T H A I L A N D„Ich bin wie eine Ratte“Ex-Premier Thaksin Shinawatra, 59, über den Aufstand seiner Anhänger
gegen die Regierung in Bangkok und die Rolle des KönigsSPIEGEL: Dr. Thaksin, eben kam aus Bangkok die Nachricht, dass Sondhi Limthongkul, Anführer der regierungstreuen Gelbhemden, Freitagmorgen ein Attentat nur knapp überlebt hat. Er war immerhin einer
Ihrer entschiedensten Gegner.
Thaksin: Es war die Regierung, die den Ausnahmezustand verhängt hat. Obwohl es Wahlen gab, nutzt sie ihre Macht in einer noch schlimmeren Weise als eine Putsch-Regierung. Sie kontrolliert jeden Platz, sie kann Razzien ohne Durchsuchungsbefehl durchführen, sie kümmert sich überhaupt nicht um die Menschenrechte.
Es ist eine Regierung, die buchstäblich die Lizenz zum Töten hat. Und ich habe den Eindruck, dass jetzt die Phase der „cut-off killings“ begonnen hat – der Beseitigung jener, die zu viel wissen über die Verschwörungen der Machthaber gegen mich.
SPIEGEL: Offiziell kamen bei den jüngsten Ausschreitungen zwei Menschen ums Leben, 123 wurden verletzt. Bestreiten Sie diese Zahlen?
Thaksin: Das ist eine absolute Lüge.
SPIEGEL: Haben Sie Beweise dafür?
Thaksin: Nachdem sie von nur zwei Toten sprachen, fanden wir außerdem zwei am Rücken gefesselte Rothemden im Chao- Phraya-Fluss. Wir suchen noch nach weiterenLeuten.
SPIEGEL: Die Welt ist sehr beunruhigt wegen der Vorgänge in Ihrem Land. Was istder Grund für die anhaltende Krise?
Thaksin: Die politischen Eliten sind extrem besorgt, weil ich und meine Verbündeten nach wie vor so populär und mächtig sind. Sie wollen diese Macht dem anderen Lager, den „Demokraten“, zuschanzen, aber das bekommen sie auf demokratische Weise nicht hin. Also nutzen sie andere Mittel:
Sie versuchten, mich zu töten – ohne Erfolg. Sie brachen Proteste vom Zaun – ohne Erfolg, aber immerhin reichte es als Vorwand für einen Staatsstreich. Nach dem Putsch haben sie die Justiz politisiert und mich und meine Familie verurteilt.
Dann haben sie eine undemokratische Verfassung geschrieben. Trotzdem unterstützen die Leute nach wie vor mein Lager. Das stört Bangkok ungemein. Deshalb kam es zu den jüngsten Ausschreitungen.
SPIEGEL: Wie kommt Thailand aus dieser Misere wieder heraus?
Thaksin: Solange dieser Machtkampf nicht transparent und nach demokratischen Regeln abläuft, stecken wir fest, nichts wird sich bewegen. Das Justizsystem misst mit zweierlei Maß, es übt Nachsicht mit der einen Seite und ist brutal zur anderen.
Der einzige Ausweg ist ein Prozess derVersöhnung.
SPIEGEL: Sie drängen König Bhumibol einzugreifen. Warum hat er das bis heute nicht getan?
Thaksin: Ich weiß es nicht. Ich kann über die Monarchie nichts sagen.
SPIEGEL: Aber das Wort des Königs ist doch offenbar entscheidend.
Thaksin: Ich kann nur eines sagen: Er ist der Einzige, der versöhnen kann. Niemand sonst. Ich sehe meinem Land jetzt seit fast drei Jahren von außen her zu. Nichts hat
sich verbessert.
SPIEGEL: Die Krise Thailands ist auch eine Krise der Monarchie?
Thaksin: Seine Majestät ist 81 Jahre alt. Wir wünschen ihm ein langes Leben. Wir wünschen,
dass der König weiterhin den Respekt aller genießt. Ich tue mich schwer, als Thai mehr dazu zu sagen. Wir haben nicht die Freiheit, über alles zu sprechen.
SPIEGEL: Sie haben diese Freiheit. Wir sind hier in Dubai, nicht in Thailand …
Thaksin: Ich muss sehr vorsichtig sein, als Thai und ehemaliger Ministerpräsident. Ich habe großen Respekt vor Seiner Majestät.
SPIEGEL: Sie galten einmal als enger Vertrauter des Königs.
Thaksin: Ja, aber ich wurde von Leuten aus seiner Umgebung gehasst. Der Präsident des Kronrates und der ehemalige Ministerpräsident der Militärjunta haben die Anregung gegeben, mich zu stürzen.
SPIEGEL: Und diese Männer machen Sie für die Krise verantwortlich?
Thaksin: Wir konnten uns auf ein überwältigendes Wahlergebnis stützen. Jetzt bin ich wie eine Ratte, die sich in einem Haus aufhält. Sie wollen mich fangen. Und sie finden nichts dabei, zu diesem Zweck das ganze Haus niederzubrennen.
SPIEGEL: Ihre Gegner sagen, Sie seien es, der den Brand schürt, indem Sie aus dem Ausland zu Protesten aufrufen.
Thaksin: Ich gebe den Menschen nur moralische Unterstützung. Wenn wir sagen, wir wollen eine Revolution, dann meinen wir damit eine friedliche Revolution. Wir in Thailand haben lange unter einer Demokratie gelitten, die nur für wenige galt: für die politische Elite in Bangkok.
SPIEGEL: Sie sind bei weiten Teilen der Bevölkerung nach wie vor sehr populär. Damittragen Sie aber auch Verantwortung. Können Sie wirklich nicht mehr zur Beruhigungder Lage beitragen?
Thaksin: Ausgeschlossen. Der einzige Weg ist eine breite Versöhnung. Unsere Mittel sind friedlich, die Gewalt in Thailand kommt von regierungsgestützten Militärs. Das sind Leute, die sich unter die Demonstranten mischen, Menschen töten und Chaos auslösen.
SPIEGEL: Was haben Sie selbst jetzt vor? Thaksin: Ich reise viel und halte mich selten länger als zwei Wochen an einem Ort auf, ich habe Geschäfte zu erledigen. Die Rothemden- Komitees arbeiten selbständig und treffen ihre eigenen Entscheidungen. Sie müssen nicht auf mich hören. Ich unterstütze sie auch nicht finanziell – das könnte
ich gar nicht, denn mein Vermögen inThailand ist eingefroren.
SPIEGEL: Die Regierung hat Ihren Pass für ungültig erklärt – wie reisen Sie denn jetzt?
Thaksin: Ich habe Pässe anderer Länder. Freunde, Führer vieler Länder bieten mir Ehrenstaatsbürgerschaften an oder Reisedokumente. Nicaragua hat mir einen Diplomatenpass gegeben, Präsident Ortega steht hinter mir.
SPIEGEL: Wie kann Thailand dauerhaft befriedet werden?
Thaksin: Beide Seiten haben Fehler begangen. Wir müssen einander vergeben, die Vergangenheit vergessen und nach vorne schauen. Wir müssen eine Nation und ein Volk werden. Den jetzigen Premierminister aber werde ich nicht anerkennen, mich wiederum akzeptiert die Gegenseite nicht.
Der König muss helfen: Er muss eine demokratische Verfassung aufsetzen lassen, dann brauchen wir Neuwahlen.
Interview: Bernhard Za
Thaksin Shinawatra
entstammt einer chinesischen Seiden- und Reishändlerfamilie.
Er wurde im Computerhandel reich und mit Hilfe eines eigenen Fernsehsenders bei den Ärmeren
populär.
Nach dem Wahlsieg seiner Partei übernahm Thaksin 2001 die Regierung. Ein Militärputsch
brachte den Premier, der selbst für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein soll,
2006 zu Fall. Thaksin ging ins Exil, er hält sich seither in Dubai und Hongkong auf.
2007 siegten seine Anhänger erneut; die von einem Vertrauten geführte Regierung wurde aber auf Druck Tausender gelbgekleideter Demonstranten der Bangkoker Elite entmachtet.
Vorvorige Woche nun zettelten Thaksins rotgekleidete Anhänger einen Aufstand an, sie
mussten sich aber zurückziehen.
Ausland#### Abschrift aus der Printausgabe Seite 104 d e r s p i e g e l .....1 7 / 2 0 0 9