauschigen Handtuch abzurubbeln bis die sich aufstellenden Nippel nur noch eines zu seufzen scheinen:
„Schnacksel mich und lass uns gemeinsam den Sommer vergessen. Lass uns ein neues Leben anfangen.“
Endlich gibt es wieder genug Blätter, mit denen wir mit heuchelnden Gesichtern unsere Vorfreude auf die grenzenlose Geilheit nach der Vertreibung aus dem Paradies vertuschen können.
Unsere Gedanken legen die depressive Last des Sommers ab und konzentrieren sich freudig auf das Schauspiel der sich verkriechenden und sterbenden Natur. Wissen wir doch, dass uns so etwas nie passieren könnte
Die Zeit der melancholischen Gehässigkeit mit gutem Gewissen bricht an. Tante Hedwig wird endlich verursacht durch angenehm nasskaltes Wasser sterben und wir brauchen ihr Gelaber nicht mehr zu ertragen.
Am Morgen ist es noch dunkel. Wir stehen wieder gerne auf und schauen den trübsalblasenden Mitbürgern auf dem Wege zur Arbeit schadenfreudig in ihre griesgrämigen Visagen. Im Büro fällt unsere Herbstbrille nicht mehr auf und unsere gesamte Körperhaltung signalisiert wieder die reine Lebensfreude unseres Daseins.
Wir geniessen das erste Bier um 5 Uhr nachmittags reinen Herzens, weil es schon wieder dunkel ist.
Wissen wir doch, dass nun die schöne Jahreszeit der Beschwingtheit anfängt. Wasser sucht sich frei die Wege, die es vorher noch nie beschritten hat und lehrt uns durch sein liebliches Plätschern, wo wir alle herkommen.
Gewitterdonner begleitet von stroboskopischen Disco-Blitzen spielt Techno-Dancefloor für die Schwerhörigen. Tornados lüften endlich den muffigen Dachstuhl. Umgefallene Bäume verhelfen uns zu einem neuen Auto und auch zu neuen Nachbarn, falls wir Glück haben und die alten erschlagen wurden. Stromausfälle ermutigen uns zu romantischen Abenden bei Kerzenschein.
Die Börse wird bald wie ein Luftballon platzen und die Lektüre unserer Post von den Gläubigern wird uns die Abende versüssen, weil wir dankbar wissen, dass jemand an uns denkt.
Selbst Gott lässt Fünfe gerade sein und tut, was er schon immer mal tun wollte.
Knecht Ruprecht lässt bald den besänftigenden Schnee aus dem Sack und Frau Holle schwingt gnädig den Knüppel gegen das masochistische Rumpelstilzchen.
Über allen Gipfeln
Ist der Affe los
In allen Wipfeln
Spürest Du
der geilen Zeiten Hauch
Die Krähleins zwitschern im Walde
Warte nur, balde
tanzt auch Du.