Als Dauer-Expat in Thailand überkommen einen manchmal so schwer fassbare Eßgelüste. Nach all den vielen Reis- und Nudelgerichten sehnt man sich mal wieder nach einem guten Stück Europa auf dem Teller. So ging es uns gestern abend. Es sollte Pizza sein.
Nun gibt es in Hua Hin an Pizzalokalen wahrlich keinen Mangel, doch unser Favorit ist ein etwas außen liegendes Lokal an einer lauten Ausfallstraße, das erst vor ein oder zwei Jahren seinen Betrieb aufgenommen hatte. Ich gab ihm damals kein halbes Jahr, denn einen ungünstigeren Standort konnte man kaum wählen. Doch ich irrte und das hatte seinen Grund, denn in diesem unscheinbaren Lokal gab es die bei weitem beste und schmackhafteste Pizza weit und breit.
So erlangte es unter der hiesigen Expat-Gemeinde schnell einen guten Ruf und wurde gern und regelmäßig besucht. Den Touristen, die hauptsächlich im Stadtkern kreuzten, blieb dieses Genußjuwel allerdings verborgen.
Betrieben wurde das Lokal von einem alten Schweden, der viele Jahre in Italien gelebt hatte, und der bei seiner Umsiedlung nach Thailand einen der versiertesten Pizzabäcker von dort mitgebracht hatte. Das Lokal heißt „Casa Mia“ und liegt an der Nong Plub Road, der ausführenden Straße nach Pala-U.
Als wir gestern Abend zu dem Lokal kamen, war die Gaststube leer und das Personal lümmelte an einem Tisch und spielte Karten. Ich dachte mir nichts dabei – nur meine Frau verzog die Stirnesfalten. Die Bedienung kam und brachte die Speisekarte. Da traf mich der erste Schock. Was war da mit den Preisen passiert? Die Teufelspizza „Diavola“ kostete statt 195 nun 240 Baht! Potztausend! Saubere 20% Preisaufschlag bei gleichzeitig 20% Währungsverlust – na, das nenn ich mal ein begabtes Timing! Oder haben sie etwa Platinfäden in den Teig gewoben, oder sind die Ränder der Pizza vergoldet? Der nächste Schock traf mich beim Bier. Da war der Preis für die Flasche Singha von 95 auf 130 Baht hoch gehüpft!
Wir bestellten trotzdem und freuten uns auf die gewohnt leckere Pizza. Doch das Debakel einmal begonnen, nahm unvermeidlich seinen Lauf. Die Pizza kam und nichts war wie ehedem. Mit Schrecken stellten wir fest, dass von dem ehemaligen guten Geschmack nichts, aber auch rein gar nichts, übrig geblieben war. Ein frugaler Teiglappen lag da vor uns auf dem Brett, geschmacklos und fade, und die wenigen handverlesenen Scheiben „Salami piccanti“, die so gläsern und transparent waren, dass sie nur mit einem hochpräzisen Feinmechanik-Laser abgeschnitten worden sein konnten, schmeckten auch noch ranzig!
Dann kam die Rechnung und erneut überkam uns das Staunen. Da waren die stolzen Preise doch wahrhaft mit einer 5%igen „Service-Charge“ veredelt worden, als befänden wir uns in einem Sterne dekorierten Gourmetrestaurant und nicht in einer einfachen Trattoria an einer verkehrsreichen Durchfahrtsstraße!
Wir bezahlten, sahen aber keinen Anlaß auch nur einen Baht Trinkgeld zu hinterlassen, da uns die miesen Leistungen des Hauses mit der völlig überzogenen Rechnung bei weitem abgegolten schienen.
Es kam uns vor, dass man in diesem bescheidenen Lokal am Rande von Hua Hin eigentlich alles richtig machte für den bevorstehenden Abgang in die Pleite. Man muß nur zur Unzeit und im Übermaß die Preise erhöhen und gleichzeitig die Qualität dynamisch absenken. Da muß man erstmal drauf kommen! Kaum vorstellbar, dass da der alte Schwede dahinter steckt. Ob er sein Lokal an einen Thai verkauft hat? (Dies ist natürlich nur eine fiese Vermutung meinerseits…)
Na, wie auch immer, uns sieht das geniale Pizzalokal jedenfalls nie mehr wieder.
Übrigens: Auf der Webseite des Lokals (
http://www.casa-mia.asia) stehen noch heute die alten Pizzapreise!
©Paul Martini, 30. Juli 2010