Fast auf dem Tag genau,aber 300 Jahre spaeter,nachdem Matthias Weinberger 1656 ein
Vespernbild an eine 3-staemmige Eiche montiert hatte,war ich auf Wallfahrt in Maria Dreieichen.
Immer am letzten Sonntag im September begab sich meine Familie zur jaehrlichen Wallfahrt.
Maria Dreieichen lag am Naechsten,Santiago de Compostela haette mich zwar mehr interessiert,
war aber viel zu weit weg.
Bei Morgengrauen brachen wir auf.Die Familie nahm mit knurrendem Magen Platz im Opel Caravan
Bj.1955 um in zwei Stunden die Strecke von rd.70 Km in Angriff zu nehmen.Onkel Josef hatte als
Einziger den Fuehrerschein und sass hinter dem Lenkrad."Kapitaen" war er trotzdem nicht.Das Kom-
mando fuehrte seine Frau,die jedesmal hellauf aufschrie,wenn sich ein anderes Fahrzeug auf 300 m
unserem Auto naeherte.Auch wenn die Passage der Fahrzeuge ohne jede Beruehrung vonstatten ging,
eine Schimpfkanonade musste er sich jedesmal anhoeren."Fahr nicht so schnell " "Pass auf" waren gerade
noch die druckreifen Mahnungen.
Als wir uns dem Wallfahrsort naeherten,ueberholten wir Wallfahrergruppen,die ebenfalls zur Gnaden-
kirche unterwegs waren.
Voran der Kreuztraeger,danach die Kirchenfahnen,dahinter der Pfarrer,der mit sonorem Bass ein Marien-
lied vortrug,wonach die folgende Pilgerschar in den Refrain einfiel :"Oh Maria hilf uns allen,hier in diesem
Jammertal".
Um 10 h war ueblicherweise das Hochamt angesetzt und die Kirche fuellte sich bis zum letzten Platz.
Solange die Orgel spielte und die alten Kirchenlieder gesungen wurden,war ich interessiert.Aber sobald
der Pfarrer zur Predigt anhob,machte sich Langeweile bei mir breit.Einfach hinaus gehen,war nicht erlaubt.
Sofort haette ich mir das Stigma eines Heiden eingehandelt und so blieb mir nichts anderes ueber,als die,
an der Kirchenwand verewigten Danksagungen der Wallfahrer,zu studieren.
Die waren mannigfach und reichten vom Dank,dass die Erbtante rechtzeitig gestorben war,ueber das
beschriebene Wunder,dass die Kuh "Bessy" gesundete,weil man eine Kerze entzuendete,bis zur Bitte
an den Hl.Florian,doch das eigene Haus vor Brand zu bewahren.
Endlich,es kam mir vor,als seien Stunden vergangen,war das Hochamt zu Ende und alles stroemte
zum einzigen Gasthaus des Fleckens.
Dort begruesste,schweifwedelnd ein riesiger Bernhardinerhund die Gaeste,die alle Platz fanden,denn
das Gasthaus hatte song- contesttaugliche Ausmasse.Schnitzel oder Schweinebraten wurden blitz-
schnell serviert und mundeten vorzueglich.
Nachdem die Familie gesaettigt war,fuhr Onkel noch 20 Km weiter ins Weinviertel,um wie jedes jahr,
den Jahresvorrat an Wein zu kaufen.
Eine hochsensible und hochheilige Taetigkeit.
Mein Onkel hatte weder die Zunge noch den Gaumen,um einen Merlot Blanc von einem Zierfandler
zu unterscheiden.Trotzdem tat er so,als sei er ein Sommelier von hohen Graden.
Das half nichts,dem Winzer gelang es jedes Jahr,ihm einen Saueramper zu unterjubeln,der sofort
nachdem eine 2 l Flasche geoeffnet war,Richtung Essig tendierte und weggeschuettet werden musste.
Nachdem die ueblichen 20 "Doppler" verladen waren,ging es wieder nach Hause,wo es schon dunkelte
als wir ankamen.
Alle,ausgenommen meiner Wenigkeit, waren mit dem Tag zufrieden.Die Erwachsenen hatten ihre
Seelen durch die Wallfahrt gereinigt,nur ich war sauer - hatte ich doch durch den Ausflug das Fuss-
ballspiel ASV Schrems gegen Waidhofen/Thaya versaeumt.
5 Jahrzehnte spaeter war ich mit meiner Frau wieder in Maria Dreieichen.(Nicht extra,sondern wir waren
in der Naehe um eine Arbeit zu verrichten).
Ich erzaehlte ihr von dem besonderen Ort,von den Wundern,die sich zugetragen haben sollen und haette
bald erreicht,dass sie auf der Stelle zum Christentum uebergetreten waere.
Aber dann meldete sich ihr nachdruecklich ihr Hunger.Alle Heiligen der katholischen Kirche waren ver-
gessen,den Papst liess sie einen guten Mann sein und wir kehrten beim " Raeuberhauptmann Grasl" ein.
Jock