Fünf Gründe, die für den US-Präsidenten sprechen
Wolfram Weimer / 26.05.2017
Für die meisten Europäer ist der Amtsantritt von Donald Trump in etwa so erfreulich wie Reizhusten. Seine Beliebtheit ist diesseits des Atlantiks im gefühlten Mittel von Zappel-Philipp und Räuber Hotzenplotz. Man erwartet von ihm im besseren Fall alberne Eitelkeit und Sprunghaftigkeit, im schlechteren großen, nationalistischen Ärger. Von der Autoindustrie bis zu Nato-Generälen, von Klimaschützern bis zu Kulturschaffenden gibt man sich hell entsetzt.
Nun wirkt mancher Trump-Pessimismus zuweilen wie der hungernde Teil einer untergehenden Ideologie – vieles an der rasenden Kritik klingt wie linkes Selbstmitleid.
1. Zwischen den USA und Russland bahnt sich ein Ende der Eiszeit an. Trump und Putin haben signalisiert, dass sie die angespannten Beziehungen auf eine neue, partnerschaftliche Grundlage stellen wollen. Auch wenn uns Europäer das mulmige Gefühl beschleicht, dass sich zwei Kirmeskerle damit die Welt wie einen Jahrmarkt aufteilen könnten, so ist die Aussicht auf eine neue Ost-West-Entspannung doch prinzipiell positiv. Diese Beziehungs-Achse bleibt nun einmal für den Welt – und insbesondere Europafrieden alles entscheidend. Nicht nur weil mit einer Aussöhnung ein globales Wettrüsten verhindert würde. Wenn Washington und Moskau fortan bei wichtigen geopolitischen Krisen an einem Strang zögen, würden viele Konfliktlagen entschärft. Auch in Europa haben wir ein Interesse daran, dass die Ukraine-Krise oder der Syrienkrieg nicht weiter eskalieren, sondern zu einer friedlichen Lösung führen.
2. Die Chance auf ein Ende des Syrien-und Irakkrieges steigt mit der Amtsübernahme Trumps. Der designierte Präsident hat angekündigt, mit Russland, der Türkei und Iran einen möglichst raschen, umfassenden Friedensdeal herbeizuführen. Er legt – anders als die Obama-Regierung – keinen Wert auf den Sturz Assads. Trump zielt vielmehr auf Stabilität und die Bekämpfung des IS-Terrorismus. Trump hatte von Anfang an einen viel realistischeren Blick auf das verminte Konfliktfeld als seine Vorgänger Obama oder Bush. So sprach sich Trump erstmals 2004 und auch danach immer wieder gegen den Irakkrieg aus.
Gegenüber der „Bild“-Zeitung erklärte er noch vor wenigen Tagen den Irak-Krieg als möglicherweise schlechteste Entscheidung in der Geschichte der USA. „Wir haben da etwas entfesselt – das war, wie Steine in ein Bienennest zu werfen“, sagte er. „Und nun ist es einer der größten Schlamassel aller Zeiten.“
3. Die Entspannung mit Russland und die dadurch wahrscheinlichere Befriedung von Konflikten wie in Syrien oder der Ukraine dürfte der Wirtschaft neue Chancen eröffnen. So würde insbesondere die deutsche Wirtschaft von einem Ende der Russland-Sanktionen erheblich profitieren. Die Stabilisierung der Lage in Osteuropa und im Nahen Osten könnte zu einer Friedensdividende führen.
4. Das angekündigte US-Konjunkturprogramm dürfte die gesamte Weltwirtschaft beflügeln – so er nicht durch kurzsichtigen Protektionismus großen Flurschaden anrichtet. Trump will mit Multimilliarden-Investitionen die Infrastruktur der USA massiv modernisieren. Die Experten der OECD erwarten dadurch, dass die US-amerikanische Wirtschaftsleistung im Jahr 2018 um 3 Prozent zulegen könne. Den Impuls durch das von Trump bislang skizzierte Wirtschaftsprogramm schätzen die OECD-Experten auf 0,4 Prozentpunkte 2017 und auf rund 0,8 Prozent 2018. Davon wiederum können auch andere Länder – allen voran Deutschland, China und Japan – profitieren.
Seit Trumps Wahlsieg steigen an den Weltbörsen die Aktienkurse. Die Aussicht auf eine wirtschaftsfreundliche Politik mit niedrigen Steuern und die Konzentration des Staates auf Infrastruktur und Sicherheit anstatt auf Umverteilung und Umerziehung führt zu erheblichen Wohlstandsgewinnen rund um den Erdball. Allenthalben glauben große wie kleine Investoren, dass diese strategische Linie der Wirtschaftspolitik positiv sei und also investieren sie. Dieser Effekt wirkt wie ein Aufschwungimpuls in sich selbst. Alleine der Zehn-Prozent-Sprung der bisherigen Trump-Hausse hat im globalen Asset-Volumen der Aktien etwa sieben Billionen Dollar Zugewinn ausgemacht. Jedes Altersversorgungswerk, jeder Pensionsfonds, jedes Aktienportfolio von Sparern profitiert davon unmittelbar. Zugleich erleichtert die gut laufende Börse die Refinanzierung vieler Unternehmen und mehrt mittelbar Wohlstand für viele.
5. Trumps politischer Non-Konformismus könnte auf die verkrusteten westlichen Demokratien wie eine Frischzellenkur wirken. Das bestehende Politiksystem aus Partei- und Medienkartellen verliert in vielen Ländern an Akzeptanz. Trumps polternder Amateurstil entlarvt zuweilen die dringende Reformbedürftigkeit mancher Institution – zum Beispiel eine als oligarchisch empfundenen Kaste von Parteiberufspolitikern. Oder eine als belehrend und einseitig auftretende Medienelite. Oder ein Steuersystem, das Millionen von Menschen, insbesondere aber der wirtschaftende Mittelstand als unfair und viel zu kompliziert ansieht. Wenn Trump das Steuersystem – wie angekündigt – vereinfacht und den Mittelstand entlastet, dann würde er damit ein Vorbild für die überfällige Reform in vielen Ländern schaffen. Es kann dabei hilfreich sein, dass Trump weder Berufspolitiker ist noch zum Establishment gehört.
„Der Spiegel“ beschrieb das schon früh als eine besondere Stärke Trumps, der „fast alles unterlässt, was herkömmliche Politiker machen.“ Er benenne gnadenlos alles, was im politischen System der USA faul sei. Und seien es – wie in dieser Woche – die Nato oder die EU, die er ebenso verblüffend offen hinterfragt.
Tatsächlich bedürfen beide einer Revision. Ist die EU demokratisch genug? Wird sie von den Europäern wirklich akzeptiert? Ist sie effizient und bürgernah? Wo löst sie Probleme, wo schafft sie nur Bürokratie und Bevormundung? Ist sie ausreichend stark, um echte Probleme lösen? Droht ihr der Zerfall, weil die Europäer ihr nicht mehr trauen? Sie muss – da hat Trump einfach recht – wie die Nato neu gedacht und gebaut werden. Schützt die Nato ausreichend und zielsicher gegen Islamismus und Terrorismus? Hat sie einen Beitrag zur Befriedung der Ukraine oder Syriens geleistet? Stabilisiert sie unser Verhältnis zu Russland? Ist sie modern ausgerichtet für neue Allianzen des 21. Jahrhunderts oder doch ein Relikt des Kalten Krieges aus dem 20. Jahrhundert?
Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European.