Leben im Graetzel
Kaltes Bier und junge Weiber sind die besten Zeitvertreiber.So stand es auf einen
Bierkrug im Gasthof Ludwigshof,schraeg gegenueber der Breitenseer Pfarkirche.
Nur sein Besitzer durfte daraus trinken und sonst stand der Krug in einem Wand-
regal oberhalb des Stammtisches.
Der Ludwigshof war ein grosser Gasthof mit Schank,Extrastueberl,Speisesaal,
Ballsaal und einer Kegelbahn im Keller.
Sommers lud an der Aussenwand ein Schanigarten zur Einkehr ein.
In der Kueche werkten unfoermige Koechinnen,waehrend der Wirt der Meister der
Schank und der Bierwaermer war.
Herr Max und Herr Richard waren die Ober,die stets bluetenweisse Hemden mit
schwarzer Fliege zum Frack trugen und immer ein Hangerl ueber den Arm hatten.
Der Ludwigshof war das Zentrum eines Graetzels in dem sich das Leben(um 1960)
abspielte.
Unweit,die Breitenseerstrasse hinunter,fand man den Konditior,das Obstgeschaeft,
den Lebensmittelhaendler,die Farbenhandlung,das Elektrogeschaeft den Maenner-
gesangsverein,das Breitenseerkino bis am Ende der Strasse ein Texilhandelsgeschaeft
ist,das bis heute Mode aus der Vorkriegszeit anbietet.(Rosafarbene Unterhosen fuer
Damen z.B)
Stadtauswaerts der Breitenseerstrasse,ein Kaffeehaus,ein Reisebuero,das Wallfahrten
nach Maria Zell anbot,eine Eisengiesserei,dann der Arzt,der damals im Kofferraum
seines Autos,statt der Golfausruestung,einen Notfallkoffer mitfuehrte.
Kasernen mit abgeblaetterten Verputz,machten etwaigen Feinden klar,dass mit uns nicht
su spassen sei.
Ganz oben,am Ende der Strasse,das maechtige Philips-Werk und davor der Eselwirt.
Hinter dem Philipswerk eine kleine Anlage mit 2 oder 3 Ringelspiele.
Es war selbstverstaendlich,dass man,mangels Auto,seine Besorgungen vor Ort er-
ledigte.
So kam eines Tages der Meister des Elektrogeschaefts persoenlich und stellte uns das
Fernsehgeraet auf.Er hatte laengere Zeit damit zu tun,die Libelle so einzurichten,dass
das "Schneegrieseln"nicht zu auffaellig ist.
Doch wehe,jemand beruehrte die Libelle.
Das Bild war nicht mehr erkennbar,dafuer hoerte man den Funkverkehr aus der Kas-
erne und ein tschecholslowakischer Sender erfreute uns mit Nachrichten und Musik.
Schon am zweiten Weihnachtstag baten uns unsere Kinder,den Christbaum abzuraeumen,
weil die Reflektion des Christbaumschmuckes ihr Fernsehprogramm vermieste.
Der Ludwigshof war Mittel - und Treffpunkt unserer jungen Jahren.Wann immer man
dort eintraf,man fand Freunde vor.Das Extrazimmer war unser Revier.
Dort wurde geplaudert,erzaehlt,gelacht,gesungen und die Welt nachhaltig verbessert.
A Saure,a klans Gulasch aber auch Beef Tartar konnten nur gegessen werden,wenn
das Bier reichlich vorhanden war.
Und das tat es auch.Esging nie aus,obwohl wir uns redlich bemuehten.
Wir lebten irgendwie in einem Konkon und dachten,so bleibt es das ganze Leben so.
Der Jahreskreis,mit Ballsaison,Fruehlingskraenzchen,Maientanz,Erntedankfest,Krampus-
kraenzchen und Auszahlung des Sparvereines werden sich in alle Ewigkeit wieder-
holen.
Wir Maenner werden dabei aelter und reifen dabei wie edle Weine.Und unsere Frauen
werden ewig jung und schlank bleiben.
Fragt nicht,was sich ein paar Jahre spaeter alles geaendert hat.
Jock