SWR am 29.04.2015 um 23:30 Uhr - Die Spur der Tempelräuber
Wie kommt eine der berühmtesten Statuen Kambodschas in den Auktionskatalog von Sotheby's? Die SWR/ARTE-Dokumentation "Die Spur der Tempelräuber" fahndet in fast vergessenen Dschungel-Tempeln nach Indizien eines spektakulären Kunstraubs und deckt die Strukturen des verschwiegenen internationalen Antiquitätenmarktes auf. 1972 wurde im Chaos des kambodschanischen Bürgerkriegs im Tempel von Koh Ker eine lebensgroße Sandsteinstatue gewaltsam vom Sockel geholt: ein Abbild von Prinz Duryodhana, einem Helden aus dem Hindu-Epos Mahabharata. Die rund 1.000 Jahre alte Statue gehört zu einer neunköpfigen weltberühmten Figuren-Gruppe – einem Meisterwerk der Khmer-Kultur. Die komplette Gruppe wurde geplündert – wie sich jetzt herausstellt offenbar im Auftrag eines internationalen Schmuggelnetzwerks. So sieht das zumindest die New Yorker Staatsanwaltschaft. Sie beschäftigt sich intensiv mit dem Fall, seit die UNESCO darauf hingewiesen hat, dass in New York offenbar Raubgut unter den Hammer kommen soll. Das Auktionshaus Sotheby's präsentierte die gestohlene Statue auf der Titelseite eines Kataloges und erhoffte sich einen Versteigerungserlös von zwei bis drei Millionen Dollar. Doch die US-Justiz stoppt den Deal vorläufig und leitet ein Verfahren ein, das Museen und Auktionshäuser weltweit in Aufruhr versetzt. Sonderermittler James T. Hayes sammelt Beweise, die die Rückgabe an Kambodscha ermöglichen sollen. Im Film erzählt er von einem weltweit operierenden Schwarzmarkt für gestohlene Antiquitäten. Autor Wolfgang Luck befragt den Anwalt von Sotheby's nach der Herkunft der Statue und hört eine abenteuerliche juristische Argumentation. Wegen unklarer französischer Kolonialerlasse aus den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts könne Kambodscha nicht bewiesen, dass es jemals Besitzer seiner eigenen Tempelstatuen war. Die Dokumentation begleitet die amerikanische Kunstanwältin Tess Davies bei ihren Recherchen und zeichnet den Weg der gestohlenen Statue präzise nach. Auf diese Weise deckt der Film die Strukturen der internationalen Schmuggelnetzwerke auf. Es gelingt sogar, in Bangkok den umstrittenen Kunstsammler Douglas Latchford vor die Kamera zu bekommen. In den Gerichtsakten wird er als einer der Hintermänner des Statuen-Schmuggels beschrieben. Latchford streitet jede Verwicklung in den Fall ab, räumt aber ein: "Wir haben uns damals nicht darum gekümmert, ob es einen Nachweis über die legale Herkunft von Statuen gab". Während der Recherchen und Dreharbeiten nimmt der Fall unerwartete Dimensionen an. In vier US-Museen werden Khmer-Statuen identifiziert, die offenbar ebenfalls aus der Tempelplünderung in Koh Ker stammen. Selbst das renommierte Metropolitan in New York ist betroffen. Dem Filmteam gelingt es, die geplünderten Statuen dort zu filmen und der Kurator der Südostasienabteilung macht im Interview eine folgenreiche Aussage: Man sehe ein, dass sich die Regeln für Kunstsammlungen über die Jahrzehnte geändert hätten und halte sich jetzt in allem, was man tue, an die UNESCO-Konvention zum Schutz von Kulturgütern. Wenig später gibt das Metropolitan seine beiden geraubten Koh Ker-Statuen tatsächlich an Kambodscha zurück und löst damit eine ganze Welle spektakulärer weiterer Rückgaben aus. Und auch die geplante Sotheby's-Auktion platzt. Der Film bekommt ein unerwartetes Happy End – gleich fünf der geraubten Tempel-Meisterwerke kehren heim. Ein historischer Sieg für Kambodscha und ein weltweiter Präzedenzfall für die Rückgabe geraubter Kulturgüter.
Die Spur der Tempelräuber – Dokumentation, D 2014
Mittwoch, 29.04.2015
Beginn: 23:30 Uhr Ende: 00:20 Uhr Länge: 50 min.