Markus C. Kerber, Gastautor / 30.11.2022 / 14:00 /
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Kampfflieger und Rausflieger
Beim zukünftigen Kampfflugzeug sind sich zwei französische Unternehmen einig geworden: Airbus und Dassault
Das Bundesverteidigungsministerium verkündet die Einigung mit Frankreich über den Bau des künftigen Kampfjets (FCAS). Die Pariser Presse jubelt. Endlich. Nach fünf Jahren intensiver Verhandlungen, die im Wesentlichen zwischen Dassault und Airbus stattgefunden hatten, scheint es nun mit der Entwicklung des für Frankreich und seine Luftfahrindustrie existenziellen Projekts voran zu gehen. Uneinigkeit über die Arbeitsteilung bei dem mehr als 100 Milliarden teuren Vorhabens eines „europäischen“ Kampfflugzeuges hatte immer wieder zu Schwierigkeiten geführt. Dassault verlangte nicht nur die Führung des Projektes für sich, sondern auch die Eigentümerrechte an den Entwicklungsergebnissen und die Exportrechte. Damit konnte sich das weitaus größere Unternehmen Airbus nicht anfreunden. Untergegangen bei dieser Diskussion sind hierbei die Interessen der deutschen Industrie: OHB, Diehl, Hensoldt, Rohde & Schwarz, ESG u.a. hatten ein Mittelstandskonsortium zur Verteidigung ihrer Interessen gebildet.
Anscheinend reichte ihr Einfluss nicht aus, um das Bundes-verteidigungsministerium zu einer Wahrung ihrer Interessen zu veranlassen.
Seitdem Präsident Macron den deutschen Bundeskanzler nach Paris geladen und unter Druck gesetzt hatte, war es nur noch eine Frage der Zeit, wann eine „Einigung“ zwischen Dassault und Airbus verkündet werden sollte.
Für Frankreich ist die finanzielle Beteiligung Deutschlands an diesem Projekt von entscheidender Bedeutung, weil das Land alleine zur Entwicklung eines eigenen Kampfflugzeugs finanziell schwerlich in der Lage wäre. Bei Dassault ist die Entscheidung für die Entwicklung eines bemannten Kampfflugzeugs von existenzieller Bedeutung, weil die Entwicklungsergebnisse aus militärischen Projekten mittelbar in ihr ziviles Luftfahrtprogramm eingeflossen sind. Dies war bisher ein sehr erfolgreiches Geschäftsmodell. Der französische Steuerzahler finanzierte die Entwicklung von Dassaults hochprofitablen Privatjets mit. Nun soll auch der deutsche Steuerzahler an diesem Milliardenspiel zugunsten französischer Industrieinteressen beteiligt werden.
Nichts zu melden, außer die Finanzen zu stellen
Dass das Bundesverteidigungsministerium die „Erfolgsmeldung“ an die Öffentlichkeit brachte, ist bezeichnend: Es hatte in den Verhandlungen kaum etwas zu melden, denn die Entscheidung wurde auf Druck der französischen Regierung zwischen den beiden Akteuren Airbus und Dassault getroffen, die sich jedenfalls nach außen auf einen Kompromiss und eine ungefähre Arbeitsteilung geeinigt zu haben scheinen. Damit wollte Frankreich bei der Verkündigung der Erfolgsmeldung jenem Land den Vortritt überlassen, das in diesem Projekt nichts zu melden hat, außer die Finanzen zu stellen. Denn Airbus ist längst ein französisch geführtes Unternehmen geworden, wie unschwer an der Postenverteilung in den Leitungsorganen gesehen werden kann.
Entscheidungsdruck bestand deshalb, weil unter der Führung von BAE und Saab sowie unter Mitwirkung von Leonardo ein englisch-schwedisch-italienisches Konkurrenzprojekt mit dem Namen Tempest in der Entstehung war. Wettbewerb mag Frankreich überhaupt nicht. Daher ist die Einigung, die nun verkündet wurde, nicht wirklich eine nachhaltige Entscheidung, sondern Ausdruck des französischen Wunsches, das Konkurrenzprojekt gar nicht zur Entstehung kommen zu lassen.
Wie die hoffnungslos überforderte Bundesverteidigungsministerin der deutschen Industrie erklären will, dass Deutschland bei einem mehr als 100 Milliarden schweren Projekt weder bei der Bewaffnung noch der Avionik und auch nur teilweise bei den Motoren eine Rolle spielen wird, gibt dem wissenden Beobachter Rätsel auf. Werden sich die großen Mittelständler wie Diehl, OHB, Rhode & Schwarz, Hensoldt und manch andere diesen faulen Kompromiss vom Bundesverteidigungsministerium widerspruchslos vorsetzen lassen?
Und wozu dient eine Interessenvertretung wie der Bundesverband der deutschen Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie unter ihrem Geschäftsführer Dr. Atzpodien, wenn ein sogenanntes deutsch-französisches Industrieprojekt letztlich von zwei Unternehmen unter französischer Dominanz entschieden wird? Dassault gehört französischen Eignern, und Airbus wird, obschon mit einer paritätischen Kapitalbeteiligung aus deutscher Hand ausgestattet, überwiegend von Franzosen geführt. Wahrscheinlich werden die Deutschen erst aufwachen, wenn aus dem 100-Milliarden- ein 200-Milliarden-Projekt geworden ist und Deutschland wieder einmal zur Kasse gebeten wird.
Dr. iur. Markus Kerber ist Professor für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, Absolvent der E.N.A. und Gründer von www.europolis-online.org.