Nachbarn in Not 28. November 2009
Neue Erkenntnisse 3. Januar 2010
Schräg gegenüber dem Beauty Salon lebte eine Familie mit einem nun achtmonatigen Büblein. Dick bemerkte vor einem halben Jahr, dass
sich die Mutter vorbildlich um den Säugling kümmerte.
Eine der fleissigsten Frauen im Dorf, praktizierende Christin, spendete der armen Familie hin und wieder etwas Reis und Öl. Sie hat eine
halboffene Küche, kaum eine gezielte Spuckweite vom schützenden Zaun entfernt. Das Tor bleibt meistens offen, dass die ebenfalls gläubigen
Hunde sich beim Ruf der Natur meist mitten auf der Strasse entsprechend versäubern können.
Warum erwähne ich den Glauben der Hunde? Diese Tiere glauben an Frauchen und Herrchen und wissen ganz genau, dass die zu irgend einer
Zeit den Fressnapf füllen werden. So harren sie überzeugt und warten täglich erneut auf das Wunder. Und siehe da, plötzlich liegt Manna im Topf.
Sie haben es nicht nötig im Dorf herumzustreunen, auf der Futtersuche zahllose Kehrichtsäcke aufzureissen, an weggeworfenen Eiscremeverpackung
und Plastikbeuteln zu lecken oder Erbrochenes zu schlabbern. Sie kennen die Bewohner. Sie wissen, dass ich prügle oder Steine werfe, sobald sie
in Pressstellung, freundlicherweise vor meiner Tür, einen frischen duftigen Kegel setzen möchten. Sie geben nicht Laut und bellen nicht, wenn irgend
jemand ihr Revier betritt. Sie kuschen, ducken sich, warten und kacken überall im Namen ihres Herrn. Bloss in der Nacht heulen sie mit, wenn ihre
Artgenossen den Mond besingen. Diese mirakulösen miesen Köter verpennten ihren Dienst.......
Gibt es nicht staatliche Einrichtungen, deren Beamte sich ähnlich verhalten?
Die gutherzige Frau bemerkte, dass ihre Küchenutensilien und ebenso etliche Ölfläschchen und Fischsaucen ungefragt verschwanden.
Beim Optiker in der Nähe, er zog mittlerweile weg, fehlten neben zahlreichen Kleinigkeiten plötzlich eine Buddhastatue aus dem ersten Stock.
Beide Bestohlenen besprachen sich, vermuteten übereinstimmend als Täter den Kindesvater und riefen erzürnt die Polizei. Eine Haussuchung beim
vermeintlichen Bösewicht verlief ergebnislos.
Vor einigen Monaten verschwand dann der Vater auf Nimmerwiedersehen und liess seine Frau mit dem gemeinsamen Kind sitzen.
Die kleinen Gaunereien hielten an. Der unertappte Langfinger, der als freundlich schwatzender Nachbar uneingeschränkten Zugang zum Haus
des Optikers hatte, war Herr Kleptomanewitsch, ein Sohn einer Familie von Dieben aus Chiang Rai, unser altbekannte Dorfganove, der sich mit
jedem anzubiedern versucht.
Ich fragte mich, wie denn das mit der Wohnungsmiete lief. Diese Familie lebte genauso wie der erwähnte Halunke umsonst in einem Haus, das
mittlerweile wieder einer der Grossbanken des Landes gehörte, weil die ehemaligen Besitzer die Raten nicht mehr abstottern konnten. Die Banken
versuchen alle paar Jahre wieder, solche Objekte an Auktionen abzustossen. Wird zu wenig geboten, kauft mehr oder weniger versteckt ein gut
besoldeter Bieter der Bank. Dazwischen kümmert sich keiner um die Liegenschaften, die vielleicht schon drei Mal zu vierzig und mehr Prozenten
abbezahlt wurden.
Die mädchenhafte Mutter hatte kein Einkommen. Weil die Stromrechnungen nicht bezahlt wurden, kappte das Elektrizitätswerk vor wenigen
Wochen kurzerhand die Leitungen. Der Vater der jungen Frau sass im Gefängnis. Die Eltern konnten deshalb ihre Tochter nicht unterstützen.
Sie erzählte niemandem im Dorf von ihrer unangenehmen Situation. Da war keiner, der täglich mehrmals den Fressnapf füllte.
Erst vorgestern, als das hungrige Baby andauernd schrie, schaute Dick nach. Die Mutter erzählte, dass sie dem Kind seit einiger Zeit keine Milch
geben konnte. Der Sud von verkochtem Reis habe dem Kleinen nicht genügt. Sie selbst hätte während drei Tagen nichts mehr zu essen gehabt.
Dick holte schnell Bananen aus dem Salon, verquetschte sie und fütterte das hungrige Kind, das noch während dem Schmatzen mit dem Brei im
Mund einschlief.
Der Grossvater wurde aus dem Strafvollzug entlassen. Die Grosseltern mit Mutter und Kind verreisten gestern nach Bangkok, wo sie auf ein
gnädigeres Schicksal hoffen.
Wir hätten die junge Frau gegen eine anständige Entlöhnung jederzeit anstellen können. Wir leben im Überfluss, aber verschwenden nichts.
Leider waren wir ahnungslos über das Geschehen und den Hunger in nächster Nähe.
War das ein Einzelfall?
Gestern war Dick an einer Geburtstagsfeier in HangDong. Gegenüber der Schneiderin schrie und plärrte ein Kleinkind während Stunden.
Die Schneiderin wollte nachsehen. Die Türe war verschlossen. Die Frau rief die Polizei.
Im Zimmer lag ein weinendes Kleinkind erbärmlich anzusehen im Dreck. Auf einem Zettel hingekritzelt stand:
„Ich will nicht mehr für das Kind sorgen und verlasse HangDong!“
Das Baby wurde sofort in Spitalpflege gebracht. Heisse Sommertage hätte es ohne Flüssigkeit nicht überlebt.
In den Einkaufsparadiesen dudeln über vollen Schnapsregalen themenbezogen Melodien wie: „Ihr Kinderlein kommet!“
und nachdem in der Hochsaison vollbesetzte Jets voller liebeshungriger
Touristen im tropischen Paradies landeten: „Alle Vögel sind schon da!“