Danke @schiene,
das habe ich auch so noch nicht gelesen ...
Heute geht es eher mal ein paar Jahrhunderte zurück, und auch nur als Ausschnitt:
Historiker Jan von Flocken: „Drei Irrtümer über Martin Luther“Auszug:
Der dritte Irrtum: Luther als Fremdenfeind
Daß nach der osmanischen Invasion Osteuropas und der ersten Belagerung Wiens 1529 durch Sultan Suleiman I. Luther zur Feder griff, ist verständlich. Vom Kriege wider die Türken (1529) und Heerpredigt wider die Türken (1530) stellen einen Alarmruf gegen diese Gefahr dar. Luther bezeichnet die überall Angst und Terror verbreitenden Türken als „Gottes Rute und des Teufels Diener“, als „ein wüster, furchtbarer Zuchtmeister“ und warnt angesichts des fremdländischen Sklavenhandels: „Man verkauft in der Türkei die gefangenen Christen wie das Vieh und wie die Säue; achtet nicht, wer hier Vater, Mutter, Kind oder Weib sei, da wird das Weib dorthin, der Mann hierher verkauft.“
Aber Luther sieht die Türkengefahr auch als Strafe Gottes für die Sünden der Christen. Und diesen stellt er die orientalischen Eindringlinge sogar als nachahmenswertes Vorbild dar: „So wirst du sehen bei den Türken, nach dem äußerlichen Wandel, ein tapferes, strenges und ehrbares Wesen. Sie trinken nicht Wein, saufen und fressen nicht, so wie wir tun, kleiden sich nicht so leichtfertiglich, bauen nicht so prächtig, prangen auch nicht so, schwören und fluchen nicht so, halten großen, trefflichen Gehorsam, Zucht und Ehre gegen ihren Kaiser und Herrn.“ Ja in mancher Hinsicht wünscht sich Luther geradezu türkische Zustände: „Sie haben ihr Regiment äußerlich gefaßt und im Schwang, so wie wir’s gerne haben wollten in deutschen Landen.“ Der Mann wußte also zu differenzieren.
Was Luthers angeblichen Antisemitismus betrifft, so hegte der wortgewaltige Glaubenskämpfer ursprünglich die Hoffnung, viele Juden würden sich von ihrem Ritus abwenden und zur Reformation übertreten. In seiner Schrift Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei (1523) kommt durchaus Sympathie für die späteren Gegner zum Ausdruck. Er plädiert darin, die Juden freundlich zu behandeln und sie aus ihrem Ghetto in die Gesellschaft aufzunehmen. Vorwürfe und Gerüchte, die Israeliten würden Ritualmorde an Kindern begehen oder Brunnen vergiften, hält er für gefährlichen Unsinn. Luthers Absicht zielte eindeutig darauf, die Juden zum Christentum zu bekehren. Denn letztlich war das Judentum für ihn die falsche, durch das Wirken von Jesus Christus überflüssig gewordene Religion. Deshalb kritisierte er die Juden ebenso wie die Anhänger der katholischen Papstkirche, und das mit heftig deftigen, zu seiner Zeit durchaus üblichen Vokabeln. Er plädierte für die Einheit von Protestanten, Katholiken und Juden – eine Kirchenspaltung hat Luther niemals gewollt. Ihm ging es darum, durch Argumente aus der Bibel zu überzeugen.
So verfaßte Luther 1538 seinen Brief wider die Sabbather. Anlaß war ein Schreiben, in dem davon berichtet wurde, daß die Juden, anstatt zu Christus bekehrt zu werden, ihrerseits missionarisch tätig seien und Christen zum Judentum verführten; sie behaupteten, der Messias sei noch nicht gekommen und der Juden Gesetz bleibe ewig und müsse auch von den Heiden angenommen werden. Was Martin Luther zunehmend verbitterte, war die Tatsache, daß seine Bemühungen um die Bekehrung der Juden völlig fruchtlos blieben. Vielmehr wurde seine Reformation von zahlreichen Rabbinern abgelehnt und lächerlich gemacht. Voller Zorn veröffentlichte er deshalb Anfang 1543 die Streitschrift Von den Juden und ihren Lügen. Damit wollte er die Andersgläubigen schlicht loswerden, und er empfahl, man möge sie „zum Lande austreiben“. Seine wütenden Tiraden muten heute erschreckend an, aber weiland wurde verbal (und nicht nur auf diesem Gebiet) mit härtesten Bandagen um den wahren Glauben gestritten.
Während seiner letzten Predigt, die Luther gehalten hat, am 14. Februar 1546 in seiner Geburtsstadt Eisleben, äußerte er eine „Vermahnung wider die Juden“. Darin rief er wiederum dazu auf, freundlich an ihnen zu handeln und ihnen den christlichen Glauben anzubieten. „Dort aber, wo sie Christus annehmen, da sollen wir sie als unsere Brüder halten – sonst aber nicht dulden noch leiden.“ Religiöse Intoleranz gehörte im 16. Jahrhundert zu einer ganz gewöhnlichen und von allen Seiten benutzten Praxis. Martin Luther war in dieser Hinsicht nicht besser und nicht schlimmer als seine Zeitgenossen.
Jan von FlockenQuelle incl. dem kostenfrei zugänglichen 1. Irrtum:
https://zuerst.de/2017/06/09/drei-irrtuemer-ueber-martin-luther/