Burmas religiöse Abgründe"Die Flugblätter, die buddhistische Mönche in den vergangenen Wochen in Rangun verteilt haben, lassen aufhorchen. «Kauft nicht in muslimischen Geschäften», hetzen die Geistlichen. Im Gliedstaat Rakhine, wo Zusammenstösse zwischen der buddhistischen Mehrheitsbevölkerung und der Minderheit der Rohingya in den vergangenen fünf Monaten Dutzende von Toten gefordert haben, kursieren noch krudere Pamphlete.
Eine Vereinigung junger Mönche forderte dazu auf, keine Rohingya zu beschäftigen, mit ihnen keinen Handel zu treiben und ihnen den Transport auf Booten, Fähren oder Motorrädern zu verweigern. Eine ausländische Mitarbeiterin einer Nichtregierungsorganisation fotografierte in der Regionalhauptstadt Sittwe jugendliche Tagelöhner, die Schilder mit der Aufschrift «Ich bin Hindu» am Hals trugen – um bloss keine Zweifel aufkommen zu lassen. ...
...Der Rohingya-Politiker Kyaw Min, der als Gesinnungshäftling bis im Januar im Gefängnis war, setzt seine Hoffnungen auf die Vereinigten Staaten und Europa. Er anerkennt zwar, dass die muslimischen Länder seinem Volk Sympathien entgegenbrächten. Allerdings scheint er es der Organisation Islamischer Zusammenarbeit nicht zuzutrauen, dass sie genügend diplomatischen Druck aufbauen kann. Enttäuscht zeigt sich Kyaw Min von Burmas bekanntester Bürgerrechtlerin Aung San Suu Kyi. Er sass mit ihr in den neunziger Jahren in einem Komitee, das die Parteien der vom Militär ignorierten Wahlen von 1990 vertrat. «Ich habe Aung San Suu Kyi nach den Unruhen geschrieben.» Auf eine Antwort wartet er bis heute.
Die Friedensnobelpreisträgerin äusserte sich bisher zur Krise und zu einer möglichen politischen Lösung unbestimmt und distanziert. Als sie auf ihrer Europa-Reise gefragt wurde, ob die Rohingya das Bürgerrecht erhalten sollten, reagierte die sonst eloquente «Lady» mit einem Schulterzucken. Vor wenigen Tagen sagte die Generalsekretärin der National League for Democracy gegenüber der BBC, sie verhalte sich lediglich neutral. Kritiker Suu Kyis geben eine andere Erklärung: Aus der Dissidentin sei eine Parteichefin geworden, die die Wahlen von 2015 gewinnen wolle. Wer sich für Rohingya einsetze, begehe politischen Selbstmord."
http://www.nzz.ch/aktuell/international/burmas-religioese-abgruende-1.17784282