Teil 1.
Alex wird in Pattaya eingeführt
- Ein verwitweter Pensionär kommt zum ersten Mal nach Pattaya und findet Gründe, den Ort zu lieben -
Alex und Hugo kannten sich seit vielen Jahren, sie waren Freunde geworden und hatten einige Gemeinsamkeiten, obwohl sie recht unterschiedlich waren. Alex war gerade sechzig Jahre alt geworden und wurde feierlich pensioniert. Er war mit Hugos älterer Schwester verheiratet gewesen, aber die war schon vor fünf Jahren verschieden. Hugo war 47, seine Frau war freiwillig geschieden. So lebten sie beide allein. Hugo war Kraftfahrzeugmeister, ein sehr praktischer Beruf. Er hatte sich schon lange selbständig gemacht, was auch praktisch war, denn so konnte er seine Arbeitszeit und seinen Urlaub selbst bestimmen. Alex war Lehrer, ein sehr unpraktischer Beruf, was man Alex auch deutlich anmerkte. War es auch seine Aufgabe gewesen, seinen Schülern das Leben zu lehren, so hatte er doch mit dem praktischen Leben selbst ganz erhebliche Probleme.
Er konnte sich nicht einmal sein Essen zubereiten, ernährte sich seit dem Tod seiner Frau von Keksen und Butterbroten und verließ kaum einmal das Haus. Deshalb war Hugo zu seiner Pensionierung erschienen und meinte, er könne das nicht mehr mit ansehen. Alex hatte seit dem Tod seiner Frau nach und nach seine Bekannten verloren und er hatte es auch nicht geschafft, neue Bekannte kennenzulernen, geschweige denn irgend eine Frau. Er würde jetzt nach der Pensionierung nur noch zuhause sitzen, Butterbrote essen und vielleicht sonntags eine Pizza bestellen.
Hugo bemühte sich, Alex zu überreden, mit ihm in Urlaub zu fahren. Bei der Feier zur Pensionierung hatte er das schon einmal versucht, doch Alex hatte abgelehnt und Hugo hatte gebucht. Nachdem Alex jetzt aber schon eine Woche alleine zuhause war, versprach Hugo sich bessere Chancen und tatsächlich hörte Alex ihm jetzt wenigstens zu und kam selbst zu der Überzeugung, daß es vielleicht gut sei, wenn er einmal etwas anderes sieht, als seine vier Wände. Bei einem Urlaub im Süden an der See könnte er sich in die Sonne legen, die ihm fehlte und er könnte vielleicht auch einmal richtige Mahlzeiten zu sich nehmen. Er sagte schließlich zu, daß er zu einem Urlaub an der See mitfährt.
Helles Entsetzen packte ihn jedoch, als Hugo sagte, daß sie nach Pattaya fahren. Nach einem sprachlosen Moment meinte er: „Da, wo fünfzigtausend Prostituierte ‘rumlaufen, fünfzigtausend geldgierige, ekelhafte Weiber, an deren Tür die geilen Männer Schlange stehen, Frauen, die am Tag mit etwa vierzig Männern ins Bett gehen und dabei noch auf die Uhr schauen, damit es auch schnell genug geht, weil sie noch mehr verdienen wollen, um sich Champagner, Pelzmäntel und Sportcoupés kaufen zu können, da willst Du hinfahren, um Dich zu erholen?“
Hugo mußte lachen und meinte: „Du liest zu viele Boulevardzeitungen!“ Dann rechnete er vor: „Wenn fünfzigtausend Prostituierte am Tag mit vierzig Männern ins Bett gehen, dann müßten in Pattaya zwei Millionen Männer sein, die in den knapp fünfzigtausend Unterkünften leben und jeden Tag zu einer Prostituierten gehen. Da die Touristen aber im Durchschnitt nur zwölf Tage bleiben, müßten sie im Jahr rund dreißig Mal abgelöst werden. Dann müßten im Jahr sechzig Millionen Männer nach Pattaya kommen, die jeden Tag mit einer Prostituierten ins Bett gehen. Letztes Jahr sind aber nur etwa zehn Millionen Touristen nach Thailand gekommen, Frauen und Kinder eingeschlossen, und die haben sich auf ganz Thailand verteilt. Nach Pattaya sind nicht einmal eine Million Touristen gekommen, Familien, Männer, Frauen und Kinder, keine sechzig Millionen Männer. Meinst Du nicht, daß an Deiner Rechnung etwas nicht stimmt? Deine Zahlen sind mindestens um das Einhundertzwanzigfache übertrieben.“
Alex schaute ihn groß an, sagte aber kein Wort, worauf Hugo fortfuhr: „Das, was Du hier in Deutschland als Prostitution kennst, sieht in Thailand ganz anders aus und was Du hier als ekelhafte Prostituierte kennst, sind dort junge Mädchen. Die meisten kommen vom Lande und haben nichts gelernt, manche können nicht einmal lesen und schreiben. Die meisten kommen, um ihre Familie zu unterstützen. Über ein Drittel der Frauen haben Kinder und es spielt keine Rolle, ob ihnen der Mann weggelaufen ist, was dort sehr häufig geschieht, weil der Mann praktisch nicht unterhaltsverpflichtet ist, oder ob sie dem Mann weggelaufen sind; wenn eine Frau kleine Kinder hat, kann sie nicht arbeiten gehen. Dann gibt sie die Kinder bei den Eltern oder anderen Leuten in Pflege und muß dafür bezahlen. Wenn sie als ungelernte Hilfskraft in einer Fabrik vielleicht im Monat dreitausend Baht bekommt, rund sechzig Euro, reicht das Geld nicht.
Also geht sie in eine Bar, wo sie zwischen eintausendsechshundert und zweitausend Baht bekommt und hofft, daß sie in der Woche zwei- bis dreimal einen Mann findet, der sie mitnimmt, damit sie Geld nachhause oder für den Unterhalt der Kinder schicken kann. Viele Frauen arbeiten in einer Bar, weil sie hoffen, einen Mann zu finden, mit dem sie leben können, der sie versorgt oder vielleicht heiratet, einen Mann, für den sie dann auch alles tun, was sie können. Sicher gibt es dort auch Frauen, die an der Bar sind, weil es ein bequemes Leben ist, oder weil sie Geld machen wollen, aber sie wissen, daß sie von der Arbeit an einer Bar nicht reich werden. So sieht Deine furchterregende Prostituierte an Pattayas Bars aus. Es sind viele hilflose Mädchen, die nichts gelernt haben und es gibt natürlich auch geldgierige Weiber, die Dir jeden einzelnen Baht aus der Tasche ziehen. Aber man kann sich dort die Frau aussuchen, mit der man einen Tag, eine Woche, ein Jahr oder ein Leben lang verbringen will. Die Mädchen an den Bars wechseln die Männer nicht im dreißig Minuten-Takt, wie in einem Bordell in Europa. Sie gehen mit Dir mit und bleiben bei Dir, solange es Dir paßt und solange Du sie bezahlst oder versorgst.“
Alex war verwundert: „Willst Du sagen, denen kommt es nicht auf die halbe Stunde Sex und hohe Einnahmen an, sondern das sind richtige Freundinnen oder Geliebte?“ Hugo seufzte: „Nein. Die suchen sicher nicht eine halbe Stunde Sex, es kommt darauf an, was Du willst, die werden sich auf Dich einstellen. Sicher lieben sie Dich nicht spontan, weil Du so schön bist, weil Du sagst, daß Du sie mitnimmst und ihnen Geld gibst. Aber wenn Du sie mitnimmst, dann spielen sie die Geliebte und die spielen sie so gut, daß viele Ausländer glauben, daß sie die Ausländer wirklich lieben. Ob Du sie dann für eine Nacht ins Hotel mitnimmst oder einfach nur als Urlaubsbegleitung für einen Monat und sie nicht anrührst, das ist Deine Sache. Die werden sich auf Dich einstellen. Aber wenn Du zu ihnen nett bist, dann mögen sie Dich auch und es fällt ihnen viel leichter, die Geliebte zu spielen und dann können sie auch wirklich nett sein.“
Alex war verwirrt. Dann lief das in Thailand ja ganz anders ab, als in Deutschland. Aber Hugo mußte das wissen, denn der war ja schon öfter in Pattaya gewesen. Sie unterhielten sich noch längere Zeit über Pattaya, die Frauen, die Urlaubsmöglichkeiten und die Möglichkeiten verschiedener Ausflüge und anderer interessanter Unternehmungen, die Abwechslung bieten und schließlich meinte Alex, daß er wohl am besten einmal dorthin fährt und sich selbst ein Urteil bildet. Schließlich würde ihn ja niemand zwingen, in eine Bar zu gehen oder eine Frau kennenzulernen. Hugo hatte ohnehin schon gebucht und mußte also nach Pattaya fliegen und er hatte keine Lust, alleine in Urlaub zu fahren, also blieb ihm gar nichts anderes übrig, als zuhause zu bleiben oder mit Hugo nach Pattaya zu fahren.
Im Reisebüro erfuhr er dann, daß die Plätze in Hugos Flug schon voll ausgebucht waren. Er buchte daraufhin eine andere Maschine, die vier Tage später abflog und hatte ein Zimmer in demselben Hotel, in dem auch Hugo wohnte. Sie vereinbarten, sich erst am Tag nach seiner Ankunft beim Frühstück zu treffen, weil Alex vielleicht nach dem langen Flug müde sein und sich etwas ausruhen würde.
Die Zeit bis zur Abreise verging schnell und die Zeit im Flugzeug dank eines gesunden Schlafes noch schneller. Die Abfertigung an den Schaltern der Einwanderungsbehörde dauerte dagegen eine halbe Ewigkeit. Noch vor dem Ausgang wurde Alex von einem Taxifahrer abgefangen, der ihn für ,nur‘ zweitausend Baht nach Pattaya brachte, wo andere Neulinge es schaffen, einen Preis von 1.200 Baht auszuhandeln. In Pattaya kam er dann nach gut zwei Stunden Fahrt an seinem Hotel an und wurde mit einem Glas voll alkoholfreien rosafarbenen Wassers begrüßt, das man offensichtlich auf den Namen ,Cocktail‘ getauft hatte und mit dem man die Abneigung der thailändischen Regierung gegen Alkohol demonstrierte.
Alex packte seinen Koffer aus und legte sich hin. Da er im Flugzeug viel geschlafen hatte, war er aber nicht müde und stand bald wieder auf. Er zog sich seine Urlaubssachen an und wollte in der Hotellobby nach einem guten Restaurant fragen, denn das Essen im Flugzeug hatte seinen Magen nicht überzeugt. Die Spanier sagen, mit solch einem Essen würde man nur ,den Magen betrügen‘. Da im Empfangsraum gerade niemand war, setzte er sich in einen der großen Sessel, vor denen ein Tisch mit Zeitungen stand, die er sich interessiert anschaute. Doch er hatte kaum zu lesen begonnen, als eine dezent gekleidete schlanke junge Dame erschien und ihn begrüßte. Sie fragte, ob sie sich setzen darf und Alex glaubte, daß es sich um eine längere Information für touristische Gäste handeln muß.
Doch die Dame gehörte nicht zum Hotelpersonal, sondern erklärte, daß sie gesehen habe, wie er alleine angekommen sei und wie sehr sie das bedauere. Sie freue sich aber immer, wenn sie eine Gelegenheit findet, sich mit Ausländern zu unterhalten, weil sie dadurch ihr Englisch verbessern kann. Ohne Unterbrechung fuhr sie fort, von Ausländern zu erzählen, die nach Pattaya kommen und von Ausländern, die sie kennengelernt hatte, was die in Pattaya gemacht hatten und was sie bei sich zuhause taten, was Alex eigentlich nicht so sehr interessierte. Als sich nach mehreren Minuten eine Gelegenheit ergab, sie zu unterbrechen, fragte er sie, ob sie in der Nähe ein gutes Restaurant kennt und sie erklärte sich sofort einverstanden. Sie war auch bereit, mit ihm mitzugehen und ihm das Lokal zu zeigen, so daß er sie nun anstandshalber zum Essen einlud.
Das Restaurant war nicht weit entfernt, es war gut eingerichtet und das Essen schmeckte gut. Es hätte Alex allerdings noch besser geschmeckt, wenn seine Begleiterin auch hin und wieder einmal Luft geholt hätte, so wie andere Menschen das tun, wenn sie gleichzeitig essen und reden. Nachdem Alex auf ihre Erzählung über Ausländer nicht sehr begeistert reagierte, wechselte sie das Thema und sprach nun über das Leben auf dem Lande, die harten Lebensbedingungen und die ungerechte, schreiende Armut, die dort herrscht, die vielen Ernteausfälle und die grassierende Landflucht, bis es Alex doch einmal gelang, sie bei ihren angestrengten Bemühungen, ihr Englisch zu verbessern, zu unterbrechen.
Er fragte sie, was sie in Pattaya macht. Nun stellte sich die Dame erst einmal vor. Sie hieße Samart, was soviel wie ,fähig‘ bedeutet, und sie komme auch vom Lande, wo sehr harte Lebensbedingungen und große Armut herrschen, wo Ernteausfälle die Einwohner zur Landflucht zwingen... Alex hob die Hand und unterbrach sie erneut, um nochmals zu fragen, was sie in Pattaya macht. Nach einer kurzen Pause erwiderte sie, daß sie am liebsten studieren würde, aber das sei sehr teuer und sie habe kein Geld und die Ausländer, die nach Pattaya kommen, glauben alle, daß es so einfach sei, zu studieren, doch sie kommt vom Lande... Wieder war es Alex gelungen, sie zu unterbrechen. Er beteuerte, daß es ihn interessieren würde, zu wissen, was sie in Pattaya macht. Sie hatte ihm gesagt, daß sie am liebsten studieren würde und daß sie kein Geld hat. Beides ist aber nicht sehr einträglich und auch keine gute Ernährungsgrundlage, deswegen möchte sie ihm doch bitte sagen, was sie in Pattaya macht und wovon sie sich ernährt.
Während einer kurzen Pause schien es Samart zu stören, daß Ausländer so ausgesprochen unhöflich sind; ein Thailänder hätte sicher nicht ein drittes Mal gefragt, nachdem sie der Frage bereits zweimal ausgewichen war, aber ein Thailänder hätte auch sofort gewußt, aus welchem Grunde sie sich zum ihm setzt. Doch nun antwortete sie mit dem entwaffnendsten Lächeln, daß sie seine Lady sei. Es wäre eine Tradition, daß alleinreisende Ausländer, die nach Pattaya kommen, eine Lady haben und nun wäre sie für die Zeit seines Urlaubs in Thailand seine Lady, die ihm seinen Aufenthalt in jeder Beziehung Tag und Nacht angenehm gestalten würde.
Danach berichtete sie weiter über das Leben auf dem Lande, was nicht uninteressant war, aber den Aufenthalt im Restaurant ungemein verlängerte, wodurch Alex Zeit hatte, nach dem Essen noch zwei Flaschen Bier zu trinken. Nachdem er endlich die Rechnung bezahlt hatte, führte Samart ihn mit einem ausgedehnten Spaziergang zum Hotel zurück und erklärte ihm, daß er dadurch Pattaya besser kennenlernt. Dieser Weg zum Kennenlernen der Stadt führte an einem Laden vorbei, in dem so eine entzückende Bluse war, die sie ja so gerne gehabt hätte, und nicht weit hiervon entfernt standen ein paar unglaublich süße Schuhe in einem Schaufenster, die Samart so sehnlich erwünschte, aber sicher niemals kaufen konnte, wo sie doch so arm ist, daß sie noch nicht einmal das erforderliche Geld für ihr Studium hat.
Daß sie diesen reizenden und äußerst preiswerten Sachen begegneten, war sicherlich ein reiner Zufall, der nichts damit zu tun haben konnte, daß Alex den Eindruck machte, an einer hilflosen Gutmütigkeit zu leiden. Gleichermaßen beeindruckt von ihrer Armut als auch von ihrer Figur entschloß er sich, sich in einem guten Licht zu zeigen, indem er die Sachen kaufte, an denen ihr so viel gelegen schien. Im Hotel angekommen gingen sie an die Hotelbar, wo Samart Alex noch bis in den späten Abend unterhielt, bis sie ihn schließlich auf sein Zimmer brachte. Nach einer weiteren Weile munterer Unterhaltung, die Alex nach der Einnahme eines Schmerzmittels der Firma Singha viel erträglicher erschien, führte sie ihn in das Doppelbett des Hotelzimmers, das sie nun gemeinsam belebten. Es dauerte zwar noch eine Weile, bis ihr Mundwerk verebbte, doch dann war es nicht schwer, Alex in Bewegung zu bringen, worauf er bald einschlief.
Von einem Kinnhaken getroffen, schreckte er plötzlich hoch und bemühte sich, die Situation zu erfassen. Neben ihm lag Samart friedlich schlafend. Nach einiger Zeit legte Alex sich wieder hin und schlief auch wieder ein. Ein Tritt in den Bauch war sehr schmerzhaft und sorgte dafür, daß er sich gekrümmt hinsetzte und auf die friedlich schlummernde Samart schaute, was nicht verhinderte, daß er nun eine Faust auf die Nase bekam.
Zweiter Teil folgt
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