Dieses geflügelte Wort aus Goethes Faust hat heute noch genau so seinen Wahrheitsgehalt wie zu Lebzeiten unseres Nationaldichters. Zwar werden unsere Geschicke – zumindest in den meisten Staaten – heute nicht mehr durch Herrscher von Gottes Gnaden, sondern von Politikern bestimmt, die vom Volk gewählt wurden, um die Angelegenheiten des Staates zum Wohl seiner Angehörigen zu lenken. Aber im Grunde geht es doch immer noch um die gleichen archaischen Ziele. Waren es zu Zeiten unserer Altvordern die Begierde das Land und damit die Macht des Monarchen, oder besser gesagt die Einkünfte des Herrschers zur vergrößern, geht es heute um Macht und Öl, und damit letztlich auch um finanzielle Bereicherung. Die immer laut proklamierten, und als Vorwand genutzten hehren Ziele wie Demokratie und Menschenrechte, sind dabei weitgehend nur Fassade. Im Grunde gilt für das was Politiker sagen und tun immer noch das unserem ersten Bundeskanzler zugeschriebene Bonmot “ Was schert mich mein Geschwätz von gestern”.
Das zeigt sich zum Beispiel deutlich, als die amerikanische Außenministerin Condolezza Rice - die selbst vor ein paar Jahren mit die treibende Kraft in der amerikanischen Regierung bei der Eroberung des Iraks war - jetzt den Russen vorhält, der Einmarsch in Georgien und die Mißachtung der Souveränität eines Landes, sei ein nicht zu duldender Verstoß gegen das Völkerrecht. Im Verkehr unter normalen Menschen nennt man so etwas Heuchelei oder Pharisäertum. In der großen Politik regieren politische und wirtschaftliche Interessen aber immer vor demokratischen Grundwerten.
Demokratie – das heißt Herrschaft des Volkes und nicht einer elitären Oberschicht - wird wohl in keinem Land der Welt voll praktiziert. Der Erfolg richtet sich immer nach dem Stand des politischen Bewußtseins, und der ist geschichts- und auch mentalitätsbedingt, nun mal in Thailand auf einem niedrigerem Level als in Europa. Es ist auch immer eine Frage dieses Levels, inwieweit die Mächtigen bereit sind, sich bestehenden Gesetzen zu unterwerfen. Das gilt genau so für das Land dem wir den Rücken gekehrt haben, wie für unser jetziges Gastland.
Ein wichtiger Unterschied ist aber festzuhalten. Während wir in unserer Heimat das Recht haben, alle 4 Jahre über die Leistung unserer Volksvertreter abzustimmen, und sie entweder zu bestätigen, oder in Pension zu schicken, oder auch in konkreten Fällen versuchen können über unseren Abgeordneten Einfluß zu nehmen, sind wir hier als Gäste allen Wechselfällen der Politik hilf- und auch schutzlos ausgeliefert.
Ein anderer wichtiger Punkt sei hier erwähnt. Bei der Beurteilung der politischen Entwicklung in Deutschland, können wir – zumindest wenn einiges politisches Grundwissen und Geschichtskenntnisse vorhanden sind – versuchen das Handeln der Verantwortlichen zu beurteilen, und evt. auch Vorhersagen zu wagen. Dabei können wir im Regelfalle annehmen, daß die Gedankengänge der verantwortlichen Politiker weitgehend den selben Regeln der Logik folgen, wie unsere Gehirnwindungen. Wer in Thailand lebt, muß aber wenn er hier leben und überleben will als erstes erkennen, daß hier ganz andere Gesetze der Logik, und auch der Ethik gelten als bei uns. Thais neigen auch dazu, schnell einfache Lösungen für ein Problem zu finden, ohne die Lösung durchdacht und auf mögliche Folgen überprüft zu haben, oder aber eine Entscheidung so lange aufzuschieben, bis es nicht mehr geht, bzw. zu spät ist.
Was für die Menschen gilt mit denen wir täglich zusammenleben, gilt – wenn auch zugegebenermaßen auf anderem Niveau – auch für die Politiker dieses Landes. Ein Rat, den mir ein alter Thailandexperte vor vielen Jahren einmal gab, als ich meine ersten Gehversuche hier unternahm, hat sich als sehr hilfreich erwiesen. Er lautete: Überlege in jedem Falle, was du an seiner Stelle logischerweise tun würdest, und dann stell dich darauf ein, daß dein Thai-Gegenüber genau das Gegenteil tut.
Kommen wir nun zu dem was ich mit dieser Einleitung sagen wollte: Da lese ich Tag für Tag in den Internet-Foren und auch den deutschsprachigen Zeitungen, Beurteilungen und Vorhersagen die die Thai-Politik betreffen. Dabei wird zum einen mit Farangmaßstäben gemessen und Faranglogik unterstellt, zum anderen werden die geschichtlich gewachsenen Traditionen und Handicaps, die das Denken und Handeln der Politiker hierzulande bestimmen völlig außer Betracht gelassen. Jede Gesellschaft entwickelt ihre eigene Kultur, ihre eigenen Regeln. Es hat deshalb wenig Nutzwert uns selbst zu erzählen, wie die Thais ihre Gesellschaft organisieren sollen.
Auch wenn der Erfolg ebenfalls gleich Null ist, so ist es doch vielleicht noch sinnvoller sich in Leserbriefen über die Schlaglöcher an der Beachroad in Pattaya und über die Abzockerei der Taxifahrer in Phuket zu beschweren, das betrifft den Farang direkt, ist Seelenmassage, und mag den einen oder anderen Leser dazu bringen sich etwas mehr vorzusehen. Sich aber langatmig darüber auszulassen, wer der vielen Thai-Politiker korrupt ist, mal wieder die Partei wechselt, oder irgend eine Sottise losgelassen hat, und daraus Empfehlungen oder Vorhersagen abzuleiten, ist völlig sinnlos.
Was dabei herauskommt, hat den gleichen Stellenwert, wie das was man aus dem Kaffeesatz ablesen kann. Und wer wirklich in der Lage ist, etwas tiefer in die Hintergründe des politischen Geschehens hierzulande hinein zu leuchten, der hält sich klugerweise zurück, denn bei dem was man schreiben darf und was nicht, herrschen hier andere Gesetze als bei uns! Und die Aufenthaltsgenehmigung auf die jeder angewiesen ist der hier leben will, ist kein einklagbares Recht, sondern eine jedem individuell und auf Widerruf gewährte Gunst der Regierung! Wer das nicht so sieht, der macht sich selbst etwas vor.
Wenn man aber schon nicht das Kind beim Namen nennen darf, welchen Zweck hat es dann, auf Grund der - schneller als gesagt schon wieder überholten Auslassungen der Politiker und Kommentatoren - und vor allem in völliger Unkenntnis der wahren Hintergründe und Machtverhältnisse, Prognosen über die politische Entwicklung aufzustellen oder Werturteile abzugeben ?
Um das aber zum Schluß noch einmal klar zu stellen: Ich bin nicht etwa der Meinung, daß es einem Farang nicht zusteht, sich über das politische Geschehen in seiner Wahlheimat Gedanken zu machen. Und soweit dies Dinge betrifft, die unseren Aufenthalt hier direkt betreffen, wie Visaangelegenheiten, Sicherheit von Investitionen u.s.w. mag es auch sinnvoll sein, sich in Foren oder Leserbriefen darüber auszutauschen. Aber ständig das Geschwafel einiger Politiker zu kommentieren, sich über die Zukunft Thaksins zu ereifern, oder sich darüber auszulassen, wie sinnvoll oder wie unsinnig Regierungspolitik ist, das hat für mich den gleichen Nutzwert wie Kaffeesatzlesen.
Guenther Ruffert