Ja, ein grosser Trainer beendet seine Laufbahn, wie wahr!
Trotzdem, ein bisschen mehr teuflisches Input kann diesem Thema durchaus gut tun.
Fahnenschwenken kann ja jeder...
Es werden nicht sehr viele im Forum sein, die Ottmar Hitzfeld persönlich kennen bzw. manchmal gesprochen haben. Da ich, ab und zu, dieses
Vergnügen hatte, möchte ich mich ein wenig intensiver zum Thema äussern.
Ottmar war immer ein akribischer Arbeiter, nichts stand über dem Erfolg. Sein Image wurde ihm allerdings auch ein bisschen zum Verhängnis.
Der "General", wie er manchmal genannt wurde, pflegte sein preussisches Image bis zur Perfektion. Das hatte Folgen. Denn, so gern er nach Erfolgen
eine Blaskapelle mit Pickelhaube, Zepter und dicker Zigarre dirigierte, so sehr merkte man ihm an, dass unterdrückte Gefühle auf Dauer schädlich sind.
Und so verwunderte es wenige, dass er typische, psychosomatische Krankheiten erleiden musste. Nach einer gesundheitlich bedingten Auszeit und einer
Entlassung bei Bayern München, die (in Art und Weise) nur als beschämend für den Verein interpretiert werden kann, änderte er allerdings seinen Stil.
Der einstige Gentleman(?) wurde gelegentlich aggressiver und selbst zu einem "Stinkefinger" liess er sich hinreissen, was ihm postwendend eine Strafe einbrachte.
Geschehen beim Quali-Spiel der Schweiz gegen Norwegen, als er den spanischen Schiedsrichter David Fernández Borbalán auf diese Art beleidigte.
Er wurde darauf von der Fifa für zwei Spiele gesperrt und musste 5800 Euro bezahlen: "Verstoß gegen Artikel 57 des Fifa-Disziplinarreglements (Ehrverletzung und Fairplay)".
In der Bundesliga hatte er für Gefühlsausbrüche eine eigene, "menschliche Krücke", die den Namen Henke trug. Sein Assi raste manchmal, nachdem ihm Ottmar etwas ins Ohr geflüstert hatte, wie von der Tarantel gestochen zur Seitenlinie und gebärdete sich viel, viel schlimmer, als ein Klopp in heutigen Tagen. Nicht wenige sagten in Dortmund und München, wenn sie im Stadion Augenzeugen wurden: "Oh, der Ottmar lässt wieder seinen scharfen Hund von der Kette". So ist das mit der Legendenbildung. Ottmar war nie ein wirklicher Gentleman, hat die Rolle aber tapfer angenommen und möglichst gepflegt, eine Rolle, die ihm leichtfertig von den Massenmedien zugesprochen wurde. Im persönlichen Gespräch aber, abseits vom Druck im Stadion, war er grundsätzlich nur ein liebenswerter, netter Mensch. Auch wenn er, selbst da, manchmal fast ein wenig zu kontrolliert wirkte, auf Fragen oft erst nach drei, vier "Denksekunden" geantwortet hat. Es hat, so oder so, immer viel Spass gemacht, mit ihm über Fussball zu plaudern.
Dieser Trainer hat sich, auch menschlich, nicht geschont, eher selbstlos zerschlissen. Und so gab der deutsche Mathematik- und Fussball-Lehrer auch der Schweizer Nationalmannschaft alles, was er überhaupt abrufen konnte. Dienst nach Vorschrift- nicht sein Ding. Aber er wurde mitunter auch verspottet, wenn der Lörracher, im Schweizer TV, etwas hölzern Schweizerdeutsch sprach. Einigen Eidgenossen schien es unangenehm, denn so sehr sie die gute Absicht schätzten, manchem wirkte das Ganze ein bisschen zu anbiedernd. Vielleicht ein minimaler Fehler, denn hätte er Hochdeutsch gesprochen, kein Schweizer hätte es ihm wohl vergolten. Oder doch, man weiss es nicht genau- wie man es als Deutscher macht...
Doch so ist er nun mal und da liess er sich nie verbiegen- ständig auf der Suche nach der Perfektion, Charaktersicherheit inklusive!
Und nicht zu vergessen- auch grossartige Trainer haben manchmal mit sportlichen Misserfolgen, mit Rückschlägen, zu kämpfen.
In der Qualifikation für die EM 2012 wurde die Schweiz unter Hitzfeld nur Gruppen-Dritter, hinter England und Montenegro(!), qualifizierte sich nicht für die Europameisterschaft.
Der Grund ist simpel- auch Trainer können nicht zaubern. Hatte er in Dortmund ein Gespann Niebaum/Meier vor Augen, welches ihm, koste es was es wolle, jeden Star zu Füssen legte, betrat er in München eh ein bestelltes Feld, traf auf eine Truppe voller Stars. So war es nur logisch, dass die erfolgreichen "Titeljahre" ein Ende nahmen, als er die Schweizer Nati übernahm. Trotzdem hat er sich dieser Aufgabe gestellt und hat abgeliefert, was er konnte, hat gearbeitet "wie ein Pferd". Respekt Ottmar, mein voller Respekt!
Uli Hoeness sagte einmal im TV, er verstünde nicht, warum ein Hitzfeld sich die Schweizer Nationalmannschaft antut. Der gute Uli hat den Menschen Ottmar Hitzfeld offenbar nie wirklich verstanden. Ich erweise Ottmar die grösste Anerkennung für diesen Weg, auch wenn er den Ansprüchen eines "Titel-Trainers" niemals gerecht werden konnte. Aber eben- Ottmar ist weit mehr, als ein Mensch, den nur die schnöde Sucht nach grossen Pokalen antreibt. Gut, gibt es noch solche Menschen!
Im Grunde ist der Zeitpunkt für seinen Abschied gut gewählt. Jedenfalls, betrachtet man die heutige Spielweise, den modernen Fussball, beobachtet die aktuelle, junge Trainergeneration. Weder sein leicht autoritärer Umgangsstil, noch seine Spielsysteme, stehen für die heutige Zeit. Ein "Vorwurf", den man ihm schon in seiner zweiten Amtszeit bei Bayern München gelegentlich machte. Nein, ich glaube eher, er hat als Trainer kaum etwas , oder nur sehr wenig, falsch gemacht. Doch die Jungen drängen nach und die sind gut, verdammt gut!
Viel Glück Ottmar, du bist ein feiner Mensch und hast deinen Ruhestand redlich verdient.
Aber eines muss ich dir sagen, da du ja hier jeden Tag liest:
Sich an einem Bier fast zwei Stunden festzuhalten, kann es nicht sein- daran musst du noch feilen....geniesse das Leben grosser Trainer!
Machet jut!
PS: Hier noch ein Schnappschuss vom Seeteufel- Ottmar und meine (einstige) Liebe.