Einer der letzten großen "Reisenden" und zugleich ein ganz großer seiner Zunft war der
1938 in Florenz geborene und
2004 gestorbene Journalist Tiziano Terzani, der unter anderem fast 30 jahre lang für den Spiegel aus Asien berichtete.

Ein eleganter, großer Herr mit Schnauzbart, gut gekleidet, der ganz selbstverständlich in Japan japanisch, in China chinesisch und in Indien Hindi lernte. Ein Reisender im klassischen Sinn. Seine Berichte zielten stets auf tieferes Verständnis und intellektuelle Erweiterung.
In Deutschland wurde bei seinem Tod fast ausschließlich der große Asien-Reporter Terzani gewürdigt:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,310882,00.html (das oben eingefügte Bild stammt aus diesem Artikel)
Nicht jedoch der Globalisierungsgegner, der Pazifist, der Kritiker der modernen Schulmedizin. Dabei war Terzani n seinen letzten Jahren vor allem in Italien, fast schon als eine Art Guru angesehen. Obwohl ich von solchen Hochstapeleien normalerweise nichts halte, gebe ich zu, daß er auch mich stark beeindruckt hat. Zu seiner äußeren Erscheinung kam eine fast schon verführerisch gut geschriebene und gesprochene Rhetorik. Unter anderem war er ein scharfer Kritiker kapitalistischer Globalisierung, ohne sich deshalb aber von den politisch-korrekten Spinnern vereinnahmen zu lassen.
Terzani ist der Inbegriff des Gegenteils der Oberflächlichkeit vieler heutiger Journalisten mit ihrem eilig zusammengeklickten Halbwissen. Auch seinen vielen Berichten über
Thailand war das immer anzumerken.
1975 war er einer der wenigen westlichen Journalisten, die auch nach dem Abzug der US-Truppen aus Vietnam in Saigon blieben. 1984 warfen ihn die Chinesen wegen "antirevolutionärer Aktivitäten" ins Gefängnis. 1993 verzichtete er wegen einer Prophezeiung, er werde abstürzen, auf das Fliegen und reiste per Bahn, Schiff und Taxi durch Asien und dann nach Europa. Halb glaubte er daran, halb zweifelte er, doch stürzte der UNO-Hubschrauber ab, mit dem seine Vertretung beim Spiegel nach Kambodscha unterwegs war.
Terzani, der mit der deutschen Schriftstellerin
Angela Staude verheiratet war, war ein großartiger Schreiber. Seine Bücher, darunter "In Asien", "Gute Nacht, Herr Lenin", "Fliegen ohne Flügel. Eine Reise zu Asiens Mysterien", sowie das sehr kontrovers diskutierte Buch "Briefe gegen den Krieg", in dem Terzani nach dem 11. September 2001 aus Afghanistan und Pakistan berichtete, gehören zum besten, was man sich als anspruchsvolle Urlaubslektüre an den Strand mitnehmen kann.
Sein beeindruckendstes Werk, ja wohl sein Vermächtnis, ist aber "Noch eine Runde auf dem Karussell", das auch zwei Kapitel enthält, die in Thailand entstanden sind.
1997, mit 59 Jahren, erfährt er, daß er Krebs hat. Intensiv setzt er sich mit der Krankheit, mit sich, dem Leben und dem Sterben auseinander – und schreibt ein beeindruckendes Buch darüber.
Zunächst wird er in New York behandelt, denn kehrt er jedoch nach Asien zurück. Reisen also, noch einmal dreht er „eine Runde auf dem Karussell“ – durch Indien, Thailand, Hongkong, die Philippinen und den Himalaya, unterbrochen von den Reisen zur Behandlung nach New York.
Terzani fährt nach Dharamsala, er reist auch ans andere Ende Indiens, um einen Arzt zu treffen. In Hongkong begegnet er Mitgliedern der Falungong Sekte und einem Milliardär, der sein Vermögen zur Erforschung eines krebsheilenden Wunderpilzes stiftet, eine Reise nach Aschram wird zur tiefen Erfahrung; Reiki hingegen erweist sich als esoterische Schnellbleiche, und eine Darmspülungskur in einem „Wellness“ Hotel auf Ko Samui stellt sich als verlogenes Produkt von Geschäftemachern des Massentourismus heraus.
Lesend teilt man den Wissensdurst des Autors, der ihn schließlich zu einem Einsiedler im Himalaya führt. Denn bei dieser Reise geht es nicht um die Suche nach einem Krebsheilmittel, sondern nach Erkenntnis.
Terzani schildert nicht nur, was er auf der Suche nach Heilung erlebt, sondern es gelingen ihm großartige Reiseberichte, etwa, wenn er elegant über die Mumie des in seinem Kuti vergessenen und vertrockneten und später zum finanziellen Wohle seiner geschäftemachenden Tempelkollegen auf Ko Samui ausgestellten Mönches schreibt, während der Krebs seinen Körper zerfrißt. Die vielen kleinen Geschichten am Rande seiner Reise fesseln den Leser.
Terzani suchte nicht nur Heilung, sondern vor allem sich selbst. Am Ende seines Weges schreibt er in einem kleinen Wohnloch im Himalaya das Buch "Noch eine Runde auf dem Karussell". In der Rezension, aufgrund derer ich das Buch kaufte (leider habe ich vergessen, in welcher Zeitung es stand; ich habe nur noch den Ausriß), heißt es:
„Ein heiterer, unsentimentaler Abgesang auf diese materialistische Welt. Entspannt, ironisch, engagiert und lebensklug. Ein 700-Seiten-Vermächtnis, das zum Nachdenken anregt: über Globalisierung und Grundlagen unserer Zivilisation, über die rechte Weise zu leben und über den Tod.“
So ist es. Ein großartiges Buch. Bei Ebay oder ZVAB ab sage und schreibe 2 Euro.

"Noch eine Runde auf dem Karussell. Vom Leben und Sterben" von Tiziano Terzani
Verlag Droemer / Knaur, Oktober 2007
731 Seiten, broschiert 12,95 €
ISBN-13: 978-3426779569
Wer mehr über Terzani wissen, will, dürfte mit diesem Artikel von Alexandra Bader bei den "Ceiberweibern" gut bedient sein:
http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=review&p=articles&id=573&area=1 Darin ist unter anderem von Terzanis Erfahrungen in Samui und Ko Phi Phi die Rede.
Klaus Grüner