Mal wieder eine längere Analyse aus der Bangkok Post:
Meine Damen und Herren, Ihre Vorschläge bitteDie politische Wetterlage in Thailand ist im Augenblick schwer zu verstehen. Man kann sich zwar mit den neuesten Nachrichten auf dem Laufenden halten, sich aus den unterschiedlichsten Quellen informieren und alle möglichen Szenarien ausdenken – aber in der Realität fallen die Entscheidungen darüber, wie und wohin dieses Land geführt wird, in den Hinterzimmern, hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluß der Öffentlichkeit.
Das geschieht mit Hilfe eines geschäftigen Hin und Hers von Telefonaten, Vermittlern und Unterhändlern zwischen dem Lager von Thaksin Shinawatra, dem von Abhisit Vejjajiva, dem der Armee, dem der Eliten und was sonst noch so an Lagern da mitmischt. Sobald Kompromisse gefunden, Deals ausgehandelt und die gegenseitigen Nutzeffekte sichergestellt sind, wird in Thailand – zumindest vorübergehend – wieder Stabilität einkehren und die Verlierer werden sich zurückziehen, um ihre Wunden zu lecken und sich auf den nächsten Kampf vorzubereiten.
Die neueste Nachricht ist, daß der Stellvertretende Premierminister Suthep Thaugsuban nach dem verpatzten Versuch am Freitag, die Führer der Rothemden in ihrem Hotel zu verhaften, als Führer des Zentralen Krisenstabes (CRES) durch Armeechef General Anupong Paochinda abgelöst worden sei (zumindest, was militärische Operationen angeht). Dies wird als Maßnahme angesehen, um den zögernden Armeechef, der in einigen Monaten in den Ruhestand gehen wird, zum Handeln zu zwingen. Aber wird er auch wirklich handeln? Das fragen sich alle.
Nimmt man allerdings vergangene Aktionen als Indikator dafür her wie den katastrophalen Verlauf der gewaltsamen Auflösung der Demonstration in der Nacht vom 10. April oder den fehlgeschlagenen Versuch zur Verhaftung der UDD-Führer am Morgen des 16. April, dann wäre es vielleicht wirklich am besten, einfach gar nichts zu tun.
Eines zeigen uns diese Fehlschläge auf jeden Fall ganz deutlich – vor dem Hintergrund all dieser verschiedenen Gruppierungen innerhalb von Polizei und Armee wissen die Sicherheitskräfte als Ganzes betrachtet selbst nicht genau, auf welcher Seite sie eigentlich stehen. Ganz zu schweigen davon, daß die Obristen und Generäle vielleicht schon wissen, was sie wollen, aber ob das gleiche dann auch für deren Untergebene gilt?
Jatuporn Prompan hat anschließend verkündet, daß sich die 24 Top-Führer der UDD am 15. Mai den Behörden stellen würden. Und dann? Vor einiger Zeit haben sich die PAD-Führer Chamlong Srimueang und Sondhi Limthongkul ja ebenfalls schon mal den Behörden gestellt. Ich möchte wetten, den 24 UDD-Führern wird dann das gleiche passieren wie den Herrschaften von der PAD – nämlich nichts.
Es gibt im thailändischen Recht keine zweierlei Standards. Da herrscht ganz einfach nur Inkompetenz. Die Ursache dafür, daß die Gesetze inkompetent bis hin zur Unwirksamkeit angewandt werden, liegt ganz einfach darin begründet, daß man immer darauf zu achten hat, daß der gegenseitige Nutzeffekt gewahrt bleibt. Die rivalisierenden Parteien treiben weiterhin ihre Manöver hinter den Kulissen und die Telefone laufen immer noch heiß – und gleichzeitig füttern uns alle Parteien gleichermaßen mit nichtssagenden Informationen, um die Öffentlichkeit bei Laune zu halten.
Und so wird immer am Ende des Tages – egal, wer da gerade als Sieger draus hervorgeht – der Status Quo erhalten bleiben. Das Schlagwort des Monats – „Klassenkampf“ – wird weiterhin eine Worthülse bleiben und die „zweierlei Standards“ werden gleichfalls fortbestehen.
Vergangenen Samstag hatte ich eine interessante Unterhaltung mit einer Taxifahrerin, als ich von Lat Phrao in die Innenstadt fuhr.
Ich: Schwester, wo kommst Du her?
Sie: Vom Isaan.
Ich: Schwester, wie denkst Du über diesen ganzen angeblichen Klassenkampf?
Sie: Kampf um was? Dadurch wird sich am Leben der Armen nicht das Geringste verändern. Was weiß denn Somchai Normalthai hier überhaupt über Klassenkampf? Gar nichts.
Ich: Ja, aber Schwester, Thaksin hat doch den Armen pro Dorf eine Million Baht gegeben. Da ist er doch sicher ein Freund der Armen?
Sie: Und alle haben sich dafür Handys und Fernseher gekauft und den Rest verspielt. Wie soll das denn den Lebensstandard der Armen verbessern? Das war ja nicht einmal sein eigenes Geld. Er hat Geld des Volkes dazu benutzt, dem Volk Geld zu geben. Und dafür lieben sie ihn nun. Alles, was sie wissen, ist, daß Thaksin ihnen Geld gegeben hat. Das hat Abhisit nicht gemacht – so einfach ist das. Darum hat Abhisit auch versucht, so vielen Leuten wie möglich Almosen zukommen zu lassen, seit er Premierminister ist.
Ich: Und, Schwester, meinst Du, daß im Falle einer allgemeinen Wahl die Puea Thai gewinnen wird? Wen werden die Leute im Isaan wählen?
Sie: Ich habe keine Ahnung, wer gewinnen wird, aber die Leute werden auf jeden Fall den wählen, den ihnen ihr Nai (Provinzboß) nennen wird.
Ich: Aber Schwester, jetzt Moment mal. Wenn das ein Klassenkampf sein soll, warum sollen dann die Leute blind so wählen, wie der Nai es ihnen vorschreibt? Sollten sie sich nicht vielmehr gegen den Nai stellen und gegen ihn in der Provinz protestieren?
Sie: Meinst Du, die Leute sind lebensmüde? Abgesehen davon, ist es doch gerade der Nai, der sie zum Demonstrieren nach Bangkok geschickt hat.
Genau so sieht der Status Quo im feudalen Thailand aus. Die Amataya (Adel oder altes Establishment) steht in den Schlagzeilen, aber es ist der Nai, dem bei der Aufrechterhaltung des feudalen Status Quo die Schlüsselrolle zukommt. Egal, ob die Amataya oder der Nai am Ende dieses Königreich beherrschen werden, die „zweierlei Standards“ in diesem Land werden bleiben. Kein doppelter Standard aufgrund des Gesetzes, um das noch einmal klarzustellen. Das Gesetz besteht nur aus Worten auf dem Papier – es ist vielmehr die Interpretation und Umsetzung der Gesetze, in der sich die Haltung der Gesellschaft wiederspiegelt – eine Haltung, die das moderne Thailand geformt hat.
Dies ist schon immer eine gespaltene Nation gewesen. Stehe hoch oben auf dem Balkon Deines Appartements und blicke mal auf den Slum darunter herab. Schau doch nur aus dem abgedunkelten Fenster Deines europäischen Luxusautos und erblicke die Armut auf den Straßen. Und schlimmer – für die privilegierten Bangkoker spricht der überwiegende Rest von Thailand noch dazu in einem Dialekt, den diese kaum verstehen können – wahrlich eine gespaltene Nation!
Sie sehen anders aus. Sie verhalten sich anders. Sie reden anders.
Natürlich gibt es in jeder Gesellschaft Reiche und Arme, besonders, wenn diese Gesellschaft mehr oder weniger erfolgreich dem kapitalistischen Modell einer Demokratie folgt. Aber hier sind es die Kultur der unterwürfigen Ehrenbezeugung, des Nai und des Prai (Bauern) und das gewaltige Ungleichgewicht bei der Verteilung der Einkommen, die die „zweierlei Standards“ in Thailand unakzeptabel machen – zumindest für jemanden wie mich, der dem schwer faßbaren Ideal der „Gleichheit“ nachjagt. Aber nun zurück zu meiner Unterhaltung mit der Taxifahrerin.
Ich: Schwester, was würde Deiner Meinung nach das Leben der Armen zum Besseren wenden?
Sie: Ausbildung. Das weiß jeder. Egal, mit wem Du sprichst, alle sagen, es hängt an der Ausbildung. Sogar dumme Leute kapieren das.
Ich: Schön, Schwester, hat Thaksin nicht den Schulen auf dem Land kostenlos Computer zur Verfügung gestellt?
Sie: Viele Schulen haben noch nicht mal Strom und er gab uns Computer? Die Kinder haben noch nicht einmal ordentliche Bücher oder Kleidung. Aber Abhisit hat uns kostenlose Schulbildung gegeben.
Ich: Aber Schwester, kostenlos oder nicht, die Schulbildung ist doch weiterhin die gleiche wie zuvor. Wie soll sich dadurch etwas ändern?
Sie: Weiß ich nicht. Du vielleicht? Oder überhaupt jemand?
In der realen Welt gibt es keine perfekten Lösungen. Aber wir sollten uns endlich mit der Vergangenheit abfinden und uns im Guten wie im Schlechten auf die Zukunft konzentrieren, indem wir uns diese Frage stellen: Welches Lager – Thaksin Shinawatra und die neuen Eliten oder Abhisit Vejjajiva und die alten Eliten – kann nach unserer Überzeugung Thailand auf dem sicherlich harten und steinigen Weg, der vor uns liegt, am besten in die Zukunft führen? Welches Lager ist für uns die beste Alternative?
Aber vielleicht wird auch der Vertreter einer dritten Richtung Premierminister? Immerhin laufen die Telefone in den Hinterzimmern immer noch heiß.
Aber letztendlich ist doch die interessanteste Frage: Wie können wir die Entscheidungsfindung und Führung in diesem Land aus den Hinterzimmern in die Öffentlichkeit eines demokratischen Prozesses bringen? Darauf wird es erst dann eine Antwort geben, wenn wir gelernt haben, eine Brücke über die Kluft zwischen den beiden Thailands zu schlagen.
Quelle:
http://www.bangkokpost.com/opinion/opinion/36233/ladies-and-gents-place-your-bets