Sehr viele meiner Kollegen mißbrauchen das Thema ‹
Prostitution in Asien›, um ganz andere Dinge, vor allem ihr überwiegend nebulöses und, wie mir scheint, manchmal auch von eigenen feuchten Tagträumen bestimmtes Asienbild (die PISA-Katastrophe unserer Schüler und Eltern ist ein Klacks gegen diejenige in meinem Beruf) und ihre zwischen Strand und Schwimmpfuhl nebenher geknipsten Bildchen zu verbreiten.
In diesen
von vorne bis hinten verlogenen ‹-Berichten› tauchen unter dem Ettikett
‹Kinderprostitution› immer wieder Bilder von ganz normalen Marktfrauen auf, die gerade ihren Enkeln die Nase putzen und als ‹Sextouristen› werden Väter gebranntmarkt, die mit ihren eigenen Kindern im Urlaub in Pattaya bummeln gehen. Nachdem im deutschsprachigen Raum inzwischen in jeder zweiten Fernsehshow von sadomasochistischen Praktiken, Analsex und Fußfetischismus die Rede ist, und die Netzwerke der Freunde des männlichen Hintereingangs einen ungeahnten Zulauf und hohe Sympathiewerte für die neuen deutschen Kulturträger wie zum Beispiel
Hape Kerkeling und
Dirk Bach bejubeln (das ist
keine Wertung, nur Feststellung!), ist
Kinderprostitution neben Inzest das letzte Tabu, bei dem sich
alle Korrekten einig sind und mit dem man absolut j
edermann sofort und für alle Zeiten fertigmachen kann, wenn auch nur der leiseste Verdacht aufkommt, daß in dieser Richtung irgendwas "dran" sei.
Auch im normalerweise so betont politisch-korrekten
Spiegel mußte in den letzten 20 Jahren schon mehrmals offenbar mangels anderer Masse
immer das gleiche, einzige uralte Archivbild einer zur Zeit der Aufnahme
mindestens 25jährigen, nachweislich in einer Bangkoker Bar festangestellten Bangkoker Tänzerin (!) als Illustration von überaus dünnen, aber mit solchen Photos
künstlich aufgegeilten angeblichen Kindsex-‹Reportagen› herhalten.
Was so nervt, ist die Absicht des Gutmenschen, anderen Menschen [...] den Opferlamm-Stempel aufzubrennen [...]. Als ob eine 23jährige zu dumm wäre, um ‹nein› zu sagen. OK, wenn die thailändische Schöne von einer miesen Mafia eingefangen worden wäre, um anschaffen zu gehen, dann hätten wir eine andere Story.
Aber die haben wir nicht. Wir haben einfach eine junge Frau, die keine Lust auf eine Karriere als Kassiererin für 150 Euro Monatslohn verspürt. Und entschieden hat, als Hure ihr Brot zu verdienen. Das ist ihr verdammtes Recht. Ist Hurenleben ein würdeloses Leben? Ist 40 Jahre am Fließband stehen und drei Millionen Schrauben an300 000 Backröhren festziehen würdevoller, geistreicher, menschlicher?
Andreas Altmann:
Der Preis der Leichtigkeit. Eine Reise durch Thailand, Kambodscha und Vietnam. München 2006.
© Beide Texte und noch 8 1/2 Seiten mehr zum Thema
Prostitution und
Moral auf den Seiten
76 bis
82 im
TIP Führer Bangkok.