Man tritt
nirgends auf eine Schwelle. Wer
Ban Kükrit in Bangkok besucht hat
(
http://forum.thailand-tip.com/index.php?topic=1352.msg50513#msg50513 ),
versteht augenblicklich, weshalb das so ist, und auch, warum man es in modernen Häusern damit nicht mehr 150 % genau nimmt (bzw. nicht mehr nehmen
kann).
Bei der Diskussion ist zu beachten, daß der ganze angeblich ach so
traditionelle hochheilige Etikettenkram in Thailand, genauso wie früher bei uns, eine von der Oberschicht aufgepfopfte Kultur ist, und zwar nicht zuletzt als
sehr bewußt eingesetztes Mittel der Abgrenzung. Was irgendwelche Isanbauern machten, interessierte die Oberschicht noch nie, solange die anderen unter sich blieben. Deren eigene "Gebräuche" auf dem flachen (oder bergigen) Land fielen überwiegend sowieso weniger unter Etikette, als vielmehr unter anderem unter
Geisterglauben, so wie es heute noch ist.
Die
Oberschicht des alten Siam bestand noch vor 100 Jahren gerade mal aus
etwa 2000 Männern und ihren Familien. Und auch das war zum geringsten Teil das, was man eine "Bildungselite" nennt.
Nur diese winzige Oberschicht waren "Thais", also "Freie". Alle, die außerhalb des Systems standen, durften den Machtbabern noch nicht mal in die Augen sehen.
So oder so war, wer nicht dazu gehörte, Verfügungsmasse für die Oberen, obwohl sich auch "mittlere" Dorfmachhaber und Hordenführer durch
Ablieferung von jungen Mädchen, Arbeits- und Kriegsklaven, weißen Elefanten, Beutegut von Raubzügen und anderen "
Steuern" (die man selbst von seinen Unteren bekam) gewisse Vorteile erdienen konnten.
Wenn sie aber in Ayutthaya oder Bangkok ankamen, um den Kram abzugeben, brauchte es Vermittler, um überhaupt vorgelassen zu werden. Die brachten ihnen dann zum Beispiel bei, daß es
Etikette ist, vor "hohen" Halbgöttern zu kriechen und ein
Wai im Liegen über dem Kopf zu machen, wobei die Ellbogen den Boden nicht berühren durften...
Ein großer Teil der heute propagierten angeblichen "Thai-Etikette" ist unter diesem Aspekt zu sehen. Ich will damit aber nicht sagen, daß nicht einiges von dem, was zum Beispiel unter Phibunsongkhram in den 1930er und 1940er Jahren eingeführt wurde, durchaus sinnvoll war und das Zusammenleben unter Thais und mit Thais angenehmer machte, als es bis dahin war.
Dennoch: Wenn man mal in Ruhe über die angeblich so einzigartige "Thai-Etikette" nachdenkt, wird es doch jedem klar: Berührt etwa ein gebildeter, höflicher Mensch in Europa einen Fremden am Kopf?
Was soll also das Geschwätz von der entsprechenden "Etikette" in Thailand, weil dort der Kopf "heilig" sei. Unberührbar ist der Kopf für einen fremden auch bei uns, und umgekehrt scheren sich etwa Pärchen, Eltern oder sonstige Verwandte bei uns ebenso wie in Thailand einen feuchten Kehrricht darum...
Ein Minimum an
Herzensbildung, Vorsicht und Nachfrage (und daraus folgendem
Wissen), sollte doch jedem von uns reichen, um
überall in der Welt durchzukommen und nicht anzuecken.
Wenn zum Beispiel ein Thai soviel Einkommen, Bildung und Beziehungen hat, daß er nach Europa reisen kann, aber nicht mal weiß, daß man aus Höflichkeit vor einer Respektsperson aufsteht, wenn man sie begrüßt, ist das für mich einfach ein
dummer Stoffel, genauso wie der Ausländer, der in Bangkok im Unterhemd, kurzen Hosen und in Badelatschen über die Ratchadamnoen Klang watschelt.
Für beide habe ich kein Mitleid und vor beiden ist mein Respekt begrenzt.