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Autor Thema: Der Short Time Buddha  (Gelesen 9707 mal)

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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #15 am: 03. Januar 2009, 18:45:54 »

@Low

Ist zunächst mal eine Erzählform, die durchaus ihre Reize hat.

Sie fügt sich in diesem Zusammenhang auch leichter in die Buddhistische Philosophie, die gar nicht sooo abwegig das permanente "Ich" für eine Illusion hält. 

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peter51 †

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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #16 am: 03. Januar 2009, 23:56:01 »

Deine narrative form in diesem thread gefällt,
Uwe
danke vorab dafür 8)
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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #17 am: 04. Januar 2009, 00:01:22 »

Danke Peter. Das hab ich gehofft. Du kennst ja die unendliche lange Version. :-)
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sabeidi

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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #18 am: 04. Januar 2009, 00:01:56 »

also mir gefällt die Geschichte, schreib einfach weiter. ;D
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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #19 am: 04. Januar 2009, 13:28:49 »

Samstag

Alltag im Wat


Nach dem fürstlichen Frühstück setzt sich unser Short Time Buddha wieder im Schneidersitz auf seine Bank und liest in seinen Büchern. Der Ajan sitzt seitlich vor dem Altar und entspannt sich. Ein Mann kommt herein, übergibt dem Ajan einen Umschlag und verweilt ein wenig. Er ist wohl der Briefträger. Die meisten tragen hier keine Uniform, weil der echte  Briefträger wegen seines niedrigen Gehaltes nicht so recht einsieht, seinem Job nachzugehen. Er weiß nämlich, dass es Leute gibt, die ihm für einen kleinen Teil seines winzigen Gehaltes die Arbeit abnehmen. So darf er sich als Arbeitgeber fühlen, morgens im Bett bleiben und irgendwie ist beiden gedient. Der Umschlag sieht aus wie der einer Elektrizitätsrechnung.

Unserem Short Time Buddha wird es unterdessen zu hart und er setzt sich auf die abgewetzte Ledergarnitur. Es dauert nicht lange, und er kann seine Augen kaum noch aufhalten. Um 11 Uhr rettet ihn Santana und seine Band, denn die Tempelboys klöppeln mit viel fröhlichem Gejodel auf die Trommel ein, die in einem reichlich verziertem Gerüst hängt. Die Trommel wird zuerst laut mit größeren Abständen bedient, dann leiser ausklingen lassend mit kürzer werdenden Abständen. Faszinierend! Es ist, als ob sie Trommel-Noten gelernt hätten. Unser Short Time Buddha ahnt, dass es sehr wohl Dinge gibt, die unsere Thaifreunde zu Gewissenhaftigkeit und Disziplin verführen können. Es ist die zweite und letzte Essenszeit des Tages und er hat gar keinen Hunger. Er ist damit ein Einmalesser, was man gar nicht von einem Farang erwartet hätte und ihm fast stehende Ovationen eingebracht hätte.


Der Trommelturm

Etwas später kommt seine Jetzt-Nicht-Ehefrau und besucht ihn mit einigen Bekannten. Die bestaunen unseren Buddha, aber er fühlt sich gar nicht wohl in seiner Haut. Er weiß nicht recht, was er bereden, oder wie er sich benehmen soll. Sie alle repräsentieren sein hektisches und „infatuated“ Rock’n Roll Leben, das in seiner jetzigen Situation etwas unplatziert erscheint. Er beherrscht noch nicht die Gelassenheit, die notwendig ist, um mit verschiedenen Welten gleichzeitig und wohlwollend umzugehen. Als sie wieder weg sind, ist es ihm auch nicht genehm, denn er glaubt, dass heute nicht mehr allzu viel geschehen wird. So fühlt er sich ein wenig einsam und nimmt sich wieder seine Bücher vor. Doch ihm fehlt die nötige Konzentration zum Lesen.

Am späten Nachmittag beobachtet er den Ajan, wie er sehr bedächtig und konzentriert Erde von einem Haufen in ein Loch unter einem kleinen Baum schaufelt. Da gibt es noch mehr solcher Häufchen, Löcher und Bäumchen, und deshalb entscheidet er sich mitzumachen. Das Wat ist  relativ neu und noch wenig bepflanzt.  Er nimmt all seine Thaikenntnisse zusammen und fragt, ob es eine zweite Schaufel gäbe. Der Ajan schüttelt den Kopf, was aber wohl nicht auf die zweite Schaufel bezogen ist, sondern mehr sein Unbehagen ausdrückt, seinen Gast arbeiten zu lassen. Dieser lässt nicht locker und schließlich deutet der Ajan in die Richtung, wo noch eine weitere Schaufel an der Wand lehnt. Die findet er schnell und ist froh, dass er nun eine körperliche Beschäftigung hat. Die Sandhaufen scheinen schon etwas länger dort zu liegen, denn die Ameisenvölker haben sich heimisch darin eingenistet. Mit einer gewissen Genugtuung sieht unser Short Time Buddha, wie sie bei jedem Spatenstich in helle Aufregung verfallen und total verwirrt in alle Richtungen umherirren. Ameisen sind eine Plage in diesen Breitengraden und sie haben diese kleine Störung verdient, denkt er nicht ohne Rachegelüste.
Der Ajan verlegt sich aufs Unkrautzusammenfegen aber unser Short Time Buddha beginnt ohne Rücksicht auf Verluste zu schuften, bis er mit zwei Blasen an den Händen aufgibt.

 

Die Thaidusche danach ist erfrischend, denn das Wasser aus dem Becken ist angenehm kühl.

Anand schlendert herein und kleidet ihn zu seiner Überraschung wieder komplett ein; volle Robe. Es ist noch ein anderer Buddha dabei und zu dritt gehen sie ins Bhot, ins Heiligtum des Wat’s. Sie machen die Fensterläden auf, und es entsteht ein angenehmer Luftzug. Anand zündet zwei Kerzen und drei Räucherstäbchen an. Dann knien sich alle drei in einer Reihe auf das Podest vor der großen Buddhastatue und verbeugen sich dreimal, wie schon so oft beschrieben. An den großen Altar gelehnt steht eine Uhr, die normalerweise bei den Farangs an der Küchenwand hängt. Sie zeigt genau 17 Uhr 30. Sie sitzen zunächst im Schneidersitz und meditieren in der Stellung wie an diesem Morgen. Dann rezitieren die beiden Buddhas eine Weile Teile des Palikanons zur Übung.
 
Unser Short Time Buddha ist mächtig stolz. Da sitzt er nun in der Mitte zwischen zwei Buddhas und hat mit ihnen den gesamten Tempel alleine zur Verfügung und er möchte gar nicht mehr weg. Jetzt ist er das erste mal richtig in Thailand, schwingt mit der buddhistischen Tradition mit und vergisst seinen Alltag, seinen Beruf, seine Familie und denkt an nichts anderes, als an das, was er gerade tut. Seine gewohnte Welt ist weit weg, fast so, als hätte sie nie existiert. Nur sein Rücken, der die ungewohnte Haltung noch nicht verkraftet, will nicht mitspielen. Die Gartenarbeit vorher begünstigt auch nicht gerade sein Wohlbefinden. So entwickelt sich die dreimalige Verbeugung, die sie ab und zu durchführen, zur entspannenden Streckübung und ist ihm äußerst willkommen. Auch wenn er die Hände zur Meditationsübung in den Schoß legen darf, fühlt er sich ganz gut.

Ihm kommen die Ameisen in den Sinn, die er nicht gerade höflich am Nachmittag behandelt hat. Einige werden es sogar nicht überlebt haben. Seine Taten und seine Gedanken am Nachmittag verhindern nun eine Versenkung in die Meditation. Zweifelsohne hatte er eine der Regeln gebrochen, die er während seiner Initiation zum Buddha versprochen hatte zu befolgen: „Nehme nicht das Leben einer anderen Kreatur“. Er sieht auch wieder den Ajan vor sich, wie er mit äußerster Vorsicht einen Sandhaufen behandelt hatte. Der gab sich zumindest Mühe, sowenig Schaden wie möglich anzurichten. Auch versteht er jetzt, warum der Ajan sich sofort auf eine weit weniger gefährliche Tätigkeit, dem Unkrautfegen, konzentrierte, als unser Short Time Buddha seine Arbeit begann.
 
Nun weiß er, was er schon immer ahnte. Da das Nichtbefolgen einer Vorschrift im buddhistischen Sinne keine Sünde ist und nicht etwa mit der Hölle oder Blitz und Donner bestraft wird, dient die Befolgung unter anderem auch diesem Zweck, nämlich mit reinem Gewissen auf die Meditation vorbereitet zu sein. Er wird sich wieder seiner Selbstverantwortung bewusst und fühlt sich etwas besser. Er hatte schon immer  seine Probleme mit der Strafe, die von anderen oder etwas anderem verhängt wird. Für ihn war diese Art Strafe nie ein Ansporn, sich zu bessern. In seinem bisherigen Leben war immer seine persönliche Einsicht die treibende Kraft für das Befolgen von Regeln. Es fällt ihm aber leicht, den Moralkodex der großen Religionen, der in den nur wenigen Geboten dargelegt wird zu akzeptieren.

Nach genau 40 Minuten ist die abendliche Übung zu Ende. Es ist 18 Uhr 10. Sie löschen die Kerzen, die Räucherstäbchen sind schon heruntergebrannt, und schließen die Fensterläden. Als sie das Bhot verlassen, liegt ein Hund auf den Stufen. Der sieht ganz zufrieden aus, vielleicht ein bisschen traurig, als ob ihn die Stimmung der friedlichen Meditation an sein früheres Leben erinnert. Die Buddhas stören ihn nicht, obwohl sie ihn umständlich umgehen müssen. Über ihn hinwegsteigen wäre einfach, aber käme nicht infrage. Es wird schnell dunkel.
 
Sie gehen zusammen in den Besucherraum des Ajan’s, wo sich die anderen Buddhas von diesem Wat und auch zwei Laien schon versammelt haben. Sie sitzen im Halbkreis auf dem Boden und der Ajan hat sich auf seinem Stammplatz auf seiner blauen Unterlage seitlich vor dem Altar niedergelassen. Unser Short Time Buddha setzt sich auf seine Bank und liest ein wenig. Der Ajan spricht sehr langsam und mit sanfter Stimme. Er versteht kaum etwas, aber er glaubt sinngemäß herauszuhören, dass der Ajan einige Verhaltensregeln erklärt. Alle anderen sitzen stumm und lauschen aufmerksam. Sie sind noch jung, zwischen 18 und 20, und wie sie sich gelegentlich gegenseitig anschauen oder angrinsen, erinnert daran, dass sie doch noch eine ziemliche Rasselbande sind. Aber ihr Übermut würde sich niemals gegen die Autorität des Ajan’s wenden.

Unser Short Time Buddha legt sein Buch ab, setzt sich auf den Boden vor seiner Bank, beobachtet alles interessiert und lauscht den zumeist unverständlichen Worten des Ajan’s. Er versteht unter anderem Hong Nam, Badezimmer. Es geht wohl um Sauberkeit und um die Reinigung der Buddharoben. Er versteht mae dai, so geht das nicht. Das ist wohl eine Standpauke, und es haben sich wahrscheinlich zu viele Roben zum Waschen angesammelt. Aber der Ajan erhebt nie seine Stimme. Die Katze streicht um ihn herum, wahrscheinlich angelockt von der friedvollen Stimmung. Zum Schluss lächeln alle und gehen in ihre Kuti, Unterkünfte.

Unser Short Time Buddha liest noch etwas, aber seine Augenlider entgleiten ihm. Nachdem er den vorletzten Satz zehn mal gelesen hat, weil der Folgesatz völlig unverständlich und aus dem Zusammenhang gerissen erscheint, merkt er, dass es keinen Zweck mehr hat.

Es ist erst halb zehn. Die Marine Disco noch total verweist, das Black Out trödelt noch vor sich hin und die Gäste der Baby Go Go sind noch nüchtern und schüchtern. An irgendeiner Bierbar tönen die Scorpions: „Send me an Angel“. Schon um 10 Uhr verschließt der Ajan die Türe mit dem Metallgitter und löscht das Licht, aber zwei Ventilatoren, die auf den gläsernen Sarkophag gerichtet sind, bleiben, wie gestern auch, die ganze Nacht in Betrieb.
 
Ein ereignisreicher, weil völlig ungewohnter Tag ist zu ende; ein Tag dessen Ablauf sich nur unwesentlich während 2500 Jahren verändert hat, sieht man mal von ein paar unwesentlichen Äußerlichkeiten ab. Unser Short Time Buddha hat jeden Moment in sich aufgesogen und fällt in einen tiefen ruhigen Schlaf ohne Sorgen. Weiss er ja, dass er aller Wahrscheinlichhkeit nach im Gegensatz zu seinem Schlafkameraden, der Mumie, morgen früh wieder aufwachen wird...

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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #20 am: 09. Januar 2009, 11:41:18 »

Sonntag

Routine kehrt ein

Diese Nacht hat unser Short Time Buddha besser geschlafen. Er hat sogar von Frauen geträumt, von längst Verflossenen und von der Monroe, aber ohne Busen. Die nächtlich entspannte Erektion nicht ausgeschlossen. Selbst sein Unterbewusstsein scheint auf keusches Leben programmiert zu sein. Oder war es die Erinnerung an die letzte Transvestit Show im Alcazar?
 
Er steht schon vor dem Ajan um halb 5 Uhr auf und erledigt seine Morgentoilette. Sein Radarsinn lässt ihn auch heute nicht im Stich und er findet die Örtlichkeiten, ohne die Hand vor den Augen erkennen zu können, ohne Schrammen, blaue Flecken, oder sich den kleinen Zeh zu verstauchen. Er freut sich auf die Meditation und nachdem der Ajan ihn vollständig eingerödelt hat, und sie durch Verbeugungen Buddha’s Lehre ihre Ehre erwiesen haben, sitzen sie in völliger Stille und Dunkelheit, nur von zwei Kerzen und dem unscheinbaren Glühen dreier Räucherstäbchen beleuchtet, im Schneidersitz, jeder tief in seine Gedanken versunken. Es ist der schönste Anfang eines Tages, den er sich vorstellen kann, und er weiß, dass die Konzentration und Versenkung noch mehrere Stunden anhalten und sein Kopf klar von irgendwelchen „infatuated“ Gedanken sein wird. Bisher kennt unser Short Time Buddha zwei Arten von Meditation:

1.   Er konzentriert sich ganz aufs Ein- und Ausatmen, was seine Aufmerksamkeit auf seine eigene Körperverfassung lenkt und schließlich zu einer angenehmen Entspannung führt.

2.   Er beobachtet wie ein Außenstehender, was ihm durch den Kopf schwirrt, oder was seine Sinne aufnehmen, verwirft es dann einfach und beobachtet, was ihm als nächstes in den Sinn kommt und verwirft auch dieses wieder. Dies alles, ohne diesen Sinneseindrücken und Gedanken eine Bewertung oder gar Emotion zuzuordnen. Ist schon ein Wahnsinn, wie sein Gehirn ständig irgendwas schnattert und in einem irren Tempo von Gedanken zu Gedanken springt. Das hat er schon öfter getan und nur in besonderen Momenten hat sich sein Hirn beleidigt zurückgezogen, weil sein Gastgeber ihm die Anerkennung der Wichtigkeit dieses ständigen Gelabers verweigert. Dann verlangsamt sich das Tempo der sich überschlagenden Gedankenwelt und es kehrt schließlich eine wohltuende Ruhe im Oberstübchen ein. Er selbst nennt diese Art zu meditieren die „Kommt und Geht“ Methode.

Er unterbricht seine Meditation vor dem Ajan, geht hinaus und dreht seine Runden um das Bhot. Die Fledermäuse sind schon verschwunden und im Osten färbt sich der Himmel kontrastreich zum Schwarz der Nacht tief orange. Sonderbarerweise herrscht eine emsige Betriebsamkeit am anderen Ende des Wat. Eine sehr helle Lampe erleuchtet die Umgebung der Sala, Versammlungsraum, in dem auch schon Licht brennt und wo Leute mit irgend etwas beschäftigt sind. Er misst dem keine größere Bedeutung zu, denn dort drüben wird noch gebaut. Es ist ja in Thailand nicht ungewöhnlich, dass bis in die Nacht oder schon ganz früh morgens gearbeitet wird und zwar an jedem Tag der Woche, auch Sonntags, wenn etwas fertiggestellt werden muss.

So wendet er seine Gedanken dem zu, was er über den Buddhismus aus seinen Büchern bisher gelernt hat...

Buddhas Lehre schwimmt gestern wie heute gegen den Strom, sieht man mal von ihrer moralischen Komponente ab. Verzichtet sie doch auf eine Übermacht der Götter und legt die volle Verantwortung für das Schicksal in die Hände der einzelnen Person. Sie baut auf Verstand, Erkenntnis und Wissen auf. Sie ermutigt nicht zum Glauben, sondern, ganz im Gegenteil, fördert das Hinterfragen und den konstruktiven Zweifel.

Die buddhistische Lehre folgt der Logik, dem Prinzip der Ursache und Wirkung, der Bedingtheit (unter der Bedingung, dass...) und stellt trotzdem intellektuelle Ansprüche an den Aufgeschlossenen, die nicht immer leicht zu erfüllen sind.

Aber er hat zumindest eine Grundlage, von der er ausgehen kann. Diese Grundlage ist Teil der ersten überlieferten Rede Buddhas, die er unmittelbar nach seiner Erleuchtung vor seinen Freunden hielt, die er noch aus den Zeiten kannte, als er hoffte durch extreme asketische Lebensweise der Wahrheit näher zu kommen. Unser Short Time Buddha weiß nun, dass der Buddhismus auf vier Pfeilern ruht, die vier noblen Wahrheiten genannt:

1.   Da ist Dukkha
                                                                                                                                      Dukkha ist der berühmte Ausdruck, um den sich alles dreht. Es ist ein Pali Begriff, der nur allzu gerne mit Leiden übersetzt wird. Nun gehört dieser Ausdruck aber zu jenen, für die es in unseren westlichen Sprachen keinen entsprechenden Einzelbegriff gibt. Statt dessen enthält er eine Vielfalt von Facetten und Schattierungen, die man, um ihm Gerechtigkeit zu gewähren, nur durch mehrere Begriffe übersetzen kann. Zu seinem Bedeutungsumfang gehören
•   Vergänglichkeit
•   Unzulänglichkeit
•   Sinnlosigkeit
•   Inhaltslosigkeit
•   und auch Leid und Schmerz
Buddha stellt hier nur einfach fest, dass es Dukkha gibt. Das ist eine Tatsache, daran führt kein Weg vorbei, und das müssen wir einfach mal akzeptieren.

2.   Dukkha hat eine Ursache
                                                                                                                                       Dukkha ist wie alles andere eingebettet im Kreislauf von Ursache und Wirkung. Es hat also einen Grund. Die unmittelbare Ursache für Dukkha liegt im Durst oder der Begierde nach Dingen, die uns allen geläufig sind: wohltuende Sinneseindrücke, körperliche Lust, der Wunsch geliebt zu werden, mehr Geld, mehr Macht, aber auch interessante philosophische oder wissenschaftliche Betrachtungen, Ideen, Meinungen und Spekulationen. Um nur einige zu nennen. Selbst das Streben nach Glück verursacht Dukkha, weil Glück vergänglich und nie Dauerzustand ist, und die Begierde nach erneutem Glück Unzufriedenheit entstehen lässt.

3.   Dukkha kann überwunden werden (die frohe Botschaft)

Der Kreislauf der Wiedergeburten kann durch die Aufgabe von Begierden, die bedingtes Werden, Wachsen und Vergehen immer wieder aufs Neue hervorrufen, aus eigener Kraft unterbrochen werden. Eine Person, die das schafft ist erleuchtet, im Besitz der Wahrheit, hat das Ziel Nirvana erreicht. Nirvana wird also nicht mit dem Tod erreicht oder ist das Paradies, in dem man unsterblich nach dem Tode dahin schwelgt, sondern lediglich eine Eigenschaft einer Person, die diese Erkenntnis auch leben kann. Der endgültige Tod wird als das Hinübergleiten ins Pari-Nirvana bezeichnet.

4.   Anleitung zur Überwindung des Dukkha

Es gibt einen Weg, genannt der achtfache Pfad, der hilfreich in Richtung Erlösung führt. Dieser achtfache Pfad beinhaltet auch die moralische Qualität des Buddhismus. Eine Qualität, die auch uns christlich Erzogenen nicht fremd ist. Eine der Verhaltensvorschläge lautet: „Nehme nicht, was dir nicht gegeben ist“. Der Unterschied zum: „Du sollst nicht stehlen“, wäre eine interessante Diskussion wert.


Unser Short Time Buddha findet besonders daran Gefallen, dass ein Nichtbefolgen dieses Pfades keine Strafe nach sich zieht und frei von jedem Sündengedanken ist. Die Nichtbefolgung bewirkt einfach ein Verweilen im Dukkha. Somit ist Buddhas Lehre eine reine Angebotslehre, die eine Ablehnung nicht moralisch bewertet oder gar bestraft. Die einzige Konsequenz ist, dass man sein Leben halt so weiter führt wie vorher.

Am besten gefällt ihm die Geschichte von der Überquerung einens Flusses. Als die Jünger Buddhas einmal fragten, ob seine Lehre, Verhaltensvorschläge oder Regeln als absolut und ewig zu betrachten wären, antwortete er mit einem Gleichnis:

„Nehmen wir mal an, ihr wäret auf dem Wege sonstwohin. Und nehmen wir mal an, ihr müsstet dabei einen Fluss überqueren. Ihr baut euch ein Floss (meine Lehre) und kommt sicher am anderen Ufer an. Würdet ihr dann dieses Floss auf eurem weiteren Wege mit euch rumschleppen?

„Nein. Ehrwürdiger.“ Antworten die Jünger.

Sehr ihr, Genauso ist es mit meiner Lehre. Sie ist lediglich der Weg und nicht das Ziel. Danach könnt ihr sie beruhigt ablegen.

Wow, wo gibt es denn sowas. Die heilige Botschaft ablegen, wenn sie ihren Dienst getan hat? Wenn der Papst das wüsste...

Dies alles geht unserem Short Time Buddha im Kopf herum, als er seine Runden rauchend um das Bhot dreht. Ein bisschen dreht es sich auch in seinem Hirn, denn vieles ist ihm noch recht unklar und bedarf weiterer Studien. Nachdem er seine Zigarette auf nüchternen Magen zu Ende geraucht hat, freut er sich schon auf seine Bank und seine Bücher.

Bemerkung: die logische Aufteilung in vier Pfeiler, wie oben beschrieben, ist keine Erfindung Buddhas, sondern beruht auf  alt-indischen Weisheiten der Mediziner, die das gleiche Prinzip auf ihre Patienten anwandten. Wenn zu einem Patienten gerufen, gingen sie in vier Schritten vor:

1.   Das ist Krankheit
2.   Die Krankheit hat eine Ursache
3.   Die Krankheit kann überwunden werden
4.   Und schließlich das Rezept

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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #21 am: 10. Januar 2009, 14:03:08 »

Sonntag

Der Vormittag


Als er in den Besucherraum des Ajans zurückkehrt, verkündet ihm dieser die frohe Botschaft, dass sie heute morgen nicht ausgehen werden, und dass er deswegen seine empfindlichen Fußsohlen schonen darf. Fast im gleichen Moment betreten die ersten Frauen in gebückter Haltung, ihre Hände voller Essensgaben, den Raum. Auch seine Nicht-Jetzt-Frau schwebt ganz bescheiden herein.

Show Time. Jetzt heißt es, die rechte Haltung anzunehmen. Unser Short Time Buddha begibt sich, aus den Augenwinkeln auf den Ajan schielend, wie der sich auf seinen blauen Teppich vor dem Altar niederlässt, in eine ähnliche Körperhaltung, breitet sein Seidentuch vor sich aus und seine Nicht-Jetzt-Frau stellt ihre Gaben dort ab. Er nimmt sie herunter und stellt sie neben sich ab. Sein Tuch macht die Gabe indirekt, da es einem Buddha nicht erlaubt ist, etwas direkt aus der Hand einer Frau entgegenzunehmen. Der völlig neutral schauende Ajan und unser ihm nacheifernder Short Time Buddha sind bald von leckeren Köstlichkeiten umgeben, die der Gehilfe zügig entfernt und verstaut, damit Platz für den Nachschub bleibt.

Außer der Nicht-Jetzt-Frau haben inzwischen alle anderen das Haus verlassen und die drei unterhalten sich ein wenig. Es stellt sich heraus, dass gestern jemand ganz in der Nähe gestorben ist und sich die meisten Leute aus dem Dorf in der Sala aufhalten, wo der Tote aufgebahrt ist. So sind viele Frauen nicht in ihren Häusern und ein Rundgang ginge wahrscheinlich sehr armselig aus. Statt dessen bringen sie ihre Gaben gleich in den Besucherraum und natürlich auch zu den Kutis, Unterkünften, der jungen Buddhas in diesem Wat.

Der Ajan erzählt der Nicht-Jetzt-Frau, dass unser Short Time Buddha heute schon sehr früh, sogar vor ihm, aufgestanden ist und gestern im Garten gearbeitet hat. Von seiner Unfähigkeit, seine volle Robe selbst anzulegen und den massakrierten Ameisen erwähnt er nichts. Er scheint sehr stolz auf seinen Gast zu sein. Dann segnet er die Nicht-Jetzt-Frau des Short Time Buddhas, die ihre Hände zum Wai, mit tief gesenktem Kopf vor ihm kniet, indem er sie mit einer vorher in eine Wasserschale getauchten Rute mit Wasser besprenkelt.

Sie fährt bald wieder nach Hause, und unser Short Time Buddha ist ein bisschen traurig. Aber er sagt sich, dass die emotionale Ablenkung durch seine Familie seiner Konzentration und der inneren Sammlung gar nicht gut tut, und er bekommt eine Ahnung vom Sinn des Zölibats.

Der Ajan geht heute aus. Jemand in einem Toyota Pick up holt ihn ab. Unser Short Time Buddha wird also alleine essen. Anand darf nicht, aus welchem Grunde auch immer, im Hause des Ajan essen. Der junge Gehilfe breitet wieder die Bastmatte auf dem Boden aus und legt einen Teller mit Löffel und Gabel darauf. Dann ruft er unseren Short Time Buddha und bedeutet ihm, sich niederzulassen. Nun überreicht er ihm eine volle Reisschüssel mit beiden Händen und verbeugt sich. Unser Short Time Buddha stellt den Reis vor sich ab. Dann folgen die anderen Köstlichkeiten in Schüsseln und Schalen und zuletzt die Früchte und Süßigkeiten. Jede Schale wird unserm Short Time Buddha einzeln mit einer Verbeugung überreicht und der stellt sie dann vor sich ab. Es ist reichlich und ein repräsentativer Querschnitt durch die Thaiküche. Nun sitzt er im Schneidersitz auf der Matte, vor ihm ein Tischlein-Deck-Dich und er sagt sich, dass das Buddhaleben ganz angenehm ist.

Etwas entfernt sitzt der Gehilfe, lächelt und schaut dem Short Time Buddha zu. Als dieser satt ist, spricht er ein kurzes Dankgebet und der Gehilfe ist außer sich vor Freude. Warum, werden wir wohl nie genau erfahren. Vielleicht hat ihn beeindruckt, dass auch ein Farang genau wie ein Thai-Buddha nach dem Essen betet, oder er ist einfach froh, weil er nun essen darf. Es ist sehr viel übrig geblieben, manche Speisen sogar noch unberührt. Der Gehilfe ruft die kleinen Tempelboys, und bald sitzt eine lustige Bande auf der Matte, speist und freut sich des Lebens.

Als sie satt sind, verstauen sie die Reste für die zweite und letzte Mahlzeit um 11 Uhr morgens und waschen das Geschirr ab. Die Uhr zeigt kurz nach acht. Unser Short Time Buddha sitzt auf seiner Bank und macht sich einige Notizen, damit diese Geschichte eines Tages geschrieben werden kann. Die Tempelboys sitzen um ihn herum und wundern sich über die fremden Schriftzüge. Sie sind fasziniert, greifen wieder zum Thai-Englischen Wörterbuch und üben Vokabeln; lesen, sprechen, und sogar schreiben. Unser Short Time Buddha hilft ihnen dabei und ist froh, solch angenehme Gesellen um sich zu haben. Langsam wachsen ihm Yung und Lek ans Herz, denn sie sind wissbegierig, so wie es sich mancher Vater von seinen Kindern ersehnt. Dabei haben sie alle Scheu vor dem Farang abgelegt. Sie scheinen sogar stolz über ihren Mut zu sein, ihm so nahe, sogar auf Tuchfühlung, zu sein. Seine Robe lässt sie ihre normalerweise etwas ängstliche Zurückhaltung vor Langnasen vergessen.

Draußen schlägt eine Autotüre, nachdem sich über den Schotter rollende Räder knirschend  angekündigt haben und zum Stillstand kommen. Ein sonntäglich gekleideter junger Mann kommt herein, verbeugt sich wie selbstverständlich vor unserem Short Time Buddha, geht auf den gläsernen Sarkophag zu, begibt sich auf die Knie, verbeugt sich dreimal ehrfürchtig und betet ein Weilchen versunken. Dann studiert er die postergroßen Fotografien und die Schrifttafeln, die daneben aufgestellt sind. Sie zeigen einen bedingungslos freundlichen alten Mann in der Buddha Robe. Auf einem Bänkchen liegt eine aufgeschlagene Kladde, in die sich der junge Mann einträgt. Daneben steht eine goldfarbene Schale, auf die er einige Geldscheine legt. Die Farbe verrät, es sind hundert Baht Scheine. Er geht sehr zielstrebig vor, wie in einem lang geübten Ritual und es dämmert unserem Short Time Buddha, dass der leblose Körper in dem Sarkophag einmal einem besonderen Menschen gehört haben muss.

Anand kommt herein, denn er hat auch die Aufgabe, sich um Besucher zu kümmern, wenn der Ajan nicht da ist. Das fremde Auto vor der Türe hat ihn wohl aufmerksam gemacht. Der junge Mann schaut sich nun sehr interessiert und mit Kennermiene jedes einzelne der Buddha Amulette an, die in einer Glasvitrine ausgestellt sind und zum Verkauf angeboten werden.

Verkauf ist vielleicht nicht das richtige Wort, denn unser Short Time Buddha hat gelernt, dass zumindest Buddha Statuen im allgemeinen Thaisprachgebrauch nicht verkauft werden, sondern nur für eine Gebühr im Sinne einer Spende verliehen oder in Obhut gegeben werden. Wie genau das mit Amuletten ist, die in einem Wat verkauft werden, weiß er nicht.

Der junge Mann unterhält sich mit Anand und stellt viele Fragen, die Insider Wissen verraten. Er entscheidet sich nach wohlüberlegter Zeit für sieben der Amulette und bezahlt umgerechnet mehr als 300 Mark dafür, was für einen durchschnittlich verdienenden Thai nicht unerheblich ist. Anand wickelt das Geschäft stoisch ab, schreibt etwas in Thai auf verschiedene Zettel, die er einzeln um die Amulette wickelt, und man kann ihm nicht ansehen, ob er sich über die Einnahmen für das Wat freut oder nicht. Aber er wirkt nie unfreundlich, eher lässig aufmerksam und konzentriert. James Dean hätte von ihm noch ein paar Dinge, was cool sein betrifft, lernen können.

Als der junge Mann wieder davonfährt, ist unser Short Time Buddha sehr neugierig. In seinen Büchern hat er über Arahants gelesen. Das sind Menschen, die die Wahrheit gefunden und das ewige Rad der Geburt, des Lebens, des Krankwerdens, des Todes und der Wiedergeburt, Samsara, fast zum Stillstand gebracht haben. Haben wir etwa einen im Haus?

Er erfährt nun, dass die Mumie einmal ein Arahant war und deswegen besondere Verehrung genießt. Außerdem war er der Vorgänger des jetzigen Ajans. Anand ist ganz begeistert, dass unser Short Time Buddha dies versteht. Schaut ihn aber trotzdem mit freundlich zweifelndem Blick an.

Er schläft also nachts neben dem verwesenden Körper eines Arahant, was ihm besondere Ehrfurcht aber absolut kein Unbehagen einflößt. Obwohl er davon ausgeht, dass der Ajan mit der Zuweisung der Schlafstelle gleich in der Nähe der Mumie etwas besonderes für unseren Short Time Buddha meint. Seine insgeheim etwas zynischen Gedanken lassen sich jedoch nicht völlig unterdrücken. Ist dies vielleicht ein Test? Aber ein Test für was? Hat er ihn bestanden, indem er keine zitternden Widerworte gab, als er sich das erste mal auf seinem Nachtlager neben der Leiche niederließ? Oder was bedeutet dies alles?   

Um 11 trommeln die Tempelboys zur letzten Mahlzeit des Tages. Dieses mal mit einem Anflug von Led Zeppelin, wahrscheinlich weil der Ajan nicht da ist, und sie dem Farang Buddha eine Freude machen wollen. Unser Short Time Buddha lässt sie wieder aus. So dürfen sich Yung, Lek und der Gehilfe ohne lange zu warten auf die Köstlichkeiten stürzen und sogar die Katze bekommt ihren Teil hinter dem Haus. Er ist auch gar nicht hungrig und raucht stattdessen eine Zigarette vor der Türe. Ein etwas anderer Sonntagvormittag geht zu Ende und er gewöhnt sich langsam an diesen Ort. Er fühlt sich schon fast heimisch, denn jeden Tag um 11 Uhr erklingt die Schiessbude im dumpfen Rock Rhythmus und Anand ist der coolste Typ, den er je getroffen hat. Frauen versorgen ihn und der Ajan hat während seiner Abwesenheit volles Vertrauen in die Stellvertreterrolle des Short Time Buddhas zusammen mit Anand.  Nicht schlecht eigentlich...
 
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crazyandy

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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #22 am: 10. Januar 2009, 16:30:25 »


Es ist also wie in so vielen Glaubensrichtungen auch bei den Buddhisten, das die Frauen "weniger wert sind" als die Männer, aber seltsamerweise wie gerade in der Christlichen Welt die Frauen es sind die den Glauben hoch und am "leben" erhalten.
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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #23 am: 11. Januar 2009, 14:35:53 »

@crazyandy,

die Frauenfrage im Buddhismus ist sicher eine berechtigte. Die Sangha in Thailand stellt sich da überaus stur, was die Ordination von Frauen betrifft. Dazu bedarf es mindestens 5 Mönche, die bereit wären, diese Zeremonie durchzuführen. Bisher ein Ding der Unmöglichkeit, diese in Thailand zu finden. Deswegen begeben sich manche Frauen nach Taiwan oder Sri Lanka und lassen sich dort ordinieren.

Es gibt mindestens zwei solcher Damen in Thailand. Absolute Power Frauen in brauner Robe, die sich nichts vormachen lassen. Die Namen sind mir leider gerade entfallen. Man findet sie sogar im Internet.

Von Buddha wird berichtet, einmal folgendes Zwiegespräch mit Ananda, seinem Lieblingsmönch geführt zu haben...

Wie sollen wir uns gegenüber Frauen verhalten, Ehrwürdiger?

Sie nicht ansehen, Ananda.

Aber wenn wir sie sehen, was sollen wir tun?

Nicht mit ihnen sprechen, Ananda.

Wenn sie uns aber ansprechen, Herr, was sollen wir dann tun?


Auf der Hut bleiben, Ananda.   ;D  :D  :D 


Nachtrag: Dr.Chatsumarn Kabilsingh ist die ordinierte Dame in Thailand

Hier ein Interview mit ihr: http://www.share-international.org/ARCHIVES/social-justice/sj_mlhelping.htm

« Letzte Änderung: 11. Januar 2009, 15:02:38 von Profuuu »
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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #24 am: 11. Januar 2009, 15:12:00 »

Sonntag


Der Nachmittag

Um 12 Uhr schreiten zwei junge Frauen mit leichtem Watschelgang, die Fußspitzen eine Idee zu weit nach außen gestellt, in den Besucherraum herein, verbeugen sich in perfekt eingeübter Haltung auf den Knien dreimal mit der Stirn bis auf den Boden, ihre Füße wieder absolut parallel nebeneinander, vor unserem Short Time Buddha und sprechen ihn auf Thai an. Aha, die buddhistische Konzentration auf das augenblickliche Geschehen funktioniert schon gar nicht schlecht. Es ist zwar nicht so, dass er sich noch nie über diesen typischen Entengang amüsiert hätte, aber in seiner ungewöhnlichen Lebensumgebung fallen ihm die für ihn schon längst selbstverständlichen Angewohnheiten der Dorfschönheiten wieder ganz frisch aus neue auf.

Er sagt auf Thai, dass er sie nicht versteht, „mae kau chai kap, pom put thai nit noi“ und sie reden munter auf Thai weiter, da der Farang ja offensichtlich doch Thai spricht. Sie sagen, dass sie unbedingt den Ajan sprechen müssen. Der ist noch nicht von seinem Ausflug zurück, aber er versteht, dass es sich um Buddhastatuen handelt, die heute schon geliefert werden und die er unbedingt heute schon gebührlich und mit dem nötigen Respekt eines Ajans entgegen nehmen soll. Er erwidert den jungen Frauen, dass sie am besten mit den Tempelboys reden, die irgendwo auf dem Wat Gelände herum schwirren. Sie sind zufrieden, verbeugen sich wieder dreimal auf die bekannte Art und schaukeln, wieder mit nach außen gestellten Fußspitzen, von dannen. Unser Short Time Buddha kommt sich sehr offiziell vor, hat er doch den Ajan in seinem Besucherraum würdig vertreten. Aber er kann nicht aufhören, sich zu wundern, mit welcher Selbstverständlichkeit ihm der Status eines Buddhas eingeräumt wird. Den Kniefall hatte er bisher nur in schnieken Hotels erfahren, nämlich dann, wenn eine der Götterfeen ihm den Black Nam servierte.

Nun erinnert er sich auch an den Hintergrund der Geschichte von den neuen Buddhastatuen. Seine Jetzt-Nicht-Frau hatte ihm nämlich vorher erzählt, dass kürzlich eine Buddhastatue aus der Sala, dem nach drei Seiten offenen und für die Dorfgemeinschaft jederzeit verfügbaren Festraum, gestohlen wurde. Das ist wirklich etwas, was man in Thailand nicht erwartet. Die Nähe von Pattaya und Naklua scheinen dieses Tabu relativiert zu haben. Aber es sei nicht verschwiegen, dass auch das ländliche Thailand, fernab vom Touristenstrom, gelegentlich nicht von diesem unschönen Verhalten verschont bleibt. Der Respekt vor Buddha sitzt zwar tief, aber die Gier, Tanha, scheint auf dem Vormarsch zu sein.
 
Die Chefin und seine Jetzt-Nicht-Frau haben untereinander ausgemacht, eine neue Statue zu spenden. Sie teilen sich die Kosten und, wie so üblich, haben auch einige ärmere Bekannte ein oder zwei Mark dazu beigesteuert. Auf diese Art kommen so viele Leute wie möglich in den Genuss des Segens, den sie durch die Spende erhalten, ganz unabhängig von der Höhe des Betrages. Die Geste alleine zählt. Tatabsichten sind entscheidend.

In diesem Zusammenhang möchte unser Short Time Buddha eine kleine Begebenheit schildern, die der Wahrheit entspricht und einem seiner früheren Nachbarn Mitte der 80ziger Jahre wirklich geschah. Dieser Nachbar kam eines Tages nicht mehr Herr all seiner Sinne und in froher Erwartung in der Begleitung einer Service Dame nach Hause. Während er das Hong Nam, Badezimmer, zwecks Erleichterung aufsuchte, griff  seine Auserwählte zur Remote Control des Fernsehers, aber völlig vergeblich. Denn anstatt einer trickreichen chinesischen Kampfszene oder einer zum Konsum verführerisch anregenden Thai Soap Opera wurde sie eines Zahnputzbechers mit drei verglühten Räucherstäbchen darin gewahr, die natürlich nicht auf den Druck auf die elektronische Taste reagierten. Wer jetzt glaubt, die Kamoys, Diebe, hätten sich auf diese Art und Weise beim Besitzer der Flimmerkiste entschuldigt, irrt wahrscheinlich gewaltig. Vielmehr baten die Kamoys die Geister des Landes, auf dem das Haus steht, um Vergebung. Der aktuelle Besitzer ist völlig austauschbar und unwichtig. Die wechseln, aber die Geister bleiben und der ein oder andere könnte ja den Fernseher vermissen und dadurch sehr ungehalten werden, auch über die Grenzen dieses Grundstücks hinaus. Ein in der Thaikultur versierter Nick Knatterton oder Sherlok Holmes würde sagen: kombiniere, die Diebe sind aus der Nähe und man wird sie an ihrem Angstschweiß erkennen. Im buddhistischen Sinne haben die Diebe mehrere wesentliche Fehler begangen. Natürlich den Fehler der Entwendung des Apparates, sie nahmen etwas, das ihnen nicht gegeben wurde, aber auch den Fehler der Nachlässigkeit. Sie haben nämlich die Remote Control vergessen. Unser Short Time Buddha fragt sich nach all den angelesenen buddhistischen Weisheiten, was denn nun schwerer wiegt.

Um 2 Uhr Nachmittags kommt ein sehr dünner älterer Buddha herein und spricht unseren Short Time Buddha wie einen alten Freund an. Sein Englisch ist ausgezeichnet und er sagt, dass er aus einem anderen Wat, nicht weit von hier,  mit dem Namen Wat Nongklat Noi kommt. Es ist das Wat des hiesigen Provinzabtes und der Besucher sagt, dass er interessiert zugeschaut hätte, als er vergangenen Freitag zum Short Time Buddha befördert wurde. Es hätte sich nämlich herumgesprochen, dass unser Short Time Buddha ein studierter Mensch sei, der auf dem besten Wege ist, die Lehre Buddhas zu verstehen. Er hätte ihm das von Anfang an angesehen und hätte doch gerne mal die Wunderbücher gesehen, die unser Short Time Buddha studiert, denn die müssen ja äußerst wertvoll und nützlich sein. Er wäre gerade selber dabei, seine Kenntnisse der Buddhistischen Lehre zu vertiefen und hofft, dass unser Short Time Buddha ihm mit seinen Büchern weiterhelfen könne.

Unser Short Time Buddha ist natürlich total aus dem Häuschen, wieder gänzlich dem Samsara und dem begleiteten Dhukka verfallen, fern jeglicher Erleuchtung, fühlt sich geehrt, kann gar nicht fassen, wie ihm geschieht. Da besucht ihn also ein Thai-Buddha, der schon viele Jahre in verschiedenen Wats verbracht hat und fragt ihn um Rat. Das ist einfach unglaublich und er ist sehr gerührt. Die Illusion seines Ichs nimmt wieder gefestigte permanente Formen an, und er reicht seinem Besucher die Bücher. Der zeigt an einem ganz besonderes Interesse: „What the Buddha Taught“, von Dr. Rahula. Damit hat er zugestandenermaßen den besten Griff getan. So unbeschlagen scheint er nun doch nicht zu sein. Der Besucher erzählt, dass einer seiner Freunde einmal in Berlin war und dort ein Thai Wat besucht hat. Ebenso gäbe es ein Wat in München. Ob ich die kennen würde.

Dann fordert er unseren Short Time Buddha auf, während seiner Studien die Thaikultur nicht zu vergessen, sie unbedingt mit einzubeziehen. Jedes Land hätte seinen eigenen charakteristischen Stil in der Auffassung und Durchführung des Buddhismus, der aus der Tradition des jeweiligen Umgebung hervorgehe. Er solle sich aber von dem in Thailand weit verbreiteten Firlefanz, den so manche Buddhas für die Schäflein veranstalten, nicht verwirren lassen. Ihnen und den unschuldigen Laienseelen sei es verziehen. Unser Short Time Buddha muss das erste mal als Buddha herzlich lachen. Offensichtlich sieht er sehr wohlwollend dabei aus, denn sein Besucher teilt seine ausgelassene Freude. Es ist herrlich. Den möchte er als Freund in seiner jetzigen Situation haben. Dann käme der Sanuk auch nicht zu kurz.   

Als der Besucher nach einiger angenehmer Fachsimpelei wieder geht, nimmt sich unser Short Time Buddha vor, das Buch noch einmal zu kaufen um es ihm dann zu schenken. Sein eigenes Buch möchte er gerne behalten, denn er weiß, dass er längst nicht alles verstanden hat, und er es wohl einige male mehr lesen muss.

Draußen fegen einige ältere Buddhas den Staub von den Stufen zum Bhot und die Blätter unter den Bäumen zusammen. Das dient der Konzentration. Unser Short Time Buddha macht sich auch wieder nützlich und schaufelt im Garten Erde in die Löcher unter den neu gepflanzten Bäumen. Die Ameisen schwirren zwar aufgeregt umher, nachdem ihre Nester den Weg aller Vergänglichkeit gegangen sind, aber er zielt mit der Schaufel wenigstens nicht auf ihr Genick und hat auch keine bösen Absichten im Sinn. Wie jeden Nachmittag überkommt ihn dann die Langeweile, denn ihm fehlt die Geselligkeit des Gespräches. Er glaubt auch, den Tagesablauf zu verstehen und erwartet nicht, dass wesentlich neues auf ihn zukommen wird.

Es hat angefangen zu regnen und es wird angenehm kühl. Der Ventilator ist ausgeschaltet. Unser Short Time Buddha hat es sich auf dem abgewetzten Ledersessel gemütlich gemacht und döst alleine vor sich hin. Er hat sich schon ein wenig an seine Glatze gewöhnt und wenn er seine Hand darauf legt, fühlt es sich nicht mehr so ungewöhnlich an, eher wie ein Zweitagebart. Er freut sich schon auf den abendlichen Gesang und die Meditation im Bhot.
 
Plötzlich kommt jemand herein und geht schnurstracks auf den Sarkophag zu, ohne mit irgendwelchen Gesten seine Ehrerbietung zu erweisen. Er studiert sehr aufmerksam den Inhalt am Kopfende und unser Short Time Buddha weiß nicht, was er davon halten soll. Kurz darauf geht dieser Besucher wieder grusslos.


Neugierig geworden sieht er sich den Inhalt selber mal genauer an. Es ist nicht leicht, nahe heranzukommen, da der Sarkophag von vielen großen Blumenvasen mit handgefertigten Stoffblumen umstellt ist. Darin liegt ein ausgemergelter Körper, bekleidet in einem Festgewand. Seine knorrigen Hände über der Brust zusammengelegt. Es müffelt nicht. Er bemerkt, dass der Kopf der Mumie von dichtem Schimmel bewachsen ist, der schon wie Moos wuchert. Nun wird ihm auch klar, warum die beiden Ventilatoren, die auf den Sarkophag gerichtet sind, Tag und Nacht laufen. Aber einen Kühlschrank ersetzen die nicht. Der Besucher war wohl ein Konservator, der sich den Schaden angesehen hat Die scheinen einer besonderen Sorte anzugehören. Ein lebender Buddha hat anscheinend für die keine Bedeutung.

Unserm Short Time Buddha geht wiedermal dieses „ich-als-Illusion“ durch den Sinn und er erinnert sich an ein Zwiegespräch, welches Buddha mit seinen Jüngern in dieser typischen Frage- und Antwortform geführt haben soll.

Was denkt ihr, Mönche, ist der Körper beständig oder unbeständig?

Unbeständig, Herr.

Sind Empfindungen, Wahrnehmungen, Geistesregungen, Bewusstsein beständig oder unbeständig?

Unbeständig, Herr.

Was aber unbeständig ist, ist das leidhaft oder freudvoll?

Leidhaft, Herr.

Was aber unbeständig, leidhaft, dem Gesetz des Vergehens
unterworfen ist, ist es recht, das anzusehen als „Dies ist mein,
dies bin ich, dies ist mein Selbst“?

Gewiss nicht Herr.


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hmh.

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Frauenfrage im Buddhismus
« Antwort #25 am: 11. Januar 2009, 20:04:05 »



  Frauenfrage im Buddhismus

Das hier gerne unter den Teppich gekehrte Problem der nicht vorhandenen Gleichberechtigung der Frau in der buddhistischen Gemeinschaft wird nur selten diskutiert. Am 20. März 2005 erwischte ich aber einmal so eine Sternstunde. An dem Tag sendete Radio Thailand im Abendprogramm seiner englischsprachigen UKW-Sender in Bangkok und auf Kurzwelle eine hochinteressante Diskussion thailändischer und ceylonesischer Mönche, an der auch zwei buddhistische Nonnen teilnahmen, davon eine Thai. Ich weiß nicht, ob das eine der von Dir genannten Damen war; es war aber auf jeden Fall eine hochgebildete Powerfrau, die offenbar lange im Ausland war und im Gegensatz zu ihren Glaubensbrüdern auch ein elegantes Englisch sprach.

Es ging zwar nur ganz allgemein um Frauen im Buddhismus. Doch gegen Ende kam das Gespräch auf Thailand, wobei ich das Bemühen der Mönche aus Ceylon (wo Nonnen im Sangha gleichberechtigt sind und auch lehren dürfen) heraushörte war, den thailändischen Brüdern höflicherweise möglichst nicht zu viel abzuverlangen.

Aber das Schlußwort eines frommen Mannes aus Sri Lanka hatte es gleich mehrfach in sich (das war dann der Grund, warum ich mir das damals gemerkt, wie von der Tarantel gebissen aufsprang, meinen Bleistift packte, und zumindest das Schlußwort schnell noch auf irgendeinen Zettel nachstenographierte):

Zitat
Überall in der Welt kann man gute und schlechte Gesellschaften daran erkennen und unterscheiden, ob die Menschen aller Rassen und selbstverständlich auch Mann und Frau diesselben Rechte genießen und denselben Zugang zu Bildung und religiöser Erkenntnis haben.

Das gilt selbstverständlich auch für uns als buddhistische Gemeinschaft.
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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #26 am: 11. Januar 2009, 20:47:41 »

Das war sie höchstwahrscheinlich, hmh.

Die zweite Thai-Bikshuni wäre mittlerweile wohl über 100 Jahre alt und weilt nicht mehr unter den Lebenden.

Diese Frauen zeichnen sich durch einen hohen Kampfgeist aus, gepaart mit subtilen Strategien in der Thaigesellschaft und setzen sich allgemein für die Rechte der Frauen in Machogesellschaften ein.

Dieser fromme Mann in Sri Lanka hat mal was verstanden und gehört zu den denkenden Mönchen, die sich die Botschaft Buddhas des kritischen Hinterfragens zu Herzen genommen haben. Eine Spezies, die man heute fast nur noch in Sri Lanka und Burma findet. 
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crazyandy

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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #27 am: 11. Januar 2009, 21:03:50 »


Es war gestern ich habe gerade im TIP gelesen, als ich im Fernsehen gehört habe das der Klerus die Antibabypille immernoch "verdammt", und männliche Zeugungunfähigkeit mit dem Trinkwasser bzw dem darin enthaltenen Östrogenspiegel verantwortlich macht. Die meisten von uns Essen doch wahrscheinlich gerne was wir von den Frauen gekocht bekommen, und bei uns Profumo nachzulesen auch die Buddhas sehr wahrscheinlich auch Muslimische Gelehrte, und doch hält sich seit etlichen Jahrtausenden das Stigma der "unsauberen Frau" sicherlich geschürt von der "Geistlichkeit" aber eben doch so was von überholt in unserer Zeit.

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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #28 am: 14. Januar 2009, 11:54:59 »

Sonntag

Der Rest des Nachmittages

Unser Short Time Buddha geht vor die Türe und raucht eine Zigarette. Zwei Autos fahren in das Wat und halten genau vor ihm. Es steigen zwei junge Thaifamilien mit ihren Kindern aus. Die Männer tragen Goldketten um Hals und Handgelenk, Haare gebügelt und geölt. Die jungen Frauen sind fein zurechtgemacht. Short Time Buddha ertappt sich bei dem Gedanken: vielleicht etwas zu grell geschminkt. An den Nummernschildern erkennt er, dass sie aus Bangkok kommen. Sie mustern ihn und nach deutlichem Zögern erweisen sie ihm, immer noch unsicher, mit einem Wai die Ehrerbietung.

Sie nehmen einfach den gesamten Besucherraum in Beschlag oder gar Besitz. So wie es Touristen tun. Das fällt besonders dann auf, wenn man wie unser Short Time Buddha an solch einem Ort quasi zu Hause ist. Ihm kommt das gebaren der Besucher sogar recht arrogant vor. Eine Frau betet vor dem Hauptaltar, die andere vor dem Sarkophag. Dann vertauschen sie die Plätze. Die Kinder sind angenehm diszipliniert und machen keinen Unsinn, nicht zuletzt, weil die Mütter sich trotz Vertiefung in ihre Rituale sie lieb aber konsequent im Zaume halten. Die Männer sagen sich, das ist alles Frauensache, schauen sich im ganzen Raum um, inspizieren jede Ecke und interessieren sich besonders für die Glasvitrine mit all den Amuletten und anderen Gegenständen, die zum Verkauf ausliegen. Nachdem die Damen ihre Routine beendet haben, stehen sie alle davor.

Anand kommt herein und ist bereit sie zu bedienen, falls sie etwas kaufen möchten. Die Frauen schauen immer wieder verstohlen auf unseren Short Time Buddha, der auf seiner Bank sitzt und alles fasziniert beobachtet. Der macht sich seine Gedanken. Ihm kommen nämlich diese Leute mit ihren Goldketten und Schminke im Gesicht äußerst unplatziert vor. Ihre Aufgedonnertheit ist ihm sogar unangenehm.

Da ist es schon wieder. Dieses leichte Unbehagen und das Gefühl, das diese Leute völlig fehl am Platze sind. Bisher entsprach alles seinen romantischen Vorstellungen. Ein Wat auf dem Lande umgeben von kleinen Siedlungen mit einfachen Hütten und Menschen. Geregelter Tagesablauf mit viel Leerlauf. Nach außen hin anspruchslos, aber ermutigend für die Besinnung nach innen. Und nun auf einmal diese Leute. 

Ein Blick auf Anand, der wie immer mit stoischer Ruhe und Gleichmäßigkeit im Gemüt den Gästen etwas über die Amulette und die Mumie des Aharants erzählt ohne sich zu ereifern, lässt unseren Short Time Buddha innehalten in seinen unangenehmen Gedankengängen. Das bisher Gelesene kommt ihm in den Sinn. Demnach ist alles bedingt, hat eine Ursache und ist Teil einer unendlichen Kausalitätskette.

So wendet er sich der Bedingtheit seiner trüben Stimmung zu. Worin liegt die Ursache? 

Und bald wird ihm klar, dass er ja nun auf der anderen Seite ist. Er lebt in diesem Wat und versucht sein Bestes, sich wie ein Buddha zu benehmen. Er hat sich der Bescheidenheit und dem Studium verschrieben. Er nimmt ernst, was er über den Buddhismus aus seinen Büchern erfährt. Die Besucher aber sind Touristen. Der Arahant im Sarkophag hat sich bis zu ihnen herumgesprochen und es ist natürlich ihr gutes Recht in ihrer Sonntagskleidung mit Schmuck und Schminke auf einen Besuch hereinzukommen. Außerdem ist der Besucherraum des Ajans genau zu diesem Zweck da. Das stimmt schon mal versöhnlich.

Die wahre Ursache für sein Unbehagen liegt aber darin, dass er sich gestört fühlt. Gestört in seiner kleinen Welt, die er hier für sich selber zurechtgebastelt hat und am liebsten mit Mauern umgeben möchte. Das ist ja unglaublich. Da hat er nun so viel über leidvolle Erfahrungen, stetiges Verlangen, Gier und das unbeständige „ich“ gelesen und trotzdem schwingt sein Ego das Tanzbein auf dem Kopfe Buddhas. Offensichtlich gibt es noch viel zu tun. Intellektuelle Einsichten sind noch lange nicht in seine Gefühlswelt eingedrungen, geschweige denn, üben Kontrolle über diese aus. Noch lenkt seine anerzogene ewige Seele sein Selbstbewusstsein.   

So schließt unser Short Time Buddha zunächst mal Frieden mit der Situation und ist ein bisschen stolz darauf, dass er einen Ratschlag Buddhas befolgt hat, indem er über die Bedingtheit seines Gemützustandes reflektiert hat. Er ist seinem Unwohlsein auf den Grund gegangen und hat seine samsarische mit Dhukka behaftete Verblendetheit erkannt.

Auch diese Besucher kaufen ein paar Amulette und Anand wickelt wie immer das Geschäft in stoischer Ruhe ab, ohne eine Gefühlsregung zu zeigen. Als die Gäste das Wat verlassen, grinst Anand zu unserem Short Time Buddha hinüber und der grinst erleichtert zurück...
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Re: Der Short Time Buddha
« Antwort #29 am: 16. Januar 2009, 11:37:15 »

Sonntag


Der Abend


Es ist nun halb Fünf am Nachmittag. Unser Short Time Buddha duscht im Thaistil und Anand hilft ihm beim Anlegen der vollständigen Robe. Er geht schon voraus zum Bhot und macht ein paar Streckübungen, in der Hoffnung, dass ihm der Rücken nicht zu sehr während der abendlichen Andacht schmerzt. Sie sind nur zu viert und die Thai Buddhas üben hauptsächlich ihren Pali-Gesang ein. Keine Meditation. Der Ajan ist nicht dabei. Starke Rückenschmerzen. Nach genau 45 Minuten ist alles vorbei.

Als sie das Bhot wieder verlassen, steigt gerade der Ajan aus einem Pickup und schenkt unserm Short Time Buddha kalten Milchkaffee in der Dose. Eine neue Errungenschaft der Konsumgesellschaft. Der Ajan sagt lachend „aroi die maak“, was in diesem Zusammenhang „gut und lecker“ heißt.

Irgendwie war unser Short Time Buddha von der Abendandacht nicht besonders beeindruckt, so entschließt er sich, noch einmal alleine in das Bhot zu gehen um zu meditieren. Er macht einige Fensterläden auf, um das letzte Licht des Tages hereinzulassen und für erfrischenden Durchzug zu sorgen. Er zündet zwei Kerzen an und kniet sich mutterseelen alleine vor die riesige Buddhastatue, verbeugt sich dreimal auf die Art und Weise, die wir schon kennen und setzt sich dann in den Schneidersitz mit beiden Händen im Schoß und beginnt zu meditieren.

Es dauert aber ein Weilchen, bevor er sich vertieft, denn er ist sehr beeindruckt von seiner augenblicklichen Situation. Ganz alleine in dem großen Bhot mit dem himmelhohen Buddha. Er bestimmt die Zeremonie von Anfang bis Ende selber und niemand stört ihn. So etwas kannte er bisher nur als Tourist inmitten vieler Menschen, wo er nicht besonders auffiel.

Nun aber fühlt er eine gewisse Verantwortung, alles richtig zu machen. Seine Robe verleiht ihm Sicherheit, seine Verbeugungen sind Routine und die Meditationshaltung einstudiert. Es ist wie ein erfüllter Traum, von dem er nichts wusste; das gesamte Bhot für sich alleine, die Buddha Statue blickt ausschließlich auf ihn.

Draußen kehrt die Dämmerungsruhe ein, diese gedämpfte Übergangszeit, die erst mit der Nacht wieder der normalen Lautstärke weicht. Er versucht die „Kommt und Geht“ Methode, aber es gelingt ihm nicht, seine Gedanken und Sinneseindrücke mit Gelassenheit zu betrachten und sie gleich wieder fallen zu lassen. So versinkt er in einige Betrachtungen über kürzlich gelerntes und sucht sich ausgerechnet das Thema des Ichs aus. Buddha lehnt den Begriff des permanenten Selbst völlig ab und lehrt, dass das Ich eine Illusion wäre. Vereinfacht ausgedrückt sagt er, dass ein Mensch aus Fünf Komponenten besteht, die ihrerseits Unterkomponenten haben. Dieses sind die Fünf Aggregate oder Aneignungsgruppen.

Es bedarf einer wissenschaftlichen Abhandlung, um diesem Teil der Lehre gerecht zu werden. Da sie den Rahmen dieser kleinen Geschichte sprengen würde, verzichtet der Autor hier auf eine eingehende Betrachtung. Auch muss er zugeben, dass er noch nicht in der Lage wäre, im Detail sinnvoll darüber zu schreiben. Im wesentlich später geschriebenem Buddhateil dieser Episodenreihe wagt der Autor allerdings eine ausführliche Erklärung dieses sehr wichtigen Teiles der Lehre Buddhas.

Diese fünf Aggregate, bestehend aus Sinneseindrücken, dem Bewusstwerden dieser selben, die verstandesmässige Reflektion darüber, etc. stehen in einer sich dauernd verändernden kausalen Wechselbeziehung, sodass eine Person sich von Moment zu Moment stetig verändert und nie die gleiche bleibt. Buddha vergleicht dies mit einem Fluss, der der gleiche zu bleiben scheint, aber stetig dahinfließt und deswegen nie der selbe ist. Manchmal glaubt unser Short Time Buddha, dass er der Sache ziemlich nahe kommt, besonders wenn er das Thema über die Vergänglichkeit zu Hilfe nimmt. Aber dann entschwindet ihm das Verständnis wieder, und er fängt wieder von vorne an.

Und siehe da, die Rückenschmerzen sind wie weggeblasen. Die konzentrierte und innige Betrachtung eines Themas lässt ihn alles andere vergessen. Auch die vielen winzigen Stechfliegen, die besonders gerne in der Abenddämmerung herum schwirren, stören ihn nicht mehr, lassen sogar davon ab, ihn zu pieksen. Hunderte umschwirren ihn in Scharen, aber keine einzige macht Anstalten, ihn zu necken. Für einen Beobachter scheint er in tiefster Meditation versunken. Fast eine Stunde sitzt er dort alleine und rührt sich nicht von der Stelle. Nur einmal schien es ihm, dass jemand zur Westtüre seitlich hinter der Buddhastatue hineinkam, kurz nach dem Rechten sah und sich sogleich wieder leise entfernte. Er hatte sich wohl gewundert, warum die Fensterläden im Haupttempel wieder offen standen. 

Draußen ist es schon dunkel geworden, und unser Short Time Buddha kennt nun eine dritte Art zu meditieren: die Konzentration auf ein Thema, die Lehre Buddhas. Er weiß jetzt, dass er, nachdem er übermorgen das Wat verlassen hat, selbstständig weitermachen kann. Und er weiß nun auch, was er bei seinen nächsten Besuchen in den thailändischen Wats beten wird. Er wird sich ein Thema der buddhistischen Lehre vornehmen und darüber nachdenken. Er wird sich wünschen, der „Wahrheit“ ein kleines Stück näher zu kommen. Wenn er anderen etwas Gutes tun will, wird er ihnen das gleiche wünschen. Und er wird vor allen Dingen nicht mehr um mehr Glück, Gesundheit, Geld usw. beten. Denn das weiß er nun ganz bestimmt: Buddha ist nicht die rechte Adresse dafür. Er lehrt das Entrinnen von Samsara und Dukkha, welches durch die Überwindung von Gier und Durst nach mehr erreicht werden kann.

Zufrieden verbeugt er sich dreimal zum Abschied, löscht die Kerzen und schließt die Fensterläden. Völlig entspannt geht er zurück in den Besucherraum des Ajans, wo der selbst, Anand und ein Gast in Zivil versammelt sind. Der Gast redet viel und die anderen haben ein wohlwollendes Grinsen im Gesicht. Unser Short Time Buddha gesellt sich dazu, da der Gast auch etwas Englisch spricht. Nun versteht er das Grinsen der anderen, denn der Gast ist leicht angetrunken, wie er am Geruch seiner Fahne erkennt. Das wird ihm in einem Buddhistischen Wat leicht vergeben und der Ajan und Anand machen nicht den Anschein, dass sie irgendwie verärgert sind. Im Gegenteil. Es wird eine recht lustige Unterhaltung.

Als der Gast wieder geht, sitzen die drei noch etwas zusammen. Die Verständigung ist recht und schlecht und auch der Ajan, der außerhalb der Routine immer etwas Abstand gehalten hat, wird zutraulich und nimmt die Bücher von unserem Short Time Buddha prüfend in die Hand. Anand erklärt noch einmal, dass die Mumie in dem Sarkophag ein Arahant sei, und der Ajan ist sichtlich davon angetan, dass der Farang die Bedeutung dieses Ausdruckes versteht. Anand erzählt auch, dass der Arahant der vorherige Ajan war, der vor zwei Monaten verstorben ist, und dass die Mumie drei Monate dort aufgebahrt bleibt, bis sie dann schließlich verbrannt wird.

Der Ajahn hat wohl Anand gefragt, ob er wisse, was des Farangs Beruf sei, denn Anand erwähnt das Wort Computer einige male. Der Abt schaut unserem Short Time Buddha in die Augen und nickt ein paar mal anerkennend. Dann sagt Anand mit einem Lachen im Gesicht: INTERNET, INTERNET, klatscht wie ein kleines Kind in seine Hände und hat seine helle Freude daran. Dieser Begriff ist also schon bis hierher vorgedrungen.

So wurde es noch ein gemütlicher Abend und unser Short Time Buddha fühlt sich angenommen und als Mitglied der Gemeinschaft. Er ist voller Dankbarkeit für die schlichte und selbstverständliche Gastfreundschaft, die ihm hier entgegengebracht wird.

Um 10 Uhr abends geht das Licht aus. Das Bett ist nicht mehr so hart, wie während der ersten zwei Nächte. Allerdings dauert es noch ein Weilchen, bis er einschläft. Durch den Regen tagsüber sind heute Nacht die Frösche besonders munter und veranstalten einen gehörigen Lärm. Der Abt hat es sich an seinem Stammplatz seitlich vor dem Altar gemütlich gemacht. Er schnauft ein paar mal und hat wohl eine leichte Erkältung. Dann murmelt er ein kurzes Gebet mit sanfter kindlicher Stimme und es ist Ruhe im Besucherraum.

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