Auszug einer Rede von Prof. Serhii Plokhy zum Thema Rußland und Ukraine.
Prof. Plokhy ist in Rußland geboren und in der Ukraine aufgewachsen.
Er lehrt seit 2007 an der Harvard Universität osteuropäische Geschichte und Historie.
Er gilt als die führende Kapazität auf diesen Gebiet und erhielt mehrere hohe Auszeichnungen.
Wie sähe die Ukraine heute aus, wenn es die russische Annexion der Krim und die russische Invasion im Donbass im Jahr 2014 nicht gegeben hätte?
Das kann man sich leicht vorstellen: Es gäbe keine Zerstörung durch die Explosion des Kachowka-Staudamms. Die Stadt Mariupol wäre noch da. Es würde Frieden in der Ukraine herrschen. Obwohl die Ukraine multiethnisch und mehrsprachig war und ist und obwohl es verschiedene Religionen gibt, haben die Ukrainer vor 2014 gezeigt, dass sie einen Weg finden werden, friedlich zusammenzuleben - wenn auch vielleicht ein bisschen chaotisch. Elemente des Separatismus gab es sicherlich, aber es gab keinen einzigen Fall einer separatistischen Bewegung in der Ukraine, die groß genug gewesen wäre, das Land zu destabilisieren. Solche separatistischen Bewegungen auf der Krim und im Donbass traten erst auf, als russische Truppen auf ukrainischem Gebiet erschienen.
Putin spricht viel über alle möglichen Verfehlungen des Westens - zum Beispiel über die Luftangriffe auf Serbien im Jahr 1999. Haben solche Verstöße gegen das Völkerrecht es ihm leichter gemacht, selbst das Völkerrecht zu verletzen, oder ist das nur Gerede?
Es ist nur ein Vorwand. Was Putin tut, hat in der internationalen Praxis, nicht nur im Völkerrecht, seit dem Zweiten Weltkrieg keinen Präzedenzfall mehr. Seit 1945 gab es in Europa nicht einen Fall, in dem ein Land einen schwächeren Nachbarn angreift und dessen Gebiet annektiert. Putin hat es gemacht, 2014 mit der Krim und 2022 mit vier weiteren Oblasten der Ukraine. Weder die Vereinigten Staaten noch ein anderes Land hat sich so etwas zuschulden kommen lassen. Putin kann so oft auf die USA zeigen, wie er will, aber das ist keine Entschuldigung für das, was Russland tut. Er bringt die Praktiken der 1930er- und 1940er-Jahre zurück, indem er Gebiete eines anderen Landes annektiert. Das ist durch nichts zu rechtfertigen. Ich befinde mich gerade in Japan - der letzte Fall einer Annexion war 1946, als Moskau die Kurilen offiziell zum Teil der Sowjetunion erklärte. Das ist der Grund, warum Russland immer noch keinen Friedensvertrag mit Japan hat: weil es japanisches Gebiet annektiert hat. Das war der letzte Fall - bis zum Jahr 2014.Hier das kpl. Interview, hierbei geht es um den Zerfall Rußlands,
https://www.n-tv.de/politik/Der-Zerfall-Russlands-dauert-noch-an-article24215890.html