Aus der Schweizer Onlineausgabe der Bilanz
Dreamer
Von Dirk Schütz,
Chefredaktor
Es ist schon ein spezieller Vorstoss, den sich die Ems-Chefin, Blocher-Tochter und SVP-Nationalrätin Magdalena «Seven-thinking-steps» Martullo da gönnt: Die europäischen Regierungschefs sollten mit Putin schleunigst über «eine stabile Gasversorgung und Frieden verhandeln», fordert sie via «NZZ».
Die Fakten dieser Kriegswoche: Der Kreml-Diktator lässt als Gruss an die Gipfel-Chefs ein Einkaufszentrum voller Zivilisten bombardieren. Er kündigt die Aufstellung von atomwaffenfähigen Raketen in Weissrussland an – ein Verstoss gegen ein Verbot, das Russland selbst unterschrieben hat. Er reduziert die Gaslieferungen – ein klarer Vertragsbruch. Und dann sorgt sich der Terrorfürst, der die Ukraine mit unzähligen Gräueltaten überzogen hat, in tiefster Heuchelei um das Wohlergehen der ukrainischen Bevölkerung: Es sei «nicht das Ziel des kollektiven Westens.» Propaganda der übelsten Sorte eines Diktators im Krieg. Orwell on steroids.
Da sei die Frage an Frau Martullo-Blocher erlaubt: Wie glaubwürdig wäre ein Verhandlungsfrieden mit einem Staatsterroristen, der jegliche Versprechen und Verträge der letzten Jahre gebrochen hat? Für eine Politikerin, deren Partei das nationale Selbstbestimmungsrecht so hoch gewichtet, ist es schon erstaunlich, wie leichtfertig sie den Ukrainern dieses Recht abspricht. Vor allem: Was soll diese Verhandlungsforderung, wenn der Kriegstreiber gar nicht verhandeln will? Der Terrorzar hat Interesse an einem möglichst langen Kriegszustand: So kann er Europa in die Energiemangel nehmen und die verheerende Bilanz des Krieges für sein eigenes Land verschleiern. Die SVP zeigt gern klare Kante. Da müsste Martullos Vorstoss eigentlich eine doppelte Todsünde sein: Soft und naiv. Träumende Magdalena – dieses Mal ist Martullo selbst der Dreamer.