Ein Weihnachtsgeschenk an die echten Rock’n’Roll Fan's
Rock’n’Roll zum siebzigsten Geburtstag
Gunnar Heinsohn / 26.12.2016
Weil sich sonst niemand drum kümmert und das Jahr bald vorüber ist, will wenigstens ich hier den 70. Geburtstag des Rock‘n’Roll feiern. Am 6. September 1946 nimmt Arthur William „Big Boy“ Crudup (1905-1974), Sohn schwarzer Wanderarbeiter aus Forrest/Missisipi, in Chicago That’s All Right, Mama auf.
Weil die Mutter vor einem Mädchen warnt, das ihn doch nur für dumm verkaufe, verzichtet er auf beide und verschwindet aus der Stadt. Sein Drive geht mit ihm – erst durch Amerika und dann rund um die Erde.
Ich bin damals nicht einmal drei Jahre alt (@Benno vom Tip-Forum war damals 5 Jahre alt) und ahne noch wenig von der Liebe, die im Slang der Zeit als Rocking and Rolling schön, damals aber anstößig umschrieben wird. Doch als Elvis Presley (1935-1977) das Crudups-Lied 1954 (@Benno war damals 13 Jahre alt) einspielt, hört es die ganze Welt.
Schon 1952 allerdings basteln die jüdischen Komponisten Max C. Freedman (1893-1962) und James E. Myers (1919-2001) in Manhattan an Rock around the Clock. Nach vielem Hin und Her geht es an Bill Haley (1925-1981), der 1954 daraus die globale Aufsässigkeitshymne der weißen Halbwüchsigen formt.
1956 holt Chuck Berry (*1926) aus St. Louis den ungeheuren Rhythmus mit Roll over Beethoven zurück ins schwarze Milieu.
Jerry Lee Lewis (*1935) hält 1957 mit Whole Lotta Shakin‘ dagegen, bricht unseren Willen aber erst ein Jahr drauf mit Great balls of fire.
Johnny Cash (1932-2003), als erster Name der Country Music, und Bob Dylan (*1941), berühmtester unter den Folk-Rock-Singer-Songwritern von Leonard Cohen bis Paul Simon, tilgen 1969 die Schuld gegenüber ihrem Ahnherrn Crudup mit einem raren Duett von That’s All Right. Von beiden Meistern gibt es stärkere Stücke, aber hier wird auf der fünften Nashville Skyline Session ohne langes Üben roh und anrührend ins Freie gesungen.
Antwort auf Fragen, die niemand kennen muss
Schon 1965 – er ist längst ein Idol – variiert Dylan in It’s allright Ma, I’m only bleeding Crudups Anfangsvers. Weil Rock’n’Roll für die politische Szene kein erstrangiges Anliegen mehr ist, erlebt er an der Seitenlinie der Studentenrevolte als „Hard Rock“ eine Wiedergeburt. Noch 1969 landet Led Zeppelin (1968-1980) mit Whole lotta love umgehend einen Klassiker.
Die Szene zerfranst trotzdem. Zwar schaffen Guns N’Roses (1985-1993) mit Welcome to the jungle von 1987 mittlerweile über 172 Millionen Youtube-Aufrufe, sind aber für die nunmehr altbefreiten 68er nicht mehr vorantreibend.
Jon Bon Jovi (*1962) jedoch bringt 2000 mit It’s my Life noch einmal so viel Wind unter die schon arg hängenden Flügel, dass 370 Millionen Aufrufe voll und ganz verdient sind. Die 1,2 Milliarden Aufrufe für die 2011er Party Rock Anthem von LMFAO (Laughing My Fucking Ass Off) stehen allerdings nur noch für nachklappenden Hip Hop.
Doch Rock’n’Roll geht nicht unter. Unüberbietbar singt Neil Young (*1945) in Out of the Blue: „My my, hey hey, Rock and roll is here to stay“. Und um ganz sicher zu gehen, folgt gleich hinterher "Hey hey, my my, Rock and roll can never die".
Wenn er das – immer wieder zwischen 1985 und 2008 – auf den Farm Aid Festivals vorträgt, hält kaum jemand an sich. Ob getanzt oder hemmungslos mitgeröhrt, Rock ‚n‘ Roll bleibt – wenigstens für fünf Minuten – einmal mehr die Antwort auf Fragen, die niemand kennen muss. Da trennt mich – aller Jahrzehnte dazwischen zum Trotz – nur wenig vom eigenen Sohn.
Quelle:
Die Achse des Guten