So, nun kann ich endlich wieder meine Ohrenschützer abnehmen.
Die brauchte ich nicht wegen der aktuellen Kältewelle (gestern teils 42 Grad; heute fiel das Thermometer auf nur noch 36 Grad herab) sondern wegen einer Feier beim Dorfschul-Direktor (auch die Gattin ist Lehrerin; wohnen ca. 250 Meter von uns entfernt).
Übrigens gehören die auch zur großen Familie meiner Frau. Durch diesen erlauchten Verwandten und andere verwandte Würdenträger (samt dem Dorf-Schamanen, dem Dorf-Sprecher, dem Bürgermeister, dem Schulbus-Fahrer, dem Oberlenker unseres rosaroten Feuerwehr-LKWs etc. ) gehöre ich faktisch als Exot zu den "Oberen Zehntausend" unserer 1.400 Seelen-Gemeinde.
Bevor hier nun alle vor Ehrfurcht im Staub versinken, muss ich meinen "High-Society-Status" etwas relativieren.
Es ist nämlich so, dass man in unserem Dorf nicht wirklich von Namens-Vielfalt sprechen kann.
Das wird mir häufig vom Onkel Dorfsprecher akustisch sehr eindrucksvoll frühmorgens mittels der starken Dorf-Beschallungs-Anlage an unserem rosa Rathaus nach Spenden-Aktionen mitgeteilt.
(Nein, wir haben keine Dorf-Zeitung. Hier wird jeden Morgen alles wichtige lautstark mitgeteilt.)
Da werden dann namentlich alle Spender samt den Spenden von meist 20 bis 100 Baht heruntergebetet. Man hört relativ wenige verschiedene Nachnamen, ... wobei ca. ein Drittel den gleichen Nachnamen wie meine Holde trägt, ein Viertel den Namen eines angeheirateten Schwagers usw.
(Wenn diese Litanei nicht so laut wäre, wäre sie sehr einschläfernd.)
Das hat zusätzlich zu den guten Beziehungen noch andere Vorteile:
Ich muss mir nicht so viele Namen merken.
Und als uns vor etlichen Wochen irgendwer in unser Haus einbrach und ohne jeglichen Vandalismus (Auch beim Durchwühlen wenig Unordnung; sogar die Gardine wurde wieder zugezogen) etwas Geld stahl, konnte ich mich mit dem Gedanken trösten, dass das Geld wahrscheinlich in der Familie blieb.
(Trotzdem haben wir jetzt vor allen Fenstern Gitter. Obwohl eigentlich ganz andere dahinter gehörten)
Ob es zwischen dieser relativen Namensarmut, dem dorfüblichen Grinsen und dem hier sehr späten Siegeszug der TV-Geräte einen Zusammenhang gibt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Zurück zu FeierDer älteste Sohn des Onkel Schuldirektors zog vorhin mit lauter Zeremonie für eine Woche ins Tempelgelände. Mit dem feierlichen und unerschütterlichen Vorsatz, in dieser langen Zeit die Tiefen der buddhistischen Lehre zu verstehen und zu verinnerlichen.
Zur ernsthaften Erklärung:
Für viele thailändische Familien ist es eine enorme Ehre, bringt gutes Karma usw., wenn der Sohn (möglichst der äteste) für einige Zeit zum Mönch wird. Die Dauer des Aufenthaltes im Wat spielt dabei kaum eine Rolle.
Einer meiner Schwager z.B. zog offiziell für 3 Monate in den Tempel, war aber schon nach 5 Tagen wieder daheim. Mai pen arai (auf isanerisch: bo bin jang – auf deutsch: egal)
Jedenfalls sind wir zu dieser 3tägigen Feier auch mit eingeladen.
Gestern gingen wir also zu dieser lustigen Feier und liessen es uns gut gehen.
Neben vielen anderen war (wohl um den würdigen Rahmen zu verstärken) auch ein weiterer Onkel eingeladen: nämlich unser zweibeiniges Karaoke-Monster.
Der besitzt mittlerweile einen hübschen LKW, auf dessen Ladefläche seine gesamte gigantische Audio-Anlage samt Diesel-Stromaggregat und enormen Mischpult so gerade noch drauf passt.
Übrigens wird er mit seiner Anlage mittlerweile sogar für diverse kleinere Konzerte gemietet.
Gestern lief diese Feier mit gleichzeitigen Speisen-Vorbereitungen (ein wirklich fröhliches, entspanntes Durcheinander) sogar etliche Stunden ohne Musik.
Aber irgendwann am Abend gab der Karaoke-Onkel mit guter Konserven-Musik dann schon kräftig Gas, wobei er langsam immer mehr aufdrehte.
In Deutschland wäre ich wahrscheinlich vom Audio-Anlagen-Besitzer mindestens erschossen worden.
Aber hier lief das gestern locker so: Wenn der Karaoke-Onkel mit Speis, Trank und lauten Scherzen (leise Scherze verstand ja keiner mehr) beschäftigt war, schlich ich zum Mischpult und schob sachte und schön langsam die 2 Regler für die Gesamt-Lautstärke zurück.
Kam er irgendwann zum Mischpult, lief das Spielchen wieder in die lautere Richtung.
Heute ging ich nicht zur Feier. Denn heute gibt es ausschließlich Karaoke.
Außerdem ist mir gestern beim Heimweg irgend so ein Besoffener auf die Hände gelatscht, und die Karaoke-Darbietungen kann ich schließlich auch hier "genießen" (aus 250 Metern Entfernung).
Tja, wie geht es meinen thailändischen Nachbarn? Von den politischen Unruhen, Demonstrationen usw. ist hier bis auf wenige Diskussionen eigentlich nichts zu bemerken.
Alles läuft seinen gewohnten, gemütlichen Gang. Auf jeden Fall müssen wir alle zur Zeit viel Karaoke hören.
Bis vor wenigen Minuten sang längere Zeit ein angeheirateter Vetter von mir, der aber eine wirklich gute Stimme hat.
Nun ist aber wieder der Onkel Dorfschul-Direktor, Na Paeng, der Beherrscher des Mikrofons.
Und Na Paeng ist ein leidenschaftlicher Karaoke-Sänger, der möglichst bei jeder der vielen Karaoke-Feste mitmischt. Da er meist irgendwie zur Familie gehört, schafft er das meist auch.
Dabei liebt er die Darbietung von langsamen, gefühlvollen Stücken.
Leider kann er das Mikrofon vieeel besser halten als den Ton.
Vor kurzem wäre ich fast sein Todfeind geworden, (dachte ich jedenfalls kurzzeitig) denn...
Bei einer gemeinsamen Feier sagte ich meiner Frau ins Ohr, dass im Dorf einige Katzen besser als Na Paeng singen würden. Sie erstickte daraufhin fast, ging später aber zu ihm und erzählte ihm irgendwas – dabei zwischendurch auf mich zeigend.
Na Paeng kam daraufhin auf mich zu (Ich suchte da schon verzweifelt nach Fluchtmöglichkeiten, war aber von Schallmauern umgeben) und ... bedankte sich!
Dieses witzige Rabenaas von Weib hatte ihm verklickert, ich fände, er hätte eine sehr gefühlvolle Singstimme.
Jedenfalls habe ich nun wieder meine Ohrenschützer auf und bitte Euch deshalb, etwas lauter zu schreiben.
Nachtrag:
Ich habe hier im Dorf keinen Onkel Doktor.
Aber etliche Stunden pro Woche taucht eine Ärztin auf, die immerhin eine entfernt verwandte Cousine ist.