Nach der Osterweiterung der BRD und dem ungebremsten Ansturm unserer ehemaligen Brüder und Schwestern (heute Ossis genannt) auf die Forenlandschaft möchte ich hier mal schildern, wie die neue Freiheit von den ersten und mutigen Abenteurern der Ostdeutschen Rentnerband in Pattaya umgesetzt wurde.
Ja ich weiss. Alte Hasen kennen diese Geschichte schon längst.
Kommunist Buddha
Es war einer der Sommer nach der Wende, der innerdeutschen Wende. Die Welt war nicht mehr die gleiche. Der kalte Krieg schien eine längst vergangene und legendenhafte Mythologie zu sein. Die Mauer mit ihren Wachtürmen eine erhaltungswürdige Ruine, gleich dem Limes, der Verteidigungslinie zwischen den germanischen Barbaren und den zivilisierten Römern. Selbst junge Menschen fühlten sich auf einmal alt. Ertappten sie sich doch bei der Bemerkung: damals als es noch die Mauer gab...einer Redewendung, schwanger mit historischem Gewicht.
Pattaya nahm, oberflächlich betrachtet, bis auf die ansässigen Expatriates keine besondere Notiz davon. Die Barmädels erweiterten allerdings auf ihre wie immer ganz besondere Art und Weise das Anbagger-Ritual um eine wesentliche Frage. Um welche, werden wir noch erfahren.
Familienurlauber bevölkerten die Strassen, erweckten den Anschein von mehr Umsatz. Einer Illusion, wie mir unzählige Barbesitzer erzählten. Die neuentstandenen Shopping Center strapazierten allerdings das Portmonee des Ernährers, dem es dazu noch bei Strafe verboten war, sich alleine an einer der vielen Bierbars niederzulassen. Familien gab es viele Anfang der 90ziger Jahre. Trotz immer noch versauter Bay, trotz ständiger Baustelle auf der Beach Road, vieler Neueröffnungen von Bierbars, besonders auf der 2nd Road und in den vielen Sois zwischen Beach Road und derselben, hatte es die thailändische Promotion-Maschine verstanden, Farang-Pärchen und Familien an diesen Ort zu locken. Nicht zuletzt durch Package-Tours, die standardmäßig ein paar Tage und Nächte Pattaya beinhalteten.
Einige offen denkende Pärchen verbrachten so manches Schäferstündchen zusammen mit einer Thaiholden, zum Spaß und Vergnügen von Männlein und Weiblein. Ich kann nicht behaupten, dass solche Pärchen zu Primitivlingen oder Fieslingen gehörten. Im Gegenteil. Auch die auserkorene Thaifee zeigte sich in bester Laune in Gegenwart ihrer neuen Farang-Freundin und deren Göttergatten. Man konnte ihr oft förmlich ansehen, dass sie sich wohlfühlte und offensichtlich, nicht zuletzt wegen der führenden weiblichen Farang-Hand, gut behandelt wurde.
Aber das war nicht die einzige Veränderung, die Pattaya Anfang der 90ziger durchmachte.
Das bunte Araberviertel war in Auflösung begriffen, wechselte die Besitzer. Es war eine einzigartige Chance für die lokalen Thais. Die chinesische Mafia hatte sowieso gehörig bei den Arabern mitverdient, aber auch sie verloren an Macht, da einer ihrer Geldhähne abgedreht war. Eine lokale chinesische Größe hatte sich endgültig todgesoffen. Die Karten wurden neu gemischt.
Die Saudiregierung verbot ihren Staatsbürgern bei Strafe, Thailand zu besuchen, verwies 10tausende der Thai-Gastarbeiter des Landes. Zeitweilig fürchteten wir sogar um unsere Thaifrauen. Aber manch einflussreicher Saudi-Arbeitgeber sprach bei King Fahad vor und sagte ihm, er könne den Laden gleich zumachen, da er seine besten Leute verlieren würde, falls ihre Thaiehefrauen auch des Landes verwiesen würden. Ja, es stimmt. Es gab eine riesige Farang-Thai-Community in Saudi Arabien. Farangs aus aller Herren Länder und mit einem repräsentativen gehobenen Berufsquerschnitt. Doktoren und Engineure, Architekten und Finanziers, Computerspezialisten für die gigantischen und hochmodernen Rechenzentren und Wartungsspezialisten für die neu erworbenen englischen Tornados. Alle der asiatischen Weiblichkeit verfallen und trotz finanzieller Unabhängigkeit und eines gewissen Wohlstandes nicht gefeit vor den schmerzhaften Höhen und Tiefen der unergründlichen weiblichen Thaiseele.
Der Gesichtsverlust auf Seiten beider Nationalitäten saß tief. Die von Thais geklauten Juwelen einer Saudiprinzessin, die die Diebe einfach mit der Post nach Thailand schickten, sorgten für weltweites Gelächter, das Auffinden der Juwelen und deren Zurücksendung nach Saudi Arabien für noch mehr. Denn über die Hälfte der Originalstücke war durch „Fakes“ ersetzt, wie man sie überall in Thailand für wenig Geld auf dem Bürgersteig und straffrei erwerben kann. Als wenn es nicht genug damit wäre, gab es Fotos in der nationalen und internationalen Presse, auf denen die Göttergattin des thailändischen Chief Investigators mit dem Originalschmuck auf diplomatischen Empfängen zu erkennen war. Polizeipräsidenten wurden abgelöst oder umgelegt, Angeklagte starben rätselhaften Todes, Zeugen erlagen „Unfällen“, bevor sie aussagen konnten. Aber das war eine reine Thaiaffäre. Alles im Archiv der „Bangkok Post“ und der „Nation“ nachzulesen. Es war ein Krimi in den Tageszeitungen, der täglich neue Nahrung fand.
Fast gleichzeitig gab es einen Arbeitsvisum-Skandal. Wieder zwischen Thais und Saudis. Dazu muss man wissen, dass ein einfacher Thai dafür etwa 30,000 Baht hinblättern musste. Für diesen astronomischen Preis sind so einige Töchter des Isaans oder der Reisschüssel nördlich von Bangkok mangels Cash mit dem Einverständnis der Familie in Freudenhäusern verschwunden, oder haben sich bestenfalls dafür in Pattaya oder Pukhet in einer Bierbar abgestrampelt, damit der Sohnemann steuerfreie Knete in Saudi machen kann.
„Where you come from?“
„From Saudi.“
Nach zwei Sekunden, in denen sie für sich entscheidet, dass ich kein Araber bin, die nächste Frage:
„You work?“
„Yes“
„Oh, my brother work there too. He work for driver, Lady, very rich.“
war eine nicht selten gehörte Antwort, wobei der „driver“ mit Mechaniker, Elektriker, Bauarbeiter, Wartungsarbeiter („fix air condition“) ersetzt werden konnte. In vertrauensvollen Minuten und weil ich eine journalistisch neugierige aber warme Seele habe, verriet mir die ein oder andere, warum sie wirklich Geld nach Hause schickte. Dabei war sie nie sauer auf ihren Bruder. Im Gegenteil. Sie liebte ihn besonders. Falls er allerdings der „husband“ war, sah die Sache schon ganz anders aus. Der schickte meistens nur die ersten paar Monate lang Geld, dann immer weniger, bis der Segen schließlich ganz versiegte. Sie würde es ihrem neuen Farang-Ehemann nie erzählen. Zu sehr hätte sie Angst davor, dass er ausklinkt, wenn sie ihm das mitteilen würde.
Ja, es ist wahr. Auch wenn wir es meistens nicht wahrhaben wollen. Diese Mädels haben oft eine sehr individuelle Geschichte, ihre spezielle Vergangenheit. Sie kommen nicht aus dem Nichts und haben nur auf den sie heirateten Götterprinzen in abgeschotteter lebensfremder Einsiedelei gewartet. Gehen völlig unbeschwert und unbefangen ihre Farang-Partnerschaft fürs „Leben“ ein. Nein. Sie alle tragen eine Last, haben Lebenserfahrungen gesammelt, die sie meist zuallerletzt ihrer Errungenschaft mitteilen. Sie wollen einfach ihre neues „Farang-Glück“ damit nicht belasten. Wie viele von uns haben schon einer westlichen Bardame Dinge erzählt, die unsere Holde und manchmal unser bester Freund nicht wissen durfte? Die westlichen Bardamen sind nicht stolz darauf. Genauso wenig wie ich, wenn mir mal ein Patty Girl was erzählt hat, was ihr Prinz nicht wissen durfte.
„Mai put Farang“ (erzähl’s nicht dem Farang)
sagt sie dann mit einem Blick auf den in sie unsterblich verliebten Urlauber, der gerade vom Pinkeln zurückkommt und auf dem Pissoir, mit Blick auf seinen besten Freund in der Hand, den Entschluss gefasst hat, für den Pass, das Visum und das Ticket seiner Angebetenen zu sorgen.
Der offizielle, amtliche Preis für ein Arbeitsvisum in der Saudi Botschaft lag unter 5,000 Baht. Die wenigen Thaibroker, die sich das Geschäft teilten, steckten mit den Saudis unter einer Decke. Die Saudi Attaches kassierten den Löwenanteil von den 30,000. Der Thai Broker konnte sich glücklich schätzen, falls er ein paar tausend Baht von dem Batzen erhielt.
Falls jetzt jemand meint, so what? Was sind schon 30,000 Baht? erkennt vielleicht das Ausmaß nicht. Arbeitsvisa wurden immer zu Hunderten geordert, Vorauszahlung, versteht sich. 30,000 Baht mal hundert? Richtig! Wir bewegen uns im Millionenbereich. Ein paar besonders klevere Saudi Attaches fanden trotz pünktlicher Zahlung Gründe, nicht zu liefern. Sie lagen eines morgens bei Arbeitsbeginn tot und schweinisch blutend vor der Saudi Botschaft in Bangkok, umgelegt mit einem Schnellfeuergewehr von einem auf dem Rücksitz hockenden Killer eines artistisch fahrenden Mopedfahrers. Die wurden nie identifiziert.
Als Expatriate in Saudi Arabien, zu der Zeit, durfte ich in der lokalen Saudi Gazette lesen, dass diese Leute im Dienste des Vaterlandes gestorben seien. Da ich ein gutes Verhältnis zu meinen Saudi Kunden hatte, ja sogar mit einigen befreundet war, wagte ich zu fragen, was sie über diese ganze Angelegenheit denken würden. Ihre Antwort war ohne Ausnahme offen und eindeutig.
„Wusstest du etwa nicht, dass sich unsere Diplomaten um Jobs in Thailand, den Philippinen, Sri Lanka, Pakistan und Indien reißen? Die kommen alle als Dollar Millionäre zurück. Nämlich genau aus diesem Grunde. Die holen sich dort innerhalb von drei Jahren mit den Arbeits-Visa eine goldene Nase. Die Jungs in Thailand hatten halt Pech.“
Ja, glaubt es mir. Mit der jungen gebildeten Saudi Generation kann man arbeiten. Die blicken durch. Es fehlt nur der Funke Selbstbewusstsein, und der Fundamentalismus hätte in diesem Lande keine Chance mehr. Es wäre eigentlich nicht erwähnenswert, aber gerade in der aktuellen Situation (11.9.2001) scheint ein Verweis auf Bildung angemessen zu sein. Schon damals erzählten mir viele Saudis, dass sie unter der Verblendetheit ihrer Wüstentrampel, die wir romantisch verklären, leiden, die ungebildet und fanatisch den Hass sähen. Wasser auf meine Mühlen. Ich habe mich nie gescheut, meinen Anteil Cash rüberzurücken, falls es um die Weiterbildung einer Person im thailändischen Familien- oder Bekanntenkreis ging und habe es nie bereut.
Als ob das Problem Thailands mit Saudi Arabien ein Fass öffnete, blieben auch andere nicht verschont. Eine lokale Farang-Größe wurde zum Star in der „Bangkok Post“. Ihm wurde alles Mögliche angehängt. Er war als Farang zu erfolgreich in Pattaya, und die leichte Übernahme der Saudivergnügungsstätten machte Geschmack auf mehr. Er wehrte sich lange genug, vermeintlich zu seinen Gunsten, aber er verlor, wurde des Landes verwiesen. Seine herausragenden Go Go Bars und einiges andere konnten sich durch die aufmerksame Anteilnahme eines neuen “Paten“ zwar noch ein Weilchen halten, erreichten aber später unter verändertem und undurchsichtigem Management nie mehr wieder ihre alte Klasse.
Ein anderer Hotel- Restaurant- und Barbesitzer, mit einem professionellen Faible für High Speed auf Rennstrecken und dem besten Tartar und Kapern in Süd-Ost-Asiens auf der Speisekarte, hatte nicht mehr lange zu leben. Er stand schon auf der Abschussliste. Sein Ego mag einiges dazu beigetragen haben.
Ein neuer „Pate“ fügte sich fast nahtlos in das entstandene Vakuum ein. Aber die „Bangkok Post“ schrieb auch schon damals über ihn, und es sah aus, als wenn auch er den Weg des Managers der besten Go Go Bars aller Zeiten gehen würde. Wie es scheint, war sein Einsatz riesig. Hunderte von Millionen ist nichts für die einfache Thaiszene, da trauen die sich wegen Unvorstellbarkeit nicht ran. Aber auch er machte einen klassischen Fehler. Den klassischen Fehler überhaupt. Er hat sich als Farang zu tief in das thailändische Zwielicht verstrickt. Hat sich, wie Eingeweihte munkeln, an dunklen Machenschaften einiger weniger Mächtiger beteiligt und hat nicht gemerkt, dass er damit sein Haupt als Opferschaf darbietet. Er hat die goldene Regel nie verstanden. Ehe ein Thai über die Klinge springt, ehe er sein vermeintlich immer noch bestehendes Gesicht verliert, geht der Farang-Partner über den Jordan.
Das Nationalgefühl in Thailand wird leicht unterschätzt, hat allerdings eine angenehme Seite. Wir Farangs werden einfach als blöd, ungehobelt und als willkommene, möglichst geheime Finanziers betrachtet, befinden uns nicht in organisierter Lebensgefahr wie bei dem österreichischen Schnauzbart, der die Welt in Flammen setzte und eine ganze Volksgruppe kaltblütig und amtsmässig vernichtete.
Ja, des „Patens“ Weste mag vermutlich nicht zu den strahlend weißen gehören, aber er hat in allen Schichten Thailands Verbündete gefunden, eine Spielwiese, die sich einfach anbot, nicht nur auf Pattaya beschränkt. Er ist keine Ausgeburt Pattayas oder etwa typisch für diesen Ort. Nein. Er ist ein Abenteurer dieser gesamten Geografie, die ganz Süd-Ost-Asien umfasst. Seinen Stammsitz Pattaya hatte er nur wegen der sinnlichen Action dort gewählt. Seine Geschäfte, bei denen es vermutlich um unvorstellbare Summen ging, haben wahrscheinlich wenig mit Pattaya zu tun.
Seine beiden Schlemmertempel, mit zünftig bayrischer Speisekarte, waren womöglich nur bescheidene Fassade, der ich allerdings einige schöne Stunden verdanke. Thais in Lederhosen, jodelnd und Blasmusik trällernd sind einfach ein Erlebnis. Und Thaischönheiten im bayrischen Dirndl trieben mir immer wieder Sehnsuchtstränen in die Augen, was meiner Holden oft den Spruch: „dtaa wahn“ entlockte, wenn sie meinen entrückten Gesichtsausdruck bei dieser Gelegenheit betrachtete. Das heißt wörtlich übersetzt: „süßes Auge“. Ich liebe die Thaisprache.