Tempel und Selbstbetrug
In der gedruckten TIP Ausgabe vom 27. Juli 2009 las ich auf Seite 9 unter dem Titel „Eine Nation von Gaunern?“:
„Eifersucht ist vielleicht nicht so offensichtlich, aber es ist Thais unmöglich kooperativ zusammenzuarbeiten,
obwohl dies bereits König Rama VI vorschlug.
Das beste Beispiel sind die Zehntausenden von Tempeln, die quasi nur Steinwürfe von einander entfernt gebaut wurden.
Anstatt sich in der Gemeinde auf den Standplatz für einen Tempel zu einigen, werden lieber zwei oder mehr Tempel gebaut.“ (1)
Dabei geht es kaum nur um Kooperation, sondern vielmehr darum, unsterbliche Verdienste im Jenseits zu erwerben.
Wenn einer skrupellos ein Riesenvermögen ergaunert und zusammengerafft hat, ist es oft die letzte Möglichkeit,
sich durch den Bau oder wenigstens an der Beteiligung am Bau eines Tempels, einen saubere Weste zu verschaffen.
Ich erlebe, wie sich zahlreiche Menschen keinen Deut um die Gebote Buddhas kümmern. Wie ungesühnter Mord, Totschlag,
Raub, Diebstahl und Ehebruch praktisch alltäglich sind. Fehlenden Respekt vor Lebewesen und auch von Sachwerten,
beobachten wir leider schon bei manchen Schulkindern. Morddrohungen und Betrug gehören zum üblichen Umgang,
nicht nur mit Ausländern. Die einzigen gepflegten Heiligtümer und stattlichen Denkmäler des Dorfes sind die Autos.
Die fehlende Moral im Lande wird eindrücklich dadurch demonstriert, dass die Regierung den Chef der Polizei, General Patchawarat
für einen Monat beurlauben will, um währenddessen wenigstens zu versuchen, den stümperhaften Attentatsversuch auf einen
der Anführer der Gelben, Sondhi, zu klären.
Nach letzten Meldungen unternimmt der Herr Polizeigeneral nun eine offizielle Auslandsreise. (2)
Einmal im Jahr wird Geld gesammelt. Jedes Mittel dazu ist recht, sogar das eigentlich unerlaubte Glücksspiel. Mit einer Art
Prozession wird dann das Zusammengescharrte möglichst werbewirksam mit zierlichen Geldbäumen, Musik, Lärm und Tanz
zum Tempel gebracht. Und die Götter staunen, ob soviel Barmherzigkeit, Wohltätigkeit, Herzensgüte und Nächstenliebe
und notieren im ewigen Buch die Namen der edlen Spender und die Beträge feinsäuberlich.
Je grösser und prunkvoller der Tempel ist, desto imposanter sind die Unterstützungsbeiträge, während kleinere,
ältere Tempel vergessen werden und oft leer ausgehen.
Ähnlich wie wir Bier kaufen, sichern sich viele Thais so zu Lebzeiten ihren Platz im Nibbana oder investieren mindestens
in einen zukünftigen Lotteriegewinn.
Dick sah bei ihrer Mahlzeitenaktion teilweise prekäre Situationen. (3) Es gibt zu viele Tempel. Ich fotografierte schon
vor Jahren Gebäudekomplexe ohne jeglichen Mönch. Wozu sollen die sich in abgelegenen Lokalitäten ohne namhafte
Unterstützung durch die Bevölkerung für den Unterhalt abrackern und dazu mit schlechter oder gar ohne Nahrung darben?
Vor allem, wenn in der Nähe neue, farbenprächtige, glitzernde und gleissende Anlagen mit beinahe luxuriösen Lebensbedingungen
erstellt wurden.
Dazu fehlt es an qualifizierten und disziplinierten Mönchen.
Der beste Nachwuchs stammt oft aus den Hügeln, wo die Lebensbedingungen unter den armen Bewohnern sehr hart sind.
Diese Safranrobenträger bringen oft Kindermönche mit. Kleine, schlecht ernährte Buben aus ärmsten Verhältnissen,
zum Teil Waisenkinder, welche ihre Eltern bei Bränden, durch Krankheiten oder Waffengewalt verloren.
Wo sind ihre kleinen Schwestern?
In einem sehr alten und kleinen Tempel, fand Dick Neuzuzüger, die erst seit zwei Monaten dort lebten. Von unzähligen
Gebrauchsgegenständen hatten die neuen Bewohner keine Ahnung. Dick zeigte ihnen, wie man einen Staubsauger benutzt
und gab Anleitungen, wie man Zellen und Toiletten mit zeitgemässen Mitteln sauber hält.
In einem andern älteren Andachtsort mit Krematorium klagte ein fragiler ehrwürdiger Abt, es seien nicht genug Särge
für verstorbene arme Leute vorhanden und bat um Spenden. Wegen mangelnden Totenkisten könnten mehrere Leichname
nicht kremiert werden. Es bestehe eine Warteliste.
Warum ist die Sangha nicht in der Lage oder nicht bereit, wenigstens auf diesem Gebiet zusammen zu arbeiten? (4)
In einem weiteren Tempel fand Dick einige Frauen beim WC reinigen. Von Reinigung kann man kaum sprechen.
Die ungebildeten Weiber gossen pro Toilette eine Flasche zwanzig protzentiger Säure aus. Das war’s. Für solche Belange
benötigen wir in Euroland einen Giftschein.
Ob später den Mönchen beim Verrichten der Notdurft die Haut and den Füssen zerfressen wird, kümmert niemanden
und dass die Säure irgendeinmal ins Wasser gelangt, lernte man in der Schule nicht.
Aus Dicks einfachem Mahlzeitenservice entstand ein gewaltiges Anforderungsprogramm, dem die zarte Frau kaum
mehr gewachsen ist. Die Äbte scheuen sich nicht, Dick anzurufen und um Hilfe zu bitten.
Einer der Herren erkannte die Zeichen der Zeit und erwähnte in seiner Ansprache die anonymen, limitierten Dienstleistungen
einer Frau und bat die Gemeinde um weitere tatkräftige Unterstützung. Da kann er wohl lange warten.
Die Mentalität dieser Menschen zu verändern ist nicht einfach. Aber in ein paar Wochen überbringen sie mit viel Lärm
und Brimborium wieder ihre Geldbäume. (5)
Anmerkung: Sämtliche Fragen sind rhetorisch.
(1)
TIP 27.Juli 2009, Seite 9
http://www.bangkokpost.com/business/economics/19913/even-for-a-nation-of-thieves-it-s-never-too-late(2)
http://www.bangkokpost.com/news/politics/150741/pm-patcharawat-to-go-abroad(3)
Der Weg ins Nirwana (Nibbana) wäre mit Mahlzeiten gepflastert
http://forum.thailand-tip.com/index.php?topic=1225.msg62383#msg62383(4)
http://de.wikipedia.org/wiki/Sangha(5)
http://de.wikipedia.org/wiki/Brimborium