Im alten Forum hatte ich eine Serie über die Bedeutung von Strassennamen in Bangkok angefangen.
In einer der Episoden ging es um die
Thanon Yaowarat. Ein Wort, welches sich auch für einen, der nicht der Thaisprache mächtig ist, ziemlich "unthai" anhört, zumindest was den allgemeinen Sprachgebrauch betrifft.
Ich glaube, dass dies ganz gut in diese Rubrik "Thailändisch lernen, Thailand verstehen" passt. Deswegen noch einmal hier die "Yaowarat" Episode.
Thanon YaowaratDiese Strasse verläuft in etwa parallel zu einem Abschnitt der Thanon Charoen Krung.
Sie beginnt an der Thanon Chakphet gleich am Khlong Ong Ang oder in seiner Gesamtlänge als Khlong Rop Krung bezeichnet, der zweiten Verteidungslinie für die Altstadt Rattanakosin.
Rop = drum herum
Krung = Stadt
An diesem Kanal entlang befand sich einmal die Stadtmauer der alten Königsstadt. Ihre Spuren sind getilgt. Lediglich ein paar gänzlich neu erbaute Bruchstücke mit nachempfundenen Stadttoren sind wieder entstanden und erinnern an alte Zeiten, als Mauern noch einen sinnvollen Schutz vor Angreifern boten.
Die Thanon Yaowarat beginnt also vor den Toren der damals befestigten Altstadt und mündet schliesslich unweit des dritten und äusseren Kanalringes, dem Khlong Phadung Krung Kasem, in die Thanon Charoen Krung.
Mit dem Fahrrad, China Town Stil, in 5 Minuten leicht zu bewältigen oder auch nicht. Das windschnittige Schutzblech, kunstvoll graviert mit „Tom&Jerry“, verspricht speed und Zuverlässlichkeit..
Dieser Strassenname wird gerne mit China Town gleichgesetzt. Das ist OK. In manchen Publikationen, besonders im Internet, gewinnt man aber zuweilen den Eindruck, dass dies auch die Übersetzung von Yaowarat wäre. Da im www meist jeder von jedem abschreibt, weil selber zu faul zum Recherchieren, ist diese Ansicht wohl weitverbreitet. Die ersten 100 Treffer bei Google, ob Deutsch oder Englisch, sind im Sinne der kollektiven Verblödung besonders hilfreich.
Ja, die Thanon Yaowarat liegt in China Town. Ja, die Atmosphäre mutet sehr chinesisch an, wie überall auf der Welt, wo es China Towns gibt, aber ihr Name beinhaltet nicht den geringsten Hinweis auf China oder Chinesen.
Wenn man pingelig (Kölsche Ausdruck) sein will, durchquert sie eigentlich nur einen Teil von China Town. Denn China Town zieht sich entlang der Thanon Charoen Krung gen Süden bis jenseits der Soi 52 (Soi Wanglee) und des Wat Yannawa hin. Von den Vierteln zwischen der Yaowarat und dem Chao Phraya Fluss ganz zu schweigen.
Möchte aber keine Erbsen zählen. Hier geht es ja um die Bedeutung des Namens Yaowarat.
Vor dem Bau der Thanon Yaowarat bestand dieser Teil China Towns ausschliesslich aus verwinkelten engen Gassen. Für den Aussenstehenden absolut verwirrend und unübersichtlich. So manch Fremder ging hinein und ward nie mehr gesehen. Chinesische Gangs herrschten dort über ihre „Untertanen“ und zockten die Nachbarschaft ab, völlig unabhängig vom Königshaus, der Gerichtsbarkeit und der Polizei. Opium Dens, Spielhöllen, Kneipen und Bordelle sorgten für das alltägliche Vergnügen. Das Leben war hart und man gönnte sich ja sonst nix.
Die Puffs befanden sich in den „green light“ Bezirken. Bordelle waren mit grünen Lampen am Eingang gekennzeichnet. Ahnungslose europäische Rotlicht-Freier mögen vergeblich nach Entspannung gesucht haben, falls keine Schlepper vor der Tür standen.
Die Farbe Rot ist bei den Chinesen für „good luck“ und allem, was Wohlstand verspricht, reserviert.
1889 kam es zu einem „Bürgerkrieg“ zwischen diesen Gangs. Erst ein Infanterie Regiment der Royal Army konnte für Ruhe sorgen. Die Polizei war chancenlos. Die Soldaten kamen entlang der Charoen Krung mit der Strassenbahn. Kein Witz. Die wurde zu jener Zeit noch von Pferden gezogen.
Die Royal Navy ergänzte die Aktion mit Kanonenbooten und sperrte flussseitig die Fluchtwege ab, damit nur ja keiner entkommen konnte. Man darf sich diese Angelegenheit ruhig als grandioses Gemetzel mit Kolateralschäden vorstellen. Die überlebenden Gangmitglieder wurden in grosser Zahl gefangengenommen, gruppenweise an ihren typischen Pferdeschwänzen zusammengebunden (man sagt zu je 100) und zu ihrer Schande durch die Strassen getrieben. Dabei ist wohl der ein oder andere versehentlich skalpiert worden, wenn Kollegen stolperten und sich flach legten.
Der Ort des Hauptgeschehens lag aber nicht dort, wo heute die Thanon Yoawarat ist, sondern weiter südlich in der Nähe der Soi Wanglee und des Wat Yannawa. Die Umgebung des Hafens mit all ihren Begleiterscheinungen war eine ziemlich düstere Gegend. Kein Wunder, dass sich die Wanglees nicht dort niedergelassen hatten, sondern schön im Grünen weiter östlich inmitten von Obst und Gemüseplantagen auf ihrem eigenen Grund und Boden, wo heute der Sathorn Thani Tower steht.
Im Ballungszentrum von China Town weiter nördlich hätte auch die Royal Army keine Chance gehabt, ohne dort vorher alles niederzubrennen und plattzumachen.
So ist es nicht verwunderlich, dass König Rama V kurz darauf im Jahre 1891 rein präventiv anordnete, eine Strasse quer durch das verschachtelte Herz von China Town zu bauen. Strassenbahn inbegriffen. Die hatte sich ja schliesslich beim Truppenaufmarsch vor zwei Jahren weiter im Süden bewährt.
Somit ist die Thanon Yaowarat aus rein militärischen und ordnungspolitischen Gründen entstanden und nicht etwa zum Wohle der Chinesen, die dort unbeschreiblich eng neben- und übereinander hausten. Von dort konnte die Polizei und auch das Militär leichter in den Irrgarten vorstossen, falls notwendig.
Ein eventuell notwendiger Krieg gegen die chinesischen Gangs in diesem Viertel sollte mit Heimvorteil geführt werden, nämlich von dieser Ader aus mit dem sinngemäss übersetzten königlichen Namen:
Strasse, von einem in jungen Jahren Gekrönten erbaut...oder eben Thanon Yaowarat.
Dazu muss man wissen, dass König Chulalongkorn, Rama V, erst 15 Jahre alt war, als sein Vater König Monkut, Rama IV, starb, und er die Nachfolge antrat.
Ein Thaikönig jener Zeit, auch der weltoffene Rama V, hätte nie und nimmer bei der Namensgebung seiner eigenen Strasse einen Bezug auf das gemeine Volk der Chinesen einfliessen lassen. Das wäre absolut unnobel und überhaupt undenkbar gewesen.
Wie schon bei der Thanon Charoen Krung war eine altindische Pali-Bezeichnung die einzig angemessene. Sehen sich doch auch die Thaikönige in der Tradition der Khmers als Stellvertreter Lord Vishnus auf Erden. Als Teil der hinduistischen Triologie von Brahma dem Schöpfer, Vishnu dem Erhalter und Shiva dem Zerstörer.
Gnädigerweise wurde die Yaowarat nicht wie mit dem Lineal gezogen quer durchs Viertel geschnitten, sondern nahm in ihrem Verlauf Rücksicht auf Gebäude und Gärten. Die Chinesen erfanden dann später den Mythos von der „Drachenstrasse“, weil sie sich leicht daherschlängelt. Ein Segen der Götter. Glücklich, wer an ihr wohnen und seinen Geschäften nachgehen durfte.
Der Drachenkopf liegt am östlichen Ende, dort wo sie in die Thanon Charoen Krung mündet. Der Bauch in der langezogenen Kurve im Mittelteil. Und wen wundert´s. Dort in der Plautze befinden sich die meisten Lebensmittelläden und Restaurants.
Ein Drachen ist immer hungrig und will ständig gefüttert werden. Auch mit Walpimmeln, wie der Volksmund diese Dinger nennt.
Vielleicht weiss jemand, was das wirklich ist. Eine Aufklärung ist willkommen.
Ediert: Links zu den ursprünglichen Bildern wieder eingesetzt.