Der Spass ist vorüber, der Ärger auch Ende Mai 2011
Es war eine lange Phase, bis ich Mowgli an Ostern in die Selbständigkeit, besser in sein selbst gewähltes Exil,
verstiess. Vor einem Jahr freute ich mich auf die Gelegenheit, mit einem aufgeweckten Jungen zu lernen, zu
spielen, zu basteln, zu reisen, viele Streiche auszudenken und allerlei Blödsinn anzuzetteln.
In der Schweiz besorgte ich einen Lego Technik Baukasten und nahm aus meinem Fundus einige für Jugendliche
geeignete Elektronik-Bausätze mit.
Als Knabe träumte ich vergeblich, vom für meine Eltern unerschwinglichen Baukasten, Radio-Mann. Einige Jahre
danach baute ich Empfänger und Sender ohne Baukasten.
Nach unserer Abwesenheit im Sommer 2010 fanden wir trotz hervorragend organisierter Betreuung einen völlig
veränderten Knaben vor. Obwohl er intensiven Englischunterricht genoss, gingen in dreissig Tagen sämtliche
Sprachkenntnisse verloren. Aus einem wißbegierigen Jungen wurde ein phlegmatischer Sack. Er vertrat nur noch
Eigeninteressen.
Monatelang bemühten wir uns, Mowgli zu fördern und zurück auf ein uns annähernd vertrautes Verhaltens-
muster zu führen. Was ist Norm? Das ist in vielen Fällen ein dünner Strich mit fast unbegrenzter Toleranz.
Mowgli forderte nur noch Toleranz ohne Eigenleistung.
Trickreich versuchte er vergeblich, uns gegeneinander auszuspielen. Als er bemerkte, dass diese Spielart
erfolglos war, begann er, mich zu betrügen und zu belügen. Ich durchschaute ihn und berechnete seine
nächsten Züge wie im Schach.
Ganz flach arteten für ihn Betrugsversuche am PC aus. Anstatt seine IT Hausaugaben zu erledigten, welche
aus Copy und Paste bestanden, besuchte er zweifelhafte Webseiten und lud Spiele und liederliche Lieder in
die Speicher. Charlie Chaplin konnte er nicht als Original Stummfilme betrachten. Um die anspruchsvollen
Handlungen zu verstehen, benötigte er synchronisierte Isaan Versionen. Leider stürzte das System immer ab,
bevor seine eigentlich dringenden Arbeiten erledigt waren.
Er importierte immer wieder aggressive PC Viren, welche eine Neuinstallation des Betriebssystem und der
Programme erforderten. Computer zeichnen dummerweise fast jeden Schritt auf. Es war einfach für mich, ihm
Fehlverhalten, wie ausgeschaltete Antivirenprogramme nachzuweisen. Das beeindruckte ihn keineswegs
unter dem Motto: Gesichtsverlust ist ausgeschlossen. Er half nicht bei den Neuinstallationen, obwohl er unter
Umständen etwas hätte lernen können.
„Warum machst Du es selbst? Dafür gibt es Computer Läden,“ war seine Meinung. Mit meiner Handlungsweise
stempelte ich mich zum Volltrottel.
Wenn er seinen USB Speicher mit Hausaufgaben von der Schule brachte, waren üblicherweise mehr Viren als
Aufgaben geladen. Das verzieh ich gerne. Da müsste man schon mit dem für IT verantwortlichen Lehrer ein
ernstes Wort reden. Aber wer zeichnet in diesem schönen Land schon für irgend etwas verantwortlich?
Bat ich Mowgli, Zeichnungen zu machen, legte er sich ins Bett. Anstatt Rechnungen zu erledigten, zeichnete er.
Filme und Spiele waren wichtiger als Schlaf. Er versuchte dauernd, seinen Kopf gegen unsere Wünsche
durchzusetzen. Neu erlerntes hatte er am nächsten Tag bereits vielversprechend vergessen. Er bekundete
keinerlei Interessen für nichts, ausser Fressen und Fernsehen, wenn möglich gleichzeitig.
Weil seine Elektronik-Orgel monatelang unbenutzt herum stand und als reiner Staubfänger Platz versperrte,
schenkte ich sie demonstrativ der neuen Tochter in der Nagelburg. Das Mädchen lernte einige Stücke in der
Schule, besass aber selber kein Instrument. Die verlorene Orgel kümmerte Mowgli nicht im Geringsten.
Etwas weniger im Haus, das ihm kostbare Zeit vor der Glotze stahl.
Anstatt mich in sinnlose Zweikämpfe gegen Intrigen und Dummheit zu verstricken, sagte ich ihm vor dem Erreichen
meines Geduldpegels im Rotbereich verschiedentlich:
„Mowgli, ich habe genug von deinen Lügen und albernen Spielereien. Ich mag dich nicht mehr sehen. Du darfst
alleine im Schönheitssalon essen. Cola gibt es nicht. Ich wünsche eine gute Nacht. Geh.“
Das wirkte manchmal für einen Tag. Und wenig später gar nicht mehr.
Fortsetzung folgt