Siriphon ist in einer ländlichen Provinz in Thailand geboren, aber sie ist keine ethnische Thai. Das ist wichtig, wenn man ihre Geschichte verstehen will, denn die meisten auf dem heutigen Staatsgebiet Thailands lebenden Menschen waren bis Anfang des 20. Jahrhunderts als Leibeigene der Herrscher versklavt, wobei Minderheiten besonders schlimm dran waren. Die Thai-Oberschicht fühlte sich gegenüber allen anderen Völkern überlegen, und oft ist das noch heute so.
Viele Oberschicht-Thais blicken auf Menschen mit dunkler Hautfarbe herab, wie sie viele Minderheiten haben, auch diejenige von Siriphon aus dem Osten Thailands. Das ist allerdings kein spezifisches Phänomen Thailands: Fast überall in Asien ist Fremdenfeindlichkeit ein Phänomen.
Dazu fehlt vielen Landbewohnern außerhalb Bangkoks und einigen wohlhabenden Provinzen in Thailand der Zugang zu Bildung und regelmäßiger Arbeit. Wenn es dort überhaupt Arbeit gibt, dann meist Tagelohnarbeiten, die höchstens drei bis vier Monate im Jahr Einkommen bringen. Wenn Landbesitz vorhanden ist, sieht es auch nicht besser aus; oft sind die Familien verschuldet und Arbeit ist nur während der Pflanzeit und der Ernte vorhanden.
Deshalb suchen viele Landbewohner, darunter auch die Angehörigen der beschriebenen Minderheiten wie Siriphons Familie, ihr Glück in den Städten. Vor allem natürlich in der Zehn-Millionen-Metropole Bangkok, in der bis zu vier Millionen nicht amtlich gemeldete Menschen aus den Provinzen leben sollen. Andere gehen in die Touristengebiete wie Phatthaya und Phuket. Ihr Einkommen ist aber auch dort meist am unteren Ende der Skala und übersteigt nicht immer 150–200 Euro im Monat.
Siriphon konnte nur etwas weniger als vier Jahre die staatliche Grundschule besuchen und hat dort zum Beispiel nicht gelernt, die lateinische Schrift zu lesen. Schulpflicht bestand damals vier Jahre, auch heute sind es nur sechs. Siriphon spricht neben der Sprache ihrer Minderheit zwar auch gut Thai, sie kann aber Thai nicht fehlerfrei lesen und schreiben.
Ländliche Schulen in Thailand gelten als schlecht bis katastrophal; die reiche monarchistische Bangkoker Elite hat kein Interesse daran, diesen Zustand zu ändern. Der einzige Premierminister, der jemals etwas spürbares für die arme Landbevölkerung tat, Thaksin, wurde 2006 mit Unterstützung der Entourage des Königshauses vom Militär weggeputscht. Derzeit gibt es in der nach dem Putsch an die Macht gekommenen sogenannten ‹ demokratischen › Partei, die anders als es der Name suggeriert, die Angehörigen der alten Adelsschicht, des Militärs sowie der neureichen Geschäftselite repräsentiert, sogar ernsthafte Bestrebungen, mit Blick auf die Landbevölkerung das Wahlrecht einzuschränken.
Als Grund gibt man allen Ernstes an, daß diese Mehrheit der Bevölkerung zu dumm und ungebildet seien, um selbst zu wissen, was gut für sie ist.
Da es in Thailand keine nennenswerte Sozialversicherung gibt, liegt die Last für die Versorgung der Eltern (und oft auch der jüngeren Geschwister) bei den arbeitsfähigen Kindern, in der Praxis vor allem bei den Töchtern. Schon deshalb träumen viele junge Frauen von einem ausländischen Ehemann, der die Erfüllung dieser Pflichten erleichtert. Das gilt vor allem für den Fall, wenn schon Kinder vorhanden sind und der Vater, was in Macho-Thailand die Regel ist, nicht für den Unterhalt sorgt.
Siriphon ist das passiert. Sie wurde als junge Frau schwanger. Der Vater kümmerte sich wenig um den Unterhalt des gemeinsamen Sohnes Suphap und brachte sein und das von Siriphon verdiente Geld mit Alkohol und Glücksspiel durch.
Zwangsläufig wurde sie eine alleinerziehende Mutter. Siriphon fand in der Provinzhauptstadt in einem Restaurant Anstellung. Das Kind blieb bei der Familie, für deren Unterhalt Siriphon fortan sorgte.
Durch eine Bekannte, die einen Deutschen geheiratet hatte, traf sie im 1995 im Seebad Pattaya mit einem deutschen Rentner zusammen, der sie heiratete und es auch akzeptierte, ihren Sohn Suphap, als er neun Jahre alt war, im Zuge einer Familienzusammenführung nachzuholen. Suphap verstand sich außerordentlich gut mit dem neuen Mann seiner Mutter.
Der jetzt 19jährige, der jüngst die Hauptschule mit einem qualifizierenden Abschluß beendet hat, spricht heute gut Deutsch und ist integriert.
Für Siriphon war es sicher nicht die große Liebe, die Situation kam aber eigentlich dem Vorbild einer guten Vernunftehe recht nahe. Außerdem fand sie, nachdem sie etwas Deutsch gelernt hatte, aufgrund Ihrer Erfahrungen in Restaurants schnell Arbeit. Seit 1997 arbeitet sie in einem Schnellrestaurant und konnte vom verdienten Geld nicht nur die Familie in Thailand unterstützen. Es gelang ihr auch, im Laufe der Jahre durch Bau- und Prämiensparverträge einige tausend Euro anzusparen. Ihr Mann hatte nichts dagegen und sorgte überwiegend für die täglichen Ausgaben.
Dennoch scheiterte die Ehe. 2000 lernte Siriphon ihren jetzigen Ehemann Werner Beinlich, Gesellschafter und Geschäftsführer einer eigenen Firma und Immobilienbesitzer, als Restaurantkunde kennen. Er gab sich äußerst großzügig, weltgewandt und verständnisvoll, versprach ihr Heirat, Kinder und eine schöne Wohnung und bemühte sich derart intensiv um sie, daß sie tatsächlich ihren Mann für ihn verließ (zum Bedauern ihres Sohnes) und in eine großzügige Stadtwohnung zog, die Beinlich eigens für sie gemietet hatte. Später zog Werner Beinlich vorübergehend selbst dort mit ein.
Man suchte regelmäßig gemeinsam einen Freundeskreis Thai-Deutscher Ehepaare auf, die sich von Frühling bis Herbst fast jedes Wochenende in wechselnden privaten Gärten trafen. Um Werner Beinlich, den einzigen noch nicht verheirateten Mann in dieser Runde, wurde Siriphon von ihren Landsfrauen glühend beneidet: Ein gewandter, höflicher, wohlhabender Unternehmer mit feinen Umgangsformen, der seiner Verlobten ständig Komplimente machte: Perfect Match, das große Los für Siriphon, die sich erstmals im Leben wirklich geachtet und begehrt fühlte.
(Fortsetzung folgt)