Sayam (‹Siam›)
สยาม sà¿ ja:m?Sayam Prathet sà¿ ja:m? bprà¿ tê:d (Regio Thai) bzw. Sayammaphak
sà¿ ja:m? má¿ pá:g (Natio Thai), wie es auf Seite 692 des ersten wissenschaftlichen Wörterbuchs der Thai-Sprache von 1854 steht, benutzte einst nur die winzige Elite gegenüber Ausländern. Die einzige Bedeutung, die
sà¿ ja:m? in der Region von jeher hatte, ist diejenige der Farbe Braun. Für die unter den kriegerischen Thais besonders leidenden Khmer und Mon waren die in ihr Land eingefallenen Thais braune Barbaren (
sà¿ ja:m? = von Sanskrit
s´ya:ma – braun bzw. von dunkler Hautfarbe, das Akutzeichen sollte eigentlich über dem ‹s› stehen...). Sogar im Laotischen, das nur ein Thai-Dialekt ist, hat
sà¿ ja:m? einen stark negativen Beiklang (
Allen Kerr:
Lao–English Dictionary, s.v.), von dem jedoch
Michel Ferlus vermutet, daß dieser erst ein Produkt neuerer Zeit sei (
Sur l’origine des ethnonymes ‘Siam’ et ‘Môn’, 2007). Immerhin wurde auch Laos jahrhundertelang vom ‹Brudervolk› unterjocht und ausgebeutet.
Für die Thai-Herrscher und ihre Untertanen war ihr Einflußbereich, der allerdings keine exakt festgelegte Grenze hatte, dagegen schon immer Müang Thai, Reich bzw. Land der Thais. Schon
1691 wunderte sich
Simon de la Loubère: ‹Die Siamesen kennen den Namen Siam gar nicht. Es ist einfach ein Wort, das die Portugiesen in Hinterindien benutzen. Die Siamesen selbst nennen sich Thais, oder Freie.›.
Der Außenname ‹Siam› hatte jedoch politische Bedeutung und ließ sich trefflich instrumentalisieren. Durch Änderung des Landesnamens von Siam Prathet
sà¿ ja:m? bprà¿ tê:d zu Prathet Thai
bprà¿ tê:d tai (Prathet = von Sanskrit
Pradesha für Land) wurden unter dem Hitler-Bewunderer
Plæk Phibunsongkram ab 1938 Minderheiten gezielt ausgeschlossen: Thailand den Thais. Man träumte von Großthailand und besetzte unter anderem das von Shan (als ‹Thai Yai› instrumentalisiert) bewohnte Ost-Birma und Teile Kambodschas.
Als abzusehen war, daß die Sache schief ging, nutzte der Diktaktor kurz vor Kriegsende einen günstigen Augenblick zum Rücktritt. Schon seit
1943 hatten seine Berater trotz ihrer Sympathien für Japan, Italien und Deutschland so argumentiert: ‹Wer, glauben Sie, wird den Krieg voraussichtlich verlieren? – Der Verlierer ist Ihr Feind!›
Unter neuer Regierung wechselte man 1945 in letzter Sekunde die Fronten, sabotierte ein bißchen bei den Japanern und nahm als äußeres Zeichen wieder den Namen ‹Siam› an. Alle unter dem jetzt plötzlich ‹illegalen› Namen Thailand unterschriebenen Verträge wurden für nichtig erklärt.
Selbstverständlich erklärte man in höchster Not auch ‹freiwillig› alle Raubzüge bei den Nachbarn reumütig für illegal. Prompt saß man, wie schon nach dem ersten Weltkrieg, wieder glücklich mit den USA am Siegertisch. Der Lehrsatz der Könige Mongkut und Chulalongkorn (‹
Man biege sich wie der Bambus mit dem Wind und richte sich danach wieder auf›) hatte erneut glänzende Früchte getragen.
Als die Sache ausgestanden war, kam der keineswegs unbeliebte Diktator prompt zurück. Der änderte
1948 fast als erste Amtshandlung den Landesnamen erneut in
Prathet Thai und setzte bis heute gültige ausländerdiskriminierende Gesetze durch.
Wie routinemäßig man in Thailand historische Tatsachen zu ignorieren versteht, wird im aktuellen Streit um den kambodschanischen Tempel deutlich (Thai: Phra Wihan [
prá¿ wí¿ ha:n? ]; Khmer:
Preah Vihear), der in der thailändischen patriotischen Presse natürlich sehr bewußt als ‹Hindu Tempel› bezeichnet wird, schon um jede Assoziation mit den eigentlichen Erbauern zu vermeiden.
International gesehen existiert gar kein Streit, denn es ist eindeutig, daß der Tempel nicht nur
1. eine große kulturelle Leistung des alten Reiches Angkor ist, in das die ‹braunen Horden› erst viel später eingefallen waren, sondern daß der von den Thais ebenso wie
Sukhothai und viele andere ehemalige
Kerngebiete des alten Kambodscha annektierte Tempelgrund
2. auch auf kambodschanischen Gebiet liegt, was ebenfalls außer Frage steht.
Dennoch hindert das einige hochgerüstete Chauvinisten im thailändischen Militär nicht, wegen einer
Landfläche von der Größe eines besseren Parkplatzes böse
Kriegsdrohungen gegen das kleinere Nachbarland auszustoßen, dessen Kultur man sich zwar einst übergestülpt hat, auf das man aber dennoch oft geradezu verächtlich herabsieht: Von Kambodscha sprachen patriotische Thais, gerade diejenigen der winzigen adeligen Elite, schon seit Jahrhunderten
‹...mit dem Lächeln, das Hellenen aufsetzen, wenn sie von Barbaren sprechen. Denn die Siamesen sind sich ihrer Überlegenheit über die Kambodschaner bewußt.› –
Martin Hürlimann:
Die Wunder Asiens. Berlin 1931, 170.
Vielen Dank an Susanne Götz M. A. für neue Literaturhinweise
© Hans Michael Hensel, Bangkok von Innen, 7. Auflage Juli 2008 und © TIP Führer Bangkok 2008