Eigentlich?
Danke für die rege Mitarbeit.
Ein Lob an unseren Schriftgelehrten hmh. Gerne verweise ich auf seine Erklärungen zu wan asanlaha bucha:
http://forum.thailand-tip.com/index.php?topic=1352.msg135532#msg135532Vielleicht wäre eine Kopie des Artikels in die Geschichten aus Hinterindien sinnvoll.
@namtok
Das Schulgebäude ist ein üblicher Betonklotz, keine alte, gepflegte Holzkonstruktion. Aber der Tempel in der Nähe dürfte an die dreitausend
Jahre alt sein!! !
Eigentlich wollte ich nach dem letzten Schulbeitrag eher wieder auf Probleme von Frau Kummer & Co. wechseln. Das unerwartete Echo gibt
Gelegenheit für einige zusätzlich Worte zum hinterindischen Erziehungssystem. Das ganze ist nicht System, sondern mutwillige Willkür und
hat mit Erziehung oder Bildung wenig gemeinsam.
Zu Semesterbeginn erkundigten wir uns nach allfälligen Unterbrüchen, Ferien und Feiertagen. Höhnisches Gegrinse und verständnisloses
Anstarren waren die vielsagenden Antworten. Innerhalb Monatsfrist fallen nun zum zweiten Mal fünf Freitage in Folge an, Bekanntgabe einen
Tag zuvor. Längerfristige Planung ist in den fraktalen Unschärfen (Chaostheorie) des Universums verborgen.
Erst Mowgli erlaubte mir den näheren Einblick ins Schulunwesen. Ich begegnete Kindern in ihren Uniformen am ersten Tag meiner Ankunft in
Thailand. Jahre später im Dorf waren die uniformierten Kleinsten zu jeder Tages- und Nacht-Stunde ein alltäglicher Anblick. Meine Frage war damals:
„Wann schlafen die eigentlich?“
Vor etwa zehn Jahren erhielt ich in Chiang Mai ich einen bösartigen Augenöffner. In Einkaufszentren drängten sich ältere Schülerinnen wiederholt
auf, für ein Mobiltelefon oder eine modische Handtasche zu einigen Liebenswürdigkeiten und zum Beischlaf bereit zu sein. Warum denn nicht für
Knaster, Zaster und Moneten? Etwa wegen allfälligem Gesichtsverlust durch Prostitution?
Unsere erwachsenen Söhne könnten ein Lied über ungehemmt launige Lanna Ladies pfeifen oder gar blasen.
Mir waren die Scharen junger Frauen in den Einkaufszentren in ihren Uniformen immer suspekt und ich fragte mich:
„Wann lernen die eigentlich?“
Noch schöner fand ich, dass ganze Busladungen von uniformierten Kindern aus dem Hinterland zum praktischen Studium des Wirtschaftslebens
in diese Einkaufsparadiese und Konsumtempel verfrachtet wurden und werden.
Mowgli lernte in einer privaten christlichen Provinzschule ausser Prügel, Diebstahl und dem differenzierten Gebrauch der Fortpflanzungsorgane
nichts mehr.
Ich war erstaunt, ob dem vielfältigen Stoffangebot hier. Aus vielen Gesprächen mit Kindern, Eltern und Lehrern weiss ich, dass es in Chiang Mai
eine Menge teurere, jedoch wenig bessere Schulen gibt. Wenn ein Kind an Mowglis Schule lernen will, dann ist der Stoff und dessen Vermittlung
vorhanden. Allerdings sind die Eltern gefordert. Viele Eltern haben keine Ahnung, dass nach der Schule das Üben zu Hause dringend erforderlich
ist. Die Lehrer kennen diese Art Kooperation meistens nicht. Darum verstehe ich deren ausgefallene Reaktionen teilweise.
Wenn die nämlich die gemachten Hausaufgaben zum Kauf anbieten, ist es doch dumm, wenn man das preisgünstige Angebot nicht berücksichtigt.
Besonders darum, weil die erteilte Punktezahl durch eigene Erarbeitung nicht höher wird.
Der Einfluss laotischer Kunst im Norden Thailands ist spür- und sichtbar, besonders bei den Tempeln. Ich mag diese zart geschwungenen Formen
und ich konnte Mowgli für solche Linienführung begeistern. Der Stil liegt ihm in der Hand.
Anstatt dass der Herr Lehrer die Kinder als erstes mit Thaikunst bekannt machte, schnitt er ein geradezu exotisches Thema an. Italienische
Renaissance: Leonardo da Vinci - Mona Lisa. Er forderte die Kleinen auf, die Mona Lisa abzukupfern, oder eine Kopie im Laden um die Ecke zu
erwerben.
Als ich das vernahm, hungerte meine Zirbeldrüse nach Di-Methyl-Triptamin, dem Molekül des Geistes. Ich beschloss leicht genervt, dem
Kunstexperten La Gioconda frei Haus zu liefern und Mowgli dabei nach besten Kräften zu unterstützen.
Wir zeichneten eine so bezaubernde Mona Lisa, dass Leonardo der Grosse sein Werk beschämt in eine Ecke gestellt hätte. Neben die Zeichnung
klebten wir provozierend eine Weinetikette “Monna Lisa“ ins Heft. Der Wein war noch schlechter als der fehlerhafte Druck.
Wie geplant ärgerte sich der Lehrer:
„Hast du das kopiert?“
Mowgli antwortete mit meinem eingetrichterten Satz:
„Jede Kopie der Mona Lisa ist eine Kopie.“
Was blieb dem konsternierten Lehrer anderes übrig, als Mowgli achtzehn Punkte zu geben. Alle anderen Kinder, die mit gezeichneten üblen
Fratzen, oder mit Kritzeleien, Motto: „Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht,“ sowie die gekauften Kopien - erhielten zwanzig
Punkte.
Wenn wir in Euroland Schuhe erstehen und dafür von 100 Teuro aufwärts hinblättern, schmeissen wir verdreckte Galoschen nicht gleich weg,
wie in Thailand die 99 Baht Latschen. Wir investierten nicht nur in Schuhreinigungsartikel und Politur, sondern zeigten Mowgli, wie wir damit
umgehen.
Nach Monaten Schulbesuch sehen seine Schuhe noch neu aus. Das realisierte ein Lehrer ebenfalls und der kombinierte sehr schnell:
„Mowgli, deine Schuhe sind zu sauber. Mach sie schmutzig, sonst werden sie geklaut!“
http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Chaostheorie.html