Suu Kyi in Europa - Eine Reise in die Vergangenheit mit Blick in die Zukunft"Freudig-aufgeregt, aber voreilig vermeldete die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) vor einigen Wochen, die burmesische Menschenrechtsaktivistin Aung San Suu Kyi werde am Hauptsitz in Genf ihre erste Rede im Ausland seit 24 Jahren halten. Zuvor kam der ILO ausgerechnet eine andere am Lac Léman angesiedelte Organisation, das World Economic Forum (WEF). Dessen Gründer Klaus Schwab, der sich Anfang Jahr noch vergeblich bemüht hatte, die frühere Dissidentin nach Davos einzufliegen, verpflichtete Suu Kyi für die asiatische Ausgabe des WEF in Bangkok Ende Mai.
Nach einem Diner in der Residenz des Schweizer Botschafters zog Aung San Suu Kyi am WEF die versammelten Exzellenzen und Konzernchefs mit Eloquenz, Charme und Scharfsinn in Bann. Sofern der Ausnahmezustand im westburmesischen Teilstaat Rakhine nicht zu einer Terminverschiebung führt, wird die bekannteste Politikerin Südostasiens ab diesem Mittwoch die Schweiz, Norwegen, Irland, Grossbritannien, und Frankreich besuchen.
....Suu Kyis Reisetätigkeit wird in Naypyidaw mit einer Mischung aus Skepsis und Argwohn verfolgt. Unter Diplomaten kursiert die These, der blass wirkende Präsident Thein Sein habe seinen Auftritt am WEF in Bangkok kurzfristig abgesagt, weil er nicht im Schatten der «Lady» stehen wollte. Gegenüber Journalisten rügten Berater des Präsidenten Suu Kyi für ihre Aussage am WEF, ausländische Investoren sollten Vorsicht walten lassen, da Burma noch keine wirklich demokratische Gesellschaft sei. Die offiziöse Zeitung «New Light of Myanmar» schrieb nach dem Besuch der Oppositionsführerin in Thailand, das mühsam erarbeitete Vertrauen zwischen Thein Sein und Suu Kyi könne wieder zerbrechen. Warnend hiess es weiter, die Zukunft des Landes hänge komplett von der Kooperation der beiden Persönlichkeiten ab.
Trotz diesen Verstimmungen dürfte sich die Regierung im Klaren darüber sein, dass dem Land keine bessere Botschafterin zur Verfügung steht als Aung San Suu Kyi. Ohne ihren Zuspruch wären die lästigen Sanktionen wohl noch heute in Kraft."
http://www.nzz.ch/aktuell/international/eine-reise-in-die-vergangenheit-mit-blick-in-die-zukunft-1.17225198